XXIV

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Die Aktion von Eric und seinen Freunden letzte Woche hatte für mehr Aufsehen gesorgt, als erwartet. Vor allem brachte dieser Streich viel mehr mir Stress, als ihnen. Denn während Eric verhört wurde, aber sich unschuldig pledieren konnte, wurde ich von allen bombadiert, weil ich doch für eine gewisse Zeit entführt wurde. Alle dachten, ich würde nie wieder zurückkommen, sobald mich die gruseligen Maskierten davongetragen hatten, und gaben mir nun eine Aufmerksamkeit, die ich nie haben wollte. Zwar waren es größtenteils Blicke, die sie mir gaben, weil ich für sie immer noch unbedeutend war, aber ich hasste es dennoch.
Selbst die Polizei, die kurz darauf angetreten war, wollte mich wegen dem genauer befragen, aber wie versprochen, hatte ich nichts preisgegeben. Für alle wurde ich ein wenig festgehalten, weil die Gruppe mich noch ein wenig erschrecken wollte und Ende. Ich hatte keine Gesichter gesehen, keine Stimmen erkannt und hatte auch abwegige Beschreibungen gegeben.
Und was ich gar nicht bedacht hatte, war, dass seither meine Mom panische Angst um mich hatte. Dabei wollte ich ihr einfach am liebsten sagen, dass sie sich keine Sorgen machen brauchte und es nur der ach-so-charmante Typ war, mit dem sie mich doch letztens zur Party losziehen ließ.

Selbst die Lehrer sprachen mich plötzlich an und ich konnte genau sagen, dass mein Hirn allmählich Matsch wurde. Eric schuldete mir mehr als eine Kippe.
Doch er war wieder in seiner Schwänzerphase, weshalb ich ihn nicht zur Rede stellen konnte.
Wollte ich das überhaupt?

Vollkommen überfordert legte ich die Stirn in meine Hand und trappte durch die Gänge der Schule. Mein Kopf schmerzte und ich war kurz davor zusammenzubrechen.
Jetzt konnte mir nur noch ein ruhiger Ort helfen, indem ich keinen nervigen Stimmen und Blicken begegnen musste. "Hast du schon gehört? Sie wäre fast geopfert worden." flüsterten die einen.
"Also meiner Meinung nach hätte man sie ruhig behalten können. Wäre eh nicht aufgefallen." tuschelten die Anderen.
Und es nahm mir die Kraft zum Gehen.

Nur schwer schaffte ich es zu dem einen Bad, dass sich in den letzten Jahren zu einem Rückzugsort entwickelt hatte.
Kurz nach dem Erleuten der Pause war es für den Rest der Zeit leer, da es am einen Ende platziert wurde, wo wenige Unterrichtsräume waren.
Umso erleichteter war ich, als in den hallenden Fliesen keine weiteren Geräusche zu vernehmen waren, als meine eigenen Schritte, dicht gefolgt von meiner schweren Atmung. Zitternd stützte ich mich an die Beckenreihe und versuchte tief durchzuatmen, bevor ich zu den Spiegeln vor mir aufblickte.
Heute war nicht mein Tag. So, wie fast jeder. Die Schatten unter meinen blutunterlaufenen Augen wollten nicht verblassen, genauso wenig, wie die Tränen, die heute wohl ihren Tag hatten. In solchen Tagen schminkten andere sich eigentlich exessiv, aber ich fasste diesen Kram gar nicht an. Ich wollte niemanden gefallen, weshalb ich auch nie groß was aus meinen Haaren machte, die nun ein zerstrubeltes schwarzes Nest waren. Es interessierte mich nicht.
Meine leicht geöffneten Lippen, die schon angeschwollen waren vom ganzen Kauen, versuchten die schwere Luft aus meinen Lungen zu treiben, doch es gelang ihnen nicht.
Mein Blick blieb auf meinem schmalen Gesicht und den dunkelgrünen Augen, die mich groß anstarrten. Ich wusste, was gleich passieren würde und ich hatte keine Lust darauf.
Doch vor dem Ausbruch kam immer ein kurzer Moment der Ruhe, der sich jetzt mit einer langsamen Atmung bemerkbar machte, bevor sich meine Muskeln entspannten.

Schlapp ließ ich von den Becken ab und hielt den Blick auf meinen Haaren, während ich anfing, sie grundlos hochzuhalten. Behutsam sammelte ich sie zu einem Pferdeschwanz zusammen und hielt sie mit einer Hand fest, während die andere durch ihre Dünne, wie ein Gespenst in der Luft hängen blieb. Das soll mich schöner machen?
Einen Moment betrachtete ich mich und hatte den Fokus auf meinen Wangenknochen, die hervorstachen, doch mir wurde abrupt übel. Achtlos ließ ich meine Haare los und merkte, wie es in mir kickte. Meine Atmung wurde wieder hektisch und meine Sinne wurden genug getrübt, um Brad aus meinen Gedanken zu verbannen.

Zittrig griff ich in meine Tasche und zog mein Handy hervor, um Erics Nummer rauszusuchen.
"Du schuldest mir mehr, als eine Kippe." schickte ich es ab und umgriff das alte Ding unkontrolliert fest.
Ich brauchte jetzt Ablenkung. Einfach etwas.
"Wieso?" kam es kurz darauf.
"Weil ich deutlich mehr verdient habe, nachdem ich mit den Bullen zu tun hatte, wegen dir."

Ich schickte auch das ohne zu überlegen ab und ging mir zittrig atmend durch die Haare. Es brannte verräterisch in meinen Augenwinkeln, doch ich hielt es zurück.
Dann ertönte wieder ein Klingen zur Benachrichtigung, dass Eric geantwortet hatte.
"Ich schulde dir rein gar nichts."
Einen Moment starrte ich seine Nachricht an, während mein Körper erstarrte. Wie konnte alles ruhig sein, während es zur selben Zeit auch mega laut wurde?

Zwar machte mich seine Nachricht nur etwas sauer, aber es reichte aus, um mir den Rest zu geben. Alles überschwamm mich und die Tränen ließen sich nicht mehr länger zurückhalten. Ein Schluchzen entfuhr mir, während ich mir wünschte, nie wieder atmen zu müssen, und erschreckte mich. Ich hasste mich. Ich wollte all diese Emotionen nicht, die sich gerne spontan zeigten.
Verkrampft schwankte ich hin und her und versuchte das Schluchzen zu unterlassen, doch es baute nur mehr Druck in mir auf.

Unkontrolliert spannten sich meine Muskeln an und ehe ich es selbst wirklich realisieren konnte, schmiss ich mein Handy mit einer gewaltigen Wucht in die nächste Ecke und zuckte nicht einmal zusammen, als mir ein Stück schwarzes Plastik entgegenflog.
Wütend von allem starrte ich es auf dem Boden liegend an, bevor mich jegliche Kraft verließ und ich vollkommen überfordert in mich zusammensank.

Cold WinterWhere stories live. Discover now