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„Ja", seufzte Rotkehlchen. „Können wir dann essen, damit wir weiter können? Es ist noch ein weiter Weg."
Die anderen nickten. 15 Minuten später waren sie bereit zum Aufbruch und besprachen den Plan.
„Leo, Finn, Stella, ihr bleibt in der Mitte", sagte Balu. „Rotkehlchen, Kilian, Fabi und ich bilden ein Quadrat um euch, um alles im Blick zu haben. Keiner verlässt seinen Platz, außer, wir werden angegriffen. Verstanden?"
Alle nickten.
Leo hatte darauf bestanden, dass er mehr Gepäck nahm, wenn er schon nicht auf einem der gefährlichen Posten laufen durfte. Dann konnten die anderen sich wenigstens etwas besser verteidigen, zumindest hoffte er das.
Die Gruppe kam gut voran, bis ein seltsames Geräusch sie dazu bewog, stehen zu bleiben.
„Was ist das?", fragte Finn und hielt sich näher bei seinem Bruder.
„Ich weiß nicht", sagte Kilian. „Hört sich an wie Hufgetrappel."
„Pferde auf der Flucht?", mutmaßte Fabian. „Vielleicht sollten wir uns verstecken? Wer weiß, vor was sie flüchten."
Balu nickte und Rotkehlchen erspähte eine aus den Angeln gesprungene Tür. Viel Zeit, um die Sicherheit zu überprüfen, hatten sie nicht, aber dieses Risiko mussten sie eingehen.
Rotkehlchen beobachtete die Straße von einem Fenster aus. Es waren tatsächlich zwei Pferde, aber sie schienen nicht verfolgt zu werden. Beide trugen Sattel und Zaumzeug. Hatten sie die Gruppe gehört oder gewittert? Oder waren sie kopflos davon gerannt, als ihre Reiter getötet worden waren?
„Was meint ihr?", fragte sie ihre Begleiter. „Wollen wir versuchen, sie einzufangen? Dann müssten wir unser Gepäck immerhin nicht mehr selbst tragen."
„Kann jemand mit Pferden umgehen?", fragte Kilian. „Ich habe keine Ahnung, wie verschreckt die beiden sind ..."
„Ich versuche es", sagte Rotkehlchen. „Für gewöhnlich mögen Tiere mich ganz gern ... zumindest war es bisher so. Wenn es nicht klappt ..." Sie zuckte mit den Schultern. „Überlegt euch was. Aber haltet mir erst mal den Rücken frei."
Sie stand auf und atmete tief durch, um sich ein wenig zu entspannen. Tiere waren einfühlsam, sie würden merken, wenn sie Angst hatte oder Zweifel hegte.
Dann ging sie auf die Straße und vorsichtig auf ihre beiden Besucher zu.
„He, meine Hübschen", sagte sie freundlich. „Habt ihr euch verlaufen?"
Rotkehlchen streckte den beiden ihre Hände entgegen, vielleicht würden sie vermuten, dass sie ein Leckerli für sie hatte.
Die Pferde beäugten sie misstrauisch, vermutlich waren sie länger keinem Menschen mehr begegnet. Rotkehlchen blieb stehen.
„Habt keine Angst", sagte sie ruhig. „Ich tue euch nichts, versprochen. Ich will nur eure Freundin werden."
Eins der Pferde schien Vertrauen zu ihr zu fassen und kam näher, das andere folgte ihm.
„So ist's gut", fuhr sie leise fort. „Komm nur her. Ich tu dir nichts."
Sie konnte sehen, dass die Pferde Scheuerstellen von den Sätteln hatten, was bedeutete, dass sie schon länger alleine waren.
„Wenn ihr herkommt, kann ich eure Sattelgurte lockern", lockte sie. „Ich kann mir vorstellen, dass es ziemlich wehtut."
Schließlich waren die beiden so nah, dass sie ihre Zügel fassen konnte.
„Ganz ruhig", sagte Rotkehlchen und strich den Pferden über den Hals. „Ihr seid in Sicherheit. Keiner tut euch was."
Bei näherer Betrachtung waren die beiden echte Schönheiten, ein Schimmel und ein Rappe, guter Körperbau und kräftig. Sie hatten offenbar genug Futter finden können.
„So, ihr zwei ... wollt ihr meine Freunde kennenlernen?", fragte Rotkehlchen, nachdem sie wie versprochen die Gurte gelockert hatte. „Sie sind gleich dort hinten und freuen sich, eure Bekanntschaft zu machen. Sie sind genauso nett wie ich, versprochen."
Auch das weiße Pferd schien Vertrauen gefasst zu haben und schnupperte an Rotkehlchen.
„Siehst du?", sagte sie. „Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich tue euch nichts."
Sie führte die beiden langsam zu dem Haus, in dem die anderen auf sie warteten und beobachtete dabei ihre Gänge, konnte aber nicht feststellen, dass eins der Pferde lahmte. Sie hatten wirklich Glück im Unglück, bis auf die Scheuerstellen waren die beiden gesund.

Wecke nicht die Toten: Band 1Where stories live. Discover now