LXII

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Meine Mutter sprach leise Flüche über mich aus, ich hyperventilierte ein wenig und mein Bruder konnte seine Kommentare nicht zurückhalten, die darüber gingen, wie widerlich er mein Verhalten fand - also ein fast ganz normaler Tag in meinem Leben. Nur etwas stärker, als sonst.

Ich grub ein wenig panisch durch Moms Make-Up und wusste manchmal nicht, was was war. Als sie mir sagte, dass es nicht reichen würde, nur Eyeliner zu einer Party aufzutragen, wurde ich unheimlich unsicher.
"Den Emo solltest du auf einer Party nicht spielen." meinte sie noch, nachdem sie sich mein Make-Up angesehen hatte und ging weg, nachdem ich sie fauchend verscheucht hatte. Daraufhin wies sie mich an einfach ihr Make-Up zu verwenden, was mich gar nicht weiterbrachte.
Schon den ganzen Tag umgarnte sie mich, weil ich ihr von der Party erzählt hatte und war sogar zur Mall mit mir gefahren, weil ich keines Wegs ihre Sachen tragen wollte, aber auch meine Auswahl nicht so schick aussah. Somit hatten wir ein schwarzes Kleid gekauft, dass obenrum eng mit Spagettiträgern und unten ausfallend war, bis es ab der Hälfte der Oberschenkel endete.
Also hatte ich genug von ihrem Einmischen! Es war eine Party unter Jugendlichen, nichts weiter! Doch sie bestand auf die kurzfristige Shoppingtour.
Wenigsten ließ sie mich bei der Vorbereitung in Ruhe - auch wenn ich langsam glaubte, genau da Hilfe gebraucht zu haben. Welcher Lippenstift? Wie konnte ich Lidschatten auftragen, ohne gleich misshandelt auszusehen? Und wo tragte man Highlighter nochmal auf?? Ich konnte kotzen und zugleich heulen. Wieso war ich nur so?


Mit rotierendem Magen stieg ich die Treppen hinab und hoffte in den unverschämt hohen High Heels nicht umzufallen. Ein gebrochenes Bein hätte mir nur noch gefehlt.
Ich pustete mir frustriert eine Strähne meines Haars zur Seite, das ich aufwendig gelockt hatte. Das tat ich selten, weshalb ich tatsächlich fast eine Stunde daran verbracht hatte.
Das Make-Up war...in Ordnung. Ich hatte dunklen Lidschatten auftragen können, nachdem ich mir doch noch Tipps von meiner Mutter hatte geben lassen, die sich wie ein professionelles Model verhielt und hatte den Eyeliner einfach etwas länger gezogen als sonst - den konnte ich wenigsten gut, da es das einzige in den Jahren war, dass ich an Make-Up aufgetragen hatte. Und die Lippen hatte ich einfach mit einem dunklem Violett bestrichen, damit ich mich wenigstens etwas, wie ich selbst fühlen konnte.
All das war mir neu. Sogar zu unseren Familientreffen hatte ich mich noch nie so herausgeputzt, was mich ein wenig unwohl fühlen ließ. War das überhaupt noch ich?

Mit verzerrtem Gesicht blieb ich am Ende der Treppen stehen. Eigentlich nicht. Aber Brad...Brad war ein neues Kapitel. Jedenfalls fühlte es sich so an. Und da sollte ich mich nicht an die Prinzpien meines alten Ichs halten, sondern einfach wagen.
Tief durchatmend streckte ich den Rücken und wies mich an, nicht mehr darüber nachzudenken.
Brad sollte jeden Moment rumkommen, da dieser darauf bestanden hatte mich abzuholen. Oh Junge, Oh Gott...Ich glaubte mich wegen all dieser Aufregung übergeben zu müssen.
Würden mich die anderen Gäste annehmen? Würde ich Spaß haben? Würde Brad mich überhaupt noch interessant finden? Wahrscheinlich hing alles von meinem heutigen Verhalten ab.
Jetzt oder nie, Heather....

"Du siehst atemberaubend aus, Schatz!" piepste meine Mutter peinlich vom Wohnzimmerdurchgang und ich sah geschafft zu ihr. Ich brauchte jetzt auch nicht noch all diese Gefühlsdusseligen Momente meiner Mutter. Ich hatte definitiv genug von diesem Tag! Jetzt schon!
Also seufzte ich tonlos und trappte auf sie zu. Dabei wurde mir wieder bewusst, dass ich deutlich mehr Talent hatte in hohen Schuhen, als erwartet. Ich lief selten in welchen und doch ging ich sicher in ihnen. Ob man soetwas von der Mutter vererbt bekommen konnte?
"Ich erkenne dich kaum wieder!" staunte Mom und sah mich aus ihren grauen Augen wirklich überrascht an, während sie meine Hand schwach in ihre nahm. "Auch wenn ich das grüne Kleid besser fand."
"Mom.." ächzte ich und hoffte, dass sie das nicht vor Brad abspielen würde.
Wobei..noch wusste sie nicht genau mit wem ich auf diese Party gehen würde. Nur, dass es mit einem Jungen sein würde.

Sie schüttelte den Kopf. "Ok, ok. Ich höre auf, wenn es dich so miesepetrig macht." doch konnte sich das fette Lächeln nicht verkneifen.
Ich konnte nur die Augen verdrehen, bevor ich mich einfach auf die Couch neben Dad fallen ließ, um auf Brad zu warten.
Ich hatte schon genug Nervenkitzel mit dem Wissen, dass ich gleich Brad sehen würde. Und so aussah.. Was würde er davon halten? Wäre er positiv überrascht oder abgeneigt? Ich wusste es ehrlich nicht und all diese Gedanken machten mich verrückt. Am liebsten würde ich jetzt eine rauchen...
Aber weil das nicht ging, solange meine Familie in der Nähe war und ich nicht wollte, dass Brad es an mir roch, konnte ich den Kopf nur auf die Rückenlehne der Couch legen und die langweilige Reportage meiner Eltern über mich ergehen lassen, bis er ankommen würde. Bringt mich bitte um.....

Cold WinterWhere stories live. Discover now