XLV

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Da war also wohl die Strafe. Ich hatte durch den 'Streich' an Mrs Connor und das Treffen mit Brad durchgängig ein Hochgefühl und war glücklich, aber hatte ständig darauf gewartet, dass bald etwas schlimmes passieren würde. Denn es konnte nie etwas tolles passieren, ohne, dass im Nachhinein die Gegenwirkung passierte, da das Universum seinen Ausgleich brauchte. Und nun ging ich mit drei Narben mehr herum und fühlte mich elendig. Mir war nie erlaubt worden ein schönes Leben zu leben und es zerrte so unendlich doll an mir.
Ich fragte mich, ob es inzwischen zu spät wäre, sich in eine Psychiatrie einweisen zu lassen. Ob ich endlich meinen Frieden finden würde, wenn ich meinen Körper und meinen Kopf wildfremden Professoren überlassen würde und ständig mit Pillen vollgepumpt werden würde, die mein Denken beeinträchtigten.
Jedoch seufzte ich im nächsten Moment von dieser Idee, die ich nicht zum ersten Mal hatte. Ich hätte zwar nichts gegen die Isoltation - ich tat das immerhin seit Jahren von alleine -, aber ich würde niemals selbst entscheiden dürfen, wann und wie ich mein Ende finden würde.

Also blieb mir nichts anderes übrig, als die Qualen des Alltages jedes Mal durchzuleben und mit anzusehen, wie alles den Bach unter ging. Diese Woche hatte ich nicht einmal darauf geachtet, was für Stände Merthy diesmal aufgestellt hatte, um Spenden zu sammeln. Für mich war alles nur im Hintergrund.
Und jedes Mal, wenn ich versuchte an etwas Gutes zu denken, das mich noch hier hielt, waren es nur noch Erics Aktionen, die mich so interessierten.
Es war neu und hatte eine mysteriöse dunkle Seite an sich, die ich unbedingt aufdecken wollte.

Es war lautes Kichern, dass mich im Hauptbereich der Schule stehen bleiben ließ. Und eine Präsenz, die sich schon seit Monaten immer wieder in meine Aufmerksamkeit drängte. Ich brauchte nicht einmal hinzusehen, um zu wissen, dass Brad hier war. Jedoch war er nicht alleine.
Zwei Blondinen hatten sich an seine Seiten gedrängt und redeten so sorglos mit ihm, dass es weh tat. Sie zauberten ihm ein Lächeln ins Gesicht, welches so friedlich war, dass ich mich selbst nach diesem Gefühl sehnte. Und zur selben Zeit kotzte es mich an.
Wie konnten Menschen so glücklich sein? Wie konnten sie jeden Morgen mit Freude aufstehen, ohne schlechte Gedanken zu hegen? Ich konnte schon von einem guten Tag reden, wenn ich mich mal nicht vom Seil hängend vorstellte. Und der Fakt, dass es bei den anderen scheinbar nicht so war, zwickte an meinen Nerven. Irgendwie machte es mich eifersüchtig. Ich hatte oft versucht ihr Glück selbst zu spüren, während sie es so selbstverständlich fühlten.


Jedoch rissen mich zwei grün-graue Augen aus meinem inneren Monolog, als ich merkte, dass sie mich direkt ansahen. Brads Lächeln verging bei meinem Anblick, bevor er ein vorsichtiges aufsetzte. Ich sah, wie er schon die Hand hob, um zu winken, jedoch wendete ich mich schnell ab und ging meinen Weg weiter.
Zum einen, weil mich Erics und Meltrids Worte selbst am nächsten Tag beschäftigten. Ich zog tatsächlich in Betracht, dass sie Recht haben könnten, egal, was dieses Gefühl in mir sagte. Aber zum anderen wollte ich Brad keinen Fehler machen lassen. Wollte ihm keinen Leid zufügen, nur, weil er versuchte mir näher zu kommen.
Er nahm es zwar leichtfertig hin, wenn uns anderen sahen, aber ich wollte es ihm nicht antun. All die Kommentare, all die Gemeinheiten, die ich von Schülern bekommen hatte. Er brauchte das nicht zu riskieren. Nicht für mich. Das hatte mir Eric unterbewusst auch klar gemacht.
Und doch war es die Pflanze, die Brad mir mal geschenkt hatte, die mir von allem am meisten Trost spendete, wenn ich mich mal in meinem Zimmer einsperrte. Sie hatte mich inzwischen bei so vielen Nächten begleitet, dass ich nicht mehr ohne sie konnte.


Ich war leicht aus der Puste, als ich meinen Raum erreichte, und spürte ein mir unbekanntes Ziehen im Brustkorb. Es half mir gar nicht bei meiner Atemnöte, doch ich ließ mir, wie immer, nichts anmerken. Ich setzte mich auf meinen Platz und wartete mit der Hand über dem Herzen darauf, dass der Unterricht anfing.
Jedoch entsprang meinem Handy ein Ton und ich kramte es aus meinem Rucksack. Erst beim bücken hatte ich bemerkt, dass mir Tränen in den Augen lagen, denn erst da verschwammen sie mir die Sicht vollkommen.
Oh Junge. Das würde ein langer Tag werden.

Cold WinterDonde viven las historias. Descúbrelo ahora