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„Wir brauchen eine Stunde zurück, dann müssen wir noch Zeit zum Plündern und für unvorhergesehene Ereignisse einplanen", überlegte Leo. „Ich glaube, ein bisschen können wir noch weitergehen, nur schauen, ob es noch was Interessantes gibt. Oder bin ich zu optimistisch?"
Sie sah Kilian an, doch der zuckte nur mit den Schultern.
„Versuchen können wir es", sagte er. „Der Laden hier wird uns hoffentlich nicht weglaufen."
Sie machten sich wieder auf den Weg, doch schon bald wurde ihnen klar, dass sie nichts Brauchbares mehr finden würden, also kehrten sie wieder um.
Doch als sie wieder an dem Supermarkt ankamen, mussten sie feststellen, dass er von den Wesen umstellt war.
„Scheiße", fluchte Leo leise, während sie und Kilian eilig in Deckung gingen. Sie konnte nicht sagen, ob die Wesen sie gesehen hatten, aber da kein Schrei ertönte, war sie vorsichtig optimistisch, dass sie in Sicherheit waren.
„Und was machen wir jetzt?", fragte Leo. „Davonlaufen können wir ihnen nicht, dazu sind sie zu schnell – außer, wir teilen uns auf, aber ich traue es ihnen zu, dass sie das dann auch tun."
„Auf Balu und Fabian hoffen?", schlug Kilian vor. „Wobei das für die beiden auch echt riskant wäre. Ehrlich gesagt frage ich mich gerade auch eher, wo die Biester hergekommen sind und wieso sie uns nicht direkt angegriffen haben. Führen sie was im Schilde oder ist das einfach Zufall?"
Leo wusste darauf keine Antwort.
„Wir brauchen den Kram, der da drin ist", sagte sie und verfluchte sich dafür, weitergegangen zu sein. Allerdings wären sie von den Biestern dann vermutlich eingeschlossen worden, was ihre Situation nicht besser gemacht hätte.
„Wir brauchen vor allem einen Weg zurück", wandte Kilian ein. „Wir könnten einen Umweg suchen, aber ich kenne mich hier leider überhaupt nicht aus, also keine Ahnung, wo wir dann rauskämen."
„Dito", erwiderte Leo. „Also ... hier bleiben und warten? Etwas anderes bleibt uns eigentlich nicht übrig, oder?"
„Sehe ich auch so", seufzte Kilian. „Meinst du, wir können uns irgendwo einen Unterschlupf suchen, von dem aus wir sie beobachten können? Das wäre mir lieber, als hier draußen auf dem Präsentierteller zu sitzen."
„Klingt gut", antwortete sie. „Hast du schon eine Idee, wo?"
Er nickte.
„Komm mit."
Vorsichtig schlichen die beiden einige hundert Meter in die entgegengesetzte Richtung, bevor Kilian in ein Haus schlüpfte.
Neben der Tür hingen noch Schlüssel und er probierte so lange, bis er den richtigen gefunden hatte, um die Tür abschließen zu können.
„Jetzt sollten wir erst mal sicher sein", sagte er, als es im ersten Stock laut polterte. „Oder auch nicht", fügte er trocken hinzu. „Ich gehe nachsehen, bleib hier."
Der Befehlston passte Leo überhaupt nicht, aber sie nickte trotzdem. Kilian konnte mit Waffen einfach besser umgehen als sie, daran gab es keinen Zweifel.
Nervös wartete Leo auf seine Rückkehr, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
Sie zog ihr Schwert, bereit, jedem Biest den Kopf abzuschlagen, doch stattdessen stand ihr ein kleines Mädchen gegenüber.
„Bist du eine Polizistin?", fragte es. „Meine Mama hat gesagt, dass Polizisten uns retten werden und wir deswegen nicht nach draußen gehen sollen. Hilfst du uns?"
Leo war wie erstarrt und es dauerte einige Sekunden, bis sie ihr Schwert wenigstens sinken ließ.
Langsam ging sie in die Hocke, um mit dem Kind auf Augenhöhe zu sein.
„Ich bin keine Polizistin", sagte sie. „Mein Name ist Leo. Mein Freund Kilian ist gerade oben ... wo ist deine Mama?"
Leo konnte nicht glauben, dass eine Mutter ihr Kind ohne triftigen Grund allein ließ, nicht in dieser Situation. Also konnte das eigentlich nur bedeuten, dass es die arme Frau erwischt hatte.
„Dann kann er vielleicht meiner Mama helfen! Sie hat sich aus Versehen im Bad eingeschlossen und kann jetzt nicht mehr raus. Das Ding zum Zuschließen klemmt manchmal. Und ich heiße übrigens Stella!"
„Okay, Stella", sagte Leo und hoffte, dass Kilian die Frau noch nicht erledigt hatte. „Dann gehen wir jetzt mal hoch zu Kilian und sehen zu, dass wir deiner Mama helfen können, ja?"
Es war schon fast ein Wunder, wie das Mädchen drei Wochen hatte überleben können. Obwohl es durchaus wahrscheinlich war, dass ihre Mutter im Supermarkt auf Beutezug gegangen war und dabei gebissen wurde.
Das Mädchen nickte, nahm vertrauensvoll Leos Hand und zog sie nach oben in den ersten Stock.
„Kilian?", rief Leo und hoffte, dass das Wesen dadurch nicht noch unruhiger wurde. Sie konnte es wüten hören, was immerhin bedeutete, dass es noch lebte. Oder was auch immer man dazu sagen mochte.

Wecke nicht die Toten: Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt