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„Sollen wir helfen?", fragte sie. Alles in ihr schrie danach, schnellstmöglich das Weite zu suchen, aber die Bürgerin in ihr sagte, dass sie auch noch so etwas wie Zivilcourage hatte und niemanden in Not einfach so im Stich lassen durfte.
Auch Kilian war unschlüssig, doch letztlich war er ein Soldat.
„Komm mit. Hoffentlich kommen wir nicht zu spät."
Er lief in die Richtung, aus der die Geräusche kam, Leo folgte ihm mit einigem Abstand. Der Rucksack war immer noch schwer und sie war froh, dass sie wenigstens halbwegs hinter Kilian herkam.
Am Ort des Geschehens bot sich ihnen ein Anblick, den sie nicht erwartet hatten: Zwei Männer, höchstens etwas älter als sie und Kilian, mähten Biest um Biest nieder.
„Die haben Schwerter!", staunte Leo. „Woher?"
„Ist doch unwichtig – kannst du kämpfen?", fragte Kilian. Leo nickte. Die beiden Männer, die da kämpften, gaben ihr so etwas wie Mut, wieso, konnte sie selbst nicht sagen.
„HEY!", rief Kilian. „Viecher! Hier drüben!"
Leo rechnete schon mit dem schlimmsten, doch es kam tatsächlich noch schlimmer.
Wenn sie vorher noch Zweifel an der Intelligenz der Wesen gehabt hatte, waren diese nun ausgeräumt.
Die Gruppe um die beiden Männer teilte sich nicht nur auf, um sie und Kilian die Enge zu treiben, sondern forderte auch noch Verstärkung an.
„Wie die Raptoren", wisperte Leo. „Fuck."
Kilian achtete nicht auf sie und beschloss, später nachzufragen.
„Setz deinen Rucksack ab", sagte er. „Und wenn ich es sage, dann läufst du. Verstanden? Du musst schnell sein, sonst haben wir beide keine Chance. Alles klar?"
Der Rucksack fiel zu Boden.
„Alles klar", sagte Leo, der überhaupt nichts klar war. Aber Kilian war der Soldat, er wusste, was er tat. Hoffte sie. Und sie nahm sich fest vor, an dieser Katastrophe zu wachsen, um nicht immer nur an irgendjemandes Rockzipfel zu hängen. Sie war eine starke, emanzipierte Frau, verdammt! Und wenn diese Dinger sie jetzt in die Steinzeit zurückschleuderten, musste sie ihnen irgendwas entgegensetzen!
Kilian wartete, bis die Dinger den Kreis um sie fast geschlossen hatten.
„Lauf!", rief er, und Leo rannte einfach los und versuchte, nicht gebissen oder gekratzt zu werden.
Es erwies sich als überraschend effektiv, den Biestern erst die Beine wegzutreten, bevor man versuchte, an ihnen vorbeizukommen. Den Trick würde Leo sich merken.
Sie spürte, wie das Adrenalin durch ihren Körper rauschte und versuchte, sich nicht zu waghalsigen Manövern verleiten zu lassen, aber immer noch genug Unruhe zu stiften, dass Kilian und die beiden Männer die Dinger abmurksen konnten.
Womit sie nicht gerechnet hatte, war der infernalische Lärm, den die Wesen verursachten.
Beinah brachten sie Leo damit aus dem Konzept, doch was viel schlimmer war, war, dass sie immer mehr von ihren Artgenossen anlockten.
Ihnen blieb nur, die beiden Männer zu packen und zu verschwinden – hoffentlich nahm Kilian ihren Rucksack mit.
Leo blieb bei ihrer Taktik, den Wesen die Kniescheiben zu brechen, um sich ein bisschen Luft zu verschaffen und kämpfte sich zu den beiden Überlebenden durch.
„Folgt mir!", rief sie, bevor eine Welle der Dinger über sie herfiel. „Besser nicht!", fügte sie hinzu. „Lauft weg!"
Sie selbst nahm die Beine in die Hand und hoffte, dass die Wesen wütend genug auf sie waren, um von den beiden Männern und Kilian abzulassen. Wie sie es schaffte, nicht gepackt zu werden, wusste sie selbst nicht, aber sie nahm es als Beweis, dass Angst unmenschliche Kräfte verlieh.
Leo kam der Gedanke, dass sie sich vielleicht einen Plan hätten machen sollen, bevor sie den beiden Männern halfen – die bis zu ihrem Eingreifen eigentlich ziemlich gut klargekommen waren, bis auf die Tatsache, dass auch ihre Kräfte bestimmt irgendwann nachgelassen hätten.
Auf ihrer Flucht kam Leo an einem Hochsitz vorbei. Kurz überlegte sie, sich dort zu verstecken, aber es war zu unsicher. Diese Wesen waren so stark, dass sie ihren Unterschlupf mit Leichtigkeit umwerfen konnten.
Sie schlug den Weg durch die Bäume ein, in der Hoffnung, dass sie ihre Verfolger abhängen konnte. Wie weit sie gelaufen war, wusste sie nicht, auch nicht, ob Kilian nach ihr suchen würde. Sie hatte vollkommen die Orientierung verloren.
Als Leo sich umsah, bemerkte sie, dass sie allein war. Ihre Verfolgung schien sich also nicht mehr gelohnt zu haben.
Sie blieb stehen und ihr wurde sofort schwindelig. Dass sie überhaupt durchgehalten hatte, grenzte an ein Wunder, aber jetzt, wo sie in Sicherheit war, konnte sie keinen Schritt mehr gehen. Hoffentlich fand sie so keines der Wesen, es hätte leichtes Spiel mit ihr.
Nach fünfzehn Minuten konnte sie gerade so wieder aufstehen. Vorsichtig machte sie sich auf den Weg zurück, zumindest glaubte sie das. Leo versuchte, ihre Fußspuren in dem weichen Waldboden auszumachen, um wenigstens einen Anhaltspunkt zu haben, aber mehr als raten konnte sie nicht.
Erst, als sie an dem Hochsitz vorbeikam, atmete sie auf. Ganz so hoffnungslos verloren war sie also nicht. Fragte sich nur, ob am Ende eine böse oder eine schöne Überraschung auf sie wartete.

Wecke nicht die Toten: Band 1Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum