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„Schwer zu sagen", erwiderte Kilian. „Vielleicht reicht es auch, wenn wir einen Stuhl unter die Türklinke stellen, sodass man sie nicht mehr runterdrücken kann."
Leo schlang die Arme um sich, ihr war überhaupt nicht wohl bei der Sache, vor allem nicht mit dem Ding im Untergeschoss. Oder dem Überlebenden. Was auch immer dort lauerte.
„Hey." Kilian sah sie an. „Du hast mir Hoffnung gemacht, dafür passe ich auf dich auf. Okay? Du brauchst keine Angst zu haben."
Leo wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, also zuckte sie nur mit den Schultern.
„Wir sollten uns mit der Wache wieder abwechseln", sagte Kilian. „Möchtest du die erste oder die zweite Schicht machen?"
„Bleibst du lieber wach oder stehst du lieber auf, wenn wir weiterziehen?", fragte Leo. Immer wieder warf sie nervöse Blicke zur Tür und hoffte, dass ihr ihre Sinne einfach nur einen Streich nach dem anderen spielten und keine Wesen im Flur herumschlichen.
Kilian überlegte.
„Ich glaube, ich bleibe lieber wach", sagte er. „Also machst du die erste Schicht? Wenn etwas ist, kannst du mich jederzeit wecken. Auch, wenn du nur Angst hast. Okay?"
Leo lächelte.
„Danke", sagte sie. „Aber du brauchst deinen Schlaf. Ich überstehe die Wache schon irgendwie. Gute Nacht."
„Hey, langsam", schmunzelte Kilian. „Erst verriegeln wir die Tür, damit wir wenigstens eine Illusion von Sicherheit haben. Dumm nur, dass die Tür nach innen aufgeht, aber das können wir jetzt leider nicht ändern."
Er stellte einen Stuhl unter die Klinke, obwohl ihnen beiden klar war, dass das nicht viel bringen würde. Beruhigend war es trotzdem irgendwie.
Kilian zögerte, doch dann zog er seine Pistole aus dem Holster und reichte sie Leo.
„Nur im Notfall einsetzen", sagte er. „Und aufpassen." Er entsicherte die Waffe. „Damit du das nicht machen musst, wenn hier etwas reinkommt. Sei also vorsichtig mit dem Abzug und erschieß mich nicht versehentlich, ja? Und bitte auch nicht absichtlich."
„Mache ich nicht", versprach sie und nahm vorsichtig die Pistole an sich. „Ich ... danke. Für das Vertrauen, meine ich."
Kilian nickte nur und legte sich in das Bett. Leo setzte sich an die Wand und der Tür gegenüber, die Pistole im Anschlag.
Es dauerte nicht lange, bis Kilian eingeschlafen war und das einzige, was Leo wahrnahm, sein ruhiges, gleichmäßiges Atmen war.
Nur zu gerne hätte sie auch die Augen zugemacht, aber das durfte sie nicht.
Die ersten zwei Stunden blieb alles ruhig, doch dann ging bei einem der Autos auf dem Parkplatz die Alarmanlage an.
Leo erschreckte sich so sehr, dass sie beinahe die Waffe abgefeuert hätte.
Kilian saß ebenfalls senkrecht im Bett. Er brauchte eine Sekunde, um sich zu orientieren, dann wühlte er sich aus der Decke, nahm Leo die Waffe ab und schlich zum Fenster.
„Siehst du was?", fragte Leo, die es nicht über sich brachte, sich zu ihm zu stellen.
„Nein", antwortete Kilian leise. „Scheint nicht auf der Seite hier gewesen zu sein. Trotzdem ... wir sollten mit dem schlimmsten rechnen, nämlich, dass der Lärm sie anlockt."
Er seufzte und setzte sich auf den Boden.
„Schlaf ein wenig, wenn du magst, ich bin jetzt ohnehin wach. Wir müssen uns ja nicht beide die Nacht um die Ohren schlagen, wenn es nicht sein muss."
Leo zögerte. Das Adrenalin, das durch ihren Körper geschossen war, hatte alle Müdigkeit vertrieben, aber Kilian hatte natürlich Recht. Niemandem war geholfen, wenn sie beide am nächsten Tag todmüde weiterzogen.
„Okay", sagte sie. „Weck mich, wenn du wieder schlafen willst, ja?"
„Werde ich", versprach Kilian. „Gute Nacht."
Entgegen ihrer Befürchtung schlief Leo beinahe sofort ein und wachte erst wieder auf, als Kilian sie weckte.
„Alles ruhig draußen", sagte er. „Es kamen ein paar, aber die haben sich wieder verstreut. Wir können weiter, es ist nicht gefährlicher als sonst, glaube ich."
„Wieso hast du mich nicht geweckt?", fragte Leo. „Du hattest nur zwei Stunden geschlafen, wie willst du unseren Marsch heute durchhalten?"
„Ich war Soldat, ich bin es gewohnt, mit wenig Schlaf auszukommen", antwortete Kilian. „Wirklich, es ist okay. Wenn es nicht jede Nacht so läuft, ist alles in Ordnung."
„Weck mich nächstes Mal", bat Leo. „Ich fühle mich so schon wie ein Klotz am Bein, da möchte ich nicht auch noch daran Schuld sein, dass du zu wenig Schlaf bekommst."
Kilian lächelte.
„Du bist niedlich", sagte er. „Okay, ich wecke dich das nächste Mal. Versprochen."
Leos Miene verfinsterte sich.
„Ich bin nicht niedlich", stellte sie klar. „Und jetzt lass uns was essen und dann weitergehen. Es ist noch ein weiter Weg."
In aller Eile tranken sie eine Tasse Kaffee und aßen etwas Zwieback, bevor sie aufbrachen.
Im Gebäude war es gespenstisch ruhig. Ob das Wesen in den Toiletten noch da war?
Leo hätte die sanitären Anlagen zu gerne aufgesucht, aber sie traute sich nicht. Ein Busch draußen würde es auch tun

Wecke nicht die Toten: Band 1Donde viven las historias. Descúbrelo ahora