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„Und anstatt uns das einfach zu sagen, haust du einfach ab, jagst mich damit hinaus zwischen diese Dinger und denkst, das sei besser?", fragte Leo. „Was ist mit deinem Bruder? Wollten wir ihn nicht gemeinsam finden? Was ist aus unserer Abmachung geworden? Du wolltest mir helfen, schon vergessen? Deinetwegen habe ich einen Tag verloren, wenn du dich daran erinnerst! Du bist mir was schuldig, Kilian, immer noch! Und ich lasse nicht zu, dass du dich einfach so davor drückst!"
Sie hoffte, dass er wieder zur Vernunft kommen würde, wenn sie an sein Pflichtgefühl und sein schlechtes Gewissen appellierte.
Doch stattdessen sackten seine Schultern noch weiter nach unten.
„Es tut mir leid", murmelte er. „Dass ich ... so eine Enttäuschung für dich bin. Du hattest dir mehr von mir erhofft, oder? Ausbildung bei der Bundeswehr, Erfahrung im Gelände ... und dann kommt sowas. Jemand, der dich in Lebensgefahr bringt, davon läuft ... jemand, der dir nur Probleme macht. Ohne mich seid ihr besser dran, Leo. Glaub es mir einfach. Vielleicht kann ich mich zwei Tage zusammenreißen, aber das hier, das kann immer wieder passieren. Ich will euch nicht aufhalten oder in Gefahr bringen."
„Kilian, schau mich an", forderte Leo. „Über den Punkt, dass wir – ich – dich einfach so gehen lassen könnte, sind wir längst hinaus. Das kann ich nicht. Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst, aber dafür musst du mit mir reden. Ich werde dich hier draußen nicht alleine lassen. Entweder kommst du mit mir zurück oder ich gehe mit dir. Wenn du wieder abhaust, werde ich dich suchen – und du weißt besser als ich, dass ich auf deine Hilfe angewiesen bin, wenn es um diese Dinger geht. Du hast die Wahl. Entweder wir beide gegen den Rest der Welt – oder wir gehen zurück zu Fabian, Balu und Stella, suchen deinen Bruder und Lilli, und werden eine kleine Familie, in der jeder auf den anderen aufpasst und für ihn da ist, wenn er Hilfe braucht. Es liegt ganz bei dir, welche Möglichkeit wir wählen. Und ja, das ist eine verklausulierte Erpressung."
Wider Willen musste Kilian lächeln.
„Ich weiß, warum ich dich gern habe", sagte er und wurde wieder ernst. „Trotzdem ... ich sollte nicht bei euch sein."
„Das ist egal", meinte Leo. „Du bleibst. Punkt. Meinetwegen auch auf eigene Gefahr oder wie auch immer man das genannt hat. Und wenn du dich weigerst, dann schleife ich dich eben zurück. Aber ich lasse dich nicht alleine hier draußen, ist das klar?"
Sie war immer lauter geworden, sodass Kilian instinktiv ein Stück zurückwich. In diesem Moment machte sie ihrem Namen alle Ehre und traute sich kaum, ihr zu widersprechen.
Vor allem, als sie dann auch noch anfing zu weinen.
„Leo ...", sagte er leise, zögerte kurz und schloss sie dann in die Arme. „Ich ... das wollte ich nicht ..."
„Du bist so ein Idiot!", schluchzte sie. „Als ob ich keine anderen Probleme hätte!"
Es dauerte dieses Mal länger, bis sie sich beruhigt hatte. Kraftlos sank sie gegen Kilians Brust und hielt sich an ihm fest.
„Mach das nie wieder", sagte sie. „Hast du mich verstanden? Nie wieder."
„Versprochen", flüsterte Kilian. „Nie wieder. Es tut mir leid."
„Gut", schniefte Leo. „Dann können wir uns die Nacht wenigstens als Freunde um die Ohren schlagen und müssen uns nicht anschweigen. Und morgen können wir dann vollkommen übermüdet unseren Weg fortsetzen. Super Aussichten."
Kilian schwieg. Welchen Schaden er eigentlich angerichtet hatte, wurde ihm erst jetzt bewusst. Er war für Leo wirklich ein Klotz am Bein, egal, ob er sich besser gegen die Dinger verteidigen konnte als sie.
Er nahm sich vor, sich zu bessern, seiner Gruppe mehr zu vertrauen und für sie da zu sein.
„Es tut mir leid", wiederholte er. „Ich bleibe wach und passe auf, dass nicht hier reinkommt. Und ich werde es nicht ausnutzen, um wieder abzuhauen. Ich komme mit wenig Schlaf aus, das klappt morgen schon ... du sollst nicht meinetwegen noch mehr Zeit verlieren."
„Unsinn", erwiderte Leo. „Das geht schon."
Sie schaute demonstrativ nach draußen, um Kilian zu verstehen zu geben, dass die Ausnahmesituation jetzt vorbei war und sie wieder in ihre Routine zurückkehren sollten.
Kilian seufzte leise und setzte sich neben sie, ein wenig dichter als sonst.
Er wollte es nicht zugeben, vor allem, weil er sich dann seinen Fehler eingestehen müsste, doch es war ihm wichtig, dass sie ihm nachgekommen war. Dass sie nicht einfach mit den Schultern gezuckt und ihn abgehakt hatte.
Möglicherweise hatten sogar Balu und Fabian mitkommen wollen, aber jemand musste bei Stella bleiben.
Kilian wusste, dass es eigentlich nicht gut war, so zu denken, aber es war ein schönes Gefühl, dass er jemandem wichtig war.

Wecke nicht die Toten: Band 1Where stories live. Discover now