LXIX

137 5 5
                                    

Für den Rest des Abends versuchte ich mich von Meltrid fernzuhalten und auch bei Brad merkte ich, wie er versuchte von seinem Team Abstand zu halten, was mir nur Recht war.
Dafür fanden wir wieder Anschluss zu George, der innerhalb kürzester Zeit ganz schön angeheitert war und auch mich ein wenig mit reinzog.
Brad versuchte mich so gut es ging auf dem Boden zu halten, aber sonderlich gut schien es nicht zu funktionieren. Denn es dauert nicht lange bis ich irgendwann nur noch die Musik wahrnahm, weil sie so laut war, und anfing zu bereuen so hohe Schuhe angezogen zu haben. Trotzdem hinderte es mich nicht daran bei bestimmten Songs den Kopf zu wippen oder herumzuschwenken.
„Möchtest du tanzen?" bückte sich Brad irgendwann auf der Couch zu mir, was mich kurzzeitig aus meinem glücklichen Zustand brachte.
„Eh-hm, nein. Schon okay." stotterte ich und suchte schon nach dem Becher, den George mir hingestellt hatte. Dieser war inzwischen schon wieder fast leer.

„Eine schüchterne Maus?" kam es plötzlich vom Gastgeber auf dem Sessel und ich starrte ihn nieder.
„Ich dachte, deine Ohren wären bei deinem Gesprächspartner und nicht bei uns, Stalker."
Er hebte die Brauen bevor er kicherte.
„Ich bin nicht schüchtern."
„Woaah." hob er abwehrend die Hände und kicherte, „Dann bist du wohl nur bissig."

„Du musst schon aufpassen bei ihr." lächelte Brad und legte seine Hand auf mein Knie, was mich vollkommen aus der Bahn warf.
Bevor ein peinlicher Murks aus mir dringen konnte stand ich überstürzt auf und griff gleichzeitig nach meinem Becher. „Ich hole mir was neues." krächzte ich, doch verlor im nächsten Moment schon den Halt und es passierte etwas, dass ich schon seit ich die Treppe bei mir Zuhause runtergegangen war, prophezeit hatte. Ich knickte in meinen Schuhen schmerzhaft um und krachte filmreich zu Boden.

„Heather." stieß Brad schockiert aus und ein Dutzend an Typen stürzten zu mir.
Doch es war Brad, der mich an den Seiten packte und wie eine Puppe hochhob. Einen Moment drehte sich alles, doch ich wollte es nicht wahrhaben angetrunken zu sein.
„Alles in Ordnung?" fragte er mich und erst da merkte ich, dass ich in seinen Armen stand. Nur Millimeter von seinen Lippen entfernt.

Du heilige Scheiße. Abrupt zog ich die Luft ein und hätte fast meinen nun leeren Becher zerquetscht während alles in mir pulsierte.
„Du machst ja Sachen." murmelte George erleichtert hinter ihm, doch im selben Moment sah ich genau, wie Brads Blick zu meinen Lippen schoss.
Alles um mich erstarrte und die Welt verlor ein erneutes Mal in meinem Leben ihre Logik. Niemals. Niemals.
Lehnte er sich noch weiter vor?

Alles in mir schrie, nur wollte mein Körper nicht gehorchen.

„Whoa." hörte ich George staunend, was meinen Blick endlich auf diesen richtete. Auch er hatte die Energie zwischen mir und seinem Kumpel bemerkt.

Zur verdammten Hölle mit mir! „Sorry, ich bin gleich wieder da." brummte ich überfordert und schubste Brad schon fast von mir.
„Warte." hörte ich ihn doch ich schüttelte beim gehen schon den Kopf. „Nein. Ich fülle nur nach."


Fuck. Fuck. Fuck. Ich musste mich zusammenreißen. Sobald ich an der Kücheninsel ankam, nahm ich mir die Zeit zum runterkommen.
Zittrig durchatmend ging ich mir durch meine schwarzen Haare und fühlte mich, wie ein zerbrechliches Gerüst.
Noch nie in meinem Leben war ich einer Person so nah gekommen und das machte sich bemerkbar.
Ich war großen Berührungen nicht gewohnt. Verdammt nochmal, nicht mal kleinen!
Und was am schwierigsten war, ist mitzubekommen, wie sich andere um mich sorgten, mir helfen wollten und sogar freiwillig mit mir sprachen. Sahen sie wirklich wer ich war? Oder war ich bis vor kurzem in einen anderen Körper gesteckt worden? Das alles ergab keinen Sinn. Wieso sollte man mir helfen? Mich... mögen?

Ich war wertlos.

„Verdammte Kacke." schimpfte ich flüsternd und griff grob nach dem Alkohol.
Bis eben hatte ich nicht einmal gemerkt, dass mein Knöchel angefangen hatte zu schmerzen. Mein kleiner Ausbruch hatte es vertuscht.

Nach einigen weiteren tiefen Atemzügen und mehreren Schlücken zur Ermutigung beschloss ich wieder zu den anderen zu stoßen. Dabei merkte ich erst in letzter Sekunde, wie Meltrid nur wenige Millimeter an mir vorbeiging und es schaffte meinen Blick zu fangen. Nur für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich so viele Emotionen in seinen Augen sehen, bevor er weg war. Ich ging zwar weiter, aber konnte nicht verstehen, was mir dieser Blick sagen sollte.
Ich hatte aber auch genug von all dem, weshalb ich nicht gegen Georges Versuche ging, mich abfüllen zu wollen. Und irgendwann zeigte es sich.

Denn sobald wir entschieden uns auf den Rückweg zu machen, fingen sich die Lichter der wenigen Laternen außerhalb des Autos ein wenig an zu verwischen und ich musste tiefe Atemzüge tätigen, um wieder zur Besinnung zu kommen.

„Ich weiß, ich frage das heute oft, aber alles gut?"
„Passt schon." blubberte ich, „Du brauchst dir nicht dauernd Sorgen zu machen. Ich passe gut auf mich selbst auf."
„Oh, das glaube ich dir." sagte er zur Straße gerichtet, was mich ihn mit gekrümmten Brauen ansehen ließ. Und doch spürte ich einen leichten Stolz. „Du scheinst nur ein wenig zu viel getrunken zu haben."
Mit leicht geröteten Wangen verkrampfte ich mich. „Nein, habe ich nicht." richtete ich ertappt den Blick zur leeren dunklen Straße, die wir befuhren.

Er kicherte. „Wer's glaubt wir selig."
Rein aus Reflex boxte ich ihn in den Arm und brauchte nicht einmal hinzusehen.
„Au!" lachte er.
"Reiß dich zusammen. Selbst mein kleiner Bruder hält mehr aus." brummte ich. Wieso traute ich mich nicht ihn anzusehen?
„Ein Mädchen wie dich hatte ich bisher noch nie kennengelernt. Du bist ... anders."

Und er konnte sich nicht im geringsten vorstellen, wie anders ich war..

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Sep 22, 2022 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Cold WinterWhere stories live. Discover now