LIV

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Mit trüben Augen überblickte ich das alte Diner, während ich Eric hinein folgte. Die Innenausstattung war fast genauso karg, wie die Umgebung rundum das Gebäude. Die roten Sitzecken sahen abgenutzt aus, die Fliesen, als wären sie aus den 80ern und die Deckenbeleuchtung ließ auch zu wünschen übrig. Und doch verströmte alles einen Charme, den ich nicht verstehen konnte.
Die Wärme ließ mich locker werden und festzustellen, dass ich nicht halb so schäbig aussah, wie die wenigen Gäste hier, ließ mich obendrein wohlfühlen. Hier brauchte ich mich nicht zu verstellen. Hier konnte ich so verkorkst sein, wie ich wollte, da die anderen nicht besser waren und das Ambiente sowieso.
Also war mein Gang hinter Eric urplötzlich entspannt und die Übelkeit von der Schule vergessen.
"Was genau machen wir hier nun?" stellte ich die Frage aller Fragen, während ich mich neben Eric an den leeren Tresen setzte. Dazu konnte ich dem Drang nicht wiederstehen, mich auf dem drehbaren Hocker aus rotem Leder von der einen Seite zur anderen zu drehen.
Hier lag so viel Kaffee in der Luft, dass ich mir ziemlich sicher war, schon jetzt ausreichend Koffein in der Blutbahn gehabt zu haben.

"Entspannen." meinte er nur und stützte sich mit den Armen am Tresen ab, während er die riesige Karte vor uns abcheckte. Dessen Licht ließ ihn auf einmal weicher wirken. Schon fast unschuldig, was ein komisches Gefühl in mir auslöste.
Mit verzogenem Mund hörte ich auf mich zu drehen und sah von ihm weg. "Entspannen." wiederholte ich es nur brüsk.
"Und einen Milchshake trinken."
Verwirrt zog ich die Nase kraus. "Warum genau einen Milchshake? Sind wir echt so lange gefahren, nur um das zu tun?"

Sein unlesbarer Blick schwang zu mir. "Es ist der beste, den ich je getrunken habe. Also, ja."
Ich schnaubte, als ich ihn ungläubig ansah. Doch unterdrückte mir den bissigen Kommentar. "Wie gesagt, ich habe nichts bei mir. Also auch kein Geld."
"Ich zahle."
Verstört verkrampfte ich mich und schirmte mit einem Mal all die Gespräche der Gäste, das laufende Radio und die Geräusche aus der Küche ab. "Du willst zahlen?"
Er zuckte nur die Schultern und hielt Ausschau nach einer Kellnerin. "Wieso nicht?"

'Wieso nicht'? War Eric neuerdings auf den Kopf gefallen oder wurde ich einfach nur in ein Paralleluniversum transportiert, indem Eric Falcon nett war?
Selbst, als die Vanillemilchshakes, die er einfach bestimmt hat, vor uns gestellt wurden, konnte ich nicht anders, als misstrauisch zu sein.
"Prost." sagte er noch gleichgültig und nahm einen großen Schluck seines Bechers.

Skeptisch betrachtete ich die Kalorienbombe, bis ich einfach die Schultern zuckte und mich auf Erics Angebot einließ. Sofort schossen meine Brauen hoch.
Ohne Eric zu beachten trank ich weiter und ließ das unglaublich süße Getränk meine Kehle runterwandern. Wie immer blieb unser Wortwechsel eher mangelhaft, was mich zum grübeln brachte.
Gedankenverloren rührte ich mit dem Strohhalm im Milchshake und legte die Stirn in Falten, als meine Ungeduld der letzten Tage wieder hochkam. "Wieso erzählst du nichts?"
"Was?" fragte er mit vollem Mund und verlor fast einige Tropfen.
Ohne ihn weiterhin anzusehen rührte ich weiterhin herum. "Jedes Mal, wenn du mich über persönliche Dinge ausfragst, lässt du nie zu, dass ich welche zurück stelle. Und wenn ich mal eine Frage stelle, umgehst du sie sofort..." meinte ich gedankenverloren, bevor ich endlich den Blick überzeugt von mir selbst hob. "Wieso erzählst du mir nicht mehr von dir, obwohl du so viel von mir wissen möchtest?"

So, wie sonst auch, war Erics Blick undurchschaubar. Jedoch mit dem leichten Unterschied, dass ich nun Anstrengung anhand seiner gefalteten Stirn und den strengen Augen erkennen konnte, was mich den Kopf schieflegen ließ.
"Was willst du denn wissen?" brummte er abweisend und nahm einen großen Schluck.
Ausatmend versuchte ich all die Anspannung aus meinem Körper zu vertreiben. Er sah mich nicht einmal mehr an. "Vergiss es." schlürfte ich grimmig. Wenn er schon so abwehrend reagierte, hatte ich keine Lust ihm jede Information aus der Nase ziehen zu müssen.

"Du hast jetzt angefangen, also beende es auch, Heather." brummte er tief, was mir einen unerwartenden Schauer verpasste und ich mich räuspern musste.
Ich hasste diese Situation. Wieso hatte ich überhaupt etwas gesagt?
"Ich will einfach mehr von dir wissen! Ich kenne dich kaum. Hätte ich nicht so viel von mir erzählen müssen, wäre es eine andere Sache. Dann hätten wir einfach nebeneinander exestieren können, ohne uns zu kennen. Aber so ist es leider nicht."
"Ich habe dich nicht gezwungen mir von dir zu erzählen."
Ich verzog ungläubig das Gesicht und gab einen hellen Ton von mir, der meine andere Meinung dazu zeigte. "Pfh. Ich kann das nicht unbedingt behaupten." Ich biss mir auf die Unterlippe - unsicher ob ich das nächste wirklich sagen sollte. "Ich dachte...wir sind...Freunde."

Eric brauchte es nicht einmal auszusprechen, als das ich wusste, dass ich derselben Meinung war: "Iuh." ohne sein Gesicht zu verziehen. Er brachte mich langsam zum kochen!
"Du hast das vor mir behauptet! Also lass deine scheiß Kommentare, Eric." knurrte ich, eher durch meinen verletzten Stolz. Ich hätte es nicht einmal versuchen sollen.
Ein amüsierter Funke ging durch seine dunklen Augen, ohne, dass er das Gesicht verzog.
"Ich hasse es einfach, wenn Menschen mehr von mir wissen, als nötig und das ist bei dir leider der Fall. Und es ist merkwürdig währenddessen nichts von dir zu wissen."
Wie ein miesepetriger Hund starrte er mich mit gesunkenen Brauen an. "Dann frag."

Überfordert schwenkte ich auf dem Hocker umher. "Erzähl mir einfach, was dir gerade in den Kopf kommt. Einfache Fakten." zuckte ich die Schultern und musterte seine angestrengte Miene.
Ich konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, solange er mich ansah, als würde er entscheiden, ob er mir vertrauen konnte.
"Ich bin 18 Jahre alt und schwänze oft." gab er ernst von sich.
Sofort brannte eine Sicherung in mir durch und ich boxte ihn so hart wie möglich gegen die Schulter, während ich ihn wütend anstarrte. "Etwas, dass ich nicht bereits wusste, du Idiot!" zischte ich.
Das Zucken seiner Mundwinkel provozierte mich nur noch mehr, genauso, wie das funkeln in seinen Augen, als er meinen Gesichtsausdruck musterte. "Ich werde am 03.November 19."

Drohend erhob ich die Faust, doch er griff sie sich mit einem verschmitzten Grinsen, bevor ich wieder zuschlagen konnte. "Du kannst ja ganz schön handgreiflich werden, wenn du was wirklich willst." meinte er amüsiert und zwang meine Faust in meinen Schoß, während seine Hand es schaffte sie komplett zu umgreifen.
Und entweder dachte er ich würde wieder versuchen ihn zu boxen oder er hatte es einfach vergessen, aber er ließ seine Hand zusammen mit meiner in meinem Schoß, was mich die Beine zusammenpressen ließ, während mir für einen Moment der Atem stockte.
Doch seine Stimme lenkte mich einigermaßen ab. "Ich bin nicht sonderlich interessant..Ich habe keine Hobbies außer hier und da zu boxen oder klettern zu gehen. Ich bin ein geheimer Fan von Milchshakes-" deutete er mit der freien Hand auf unsere fast geleerten Getränke, "und lebe alleine."
Die Brauen verziehend starrte ich ihn an. "Du lebst alleine?"
Er nickte nur einmal langsam.
"Warum?" Ich hatte noch nie gehört, dass ein Jugendlicher während der Schulzeit schon alleine lebte.

Ein dunkler Schein legte sich über sein markantes Gesicht und der Griff um meine Hand wurde fester, sodass seine Hand tiefer in meinen Schoß rutschte. Verdammte Scheiße, wieso reagierte ich so sehr auf ihn? Ich konnte Eric gegenüber doch nie so etwas wie Verlangen empfinden. Das ging nicht. Und das wollte ich auch nicht.
"Ich hatte scheiß Eltern." brummte er nur leise und doch vibrierte seine Stimme durch meinen gesamten Körper.

Cold WinterDonde viven las historias. Descúbrelo ahora