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Bei Einbruch der Morgendämmerungweckte Balu sie.

„Wir müssen aufbrechen", sagte erleise. „Los, hoch mit dir! Keine Zeit für lange Erklärungen!"

Gänschen war sofort hellwach, schlugdie Decke zurück und packte ihre Sachen zusammen.

Adrenalin war besser als jeder Kaffeeund sie fragte gar nicht erst, was los war, sondern vertraute Balu.

Er hatte die Pferde schon fertiggemacht, sodass sie nur noch aufsteigen mussten.

„Was war denn los?", fragteGänschen, als sie schon ein gutes Stück von derSchrebergartensiedlung entfernt waren.

„Keine Ahnung", erwiderte Balu.„Ich habe einen Lichtschein gesehen, Feuer, glaube ich, undMenschen, die ... keine Ahnung, gefeiert haben. Es war unheimlich.Frag mich nicht, was sie da gemacht haben, ehrlich gesagt will ich esauch gar nicht so genau wissen."

Gänschen versuchte, die Gänsehaueloszuwerden, die sich über ihren ganzen Körper ausgebreitet hatte.

Kaum befand sich die Menschheit ineiner Ausnahmesituation, schon begann sie, verrückt zu werden.Hoffentlich sah ihre Zukunft nicht auch so aus.

„Reiten wir eigentlich in einebestimmte Richtung?", fragte sie, vor allem, um das Thema zuwechseln. „Oder wolltest du einfach nur weg?"

„In der Hütte hing eine Karte",antwortete Balu. „Ich hatte sie mir gestern angeschaut, bevor ichmich schlafen gelegt habe. Hier in der Umgebung gibt es nicht viel,aber ich hoffe, dass wir meinen Bruder und die anderen irgendwo beidem Wenigen finden, das es hier gibt."

„Hoffentlich vertrauen sie nichtdarauf, dass wir an einem Ort bleiben, so, wie wir es bei ihnenmachen", seufzte Gänschen. „Sonst könnte man sagen, dass wirunserem eigenen Schwanz nachjagen."

„Wir müssen das beste hoffen, etwasanderes bleibt uns nicht übrig. Also lass uns einfach die Daumendrücken, okay? Irgendwo müssen sie schließlich sein."

Gänschen nickte nur, Widerspruch wäreohnehin zwecklos gewesen. Was sie bräuchten, wäre ein Hund,vielleicht auch ein Trüffelschwein. Oder allgemein ein Schwein, daswie durch ein Wunder ein Naturtalent zur Spürnase hatte.

Allerdings fanden sie bis zum Einbruchder Dunkelheit nichts dergleichen – immerhin hatten sie aber auchkeines der Wesen gesehen. Lilli und die anderen leider ebensowenig.

„Das kann doch einfach nicht sein",sagte Gänschen frustriert, als sie anhielten, um zu überlegen, inwelche Richtung sie reiten sollten. „Sie können doch nicht einfachso vom Erdboden verschluckt sein! Wir sind hier doch nicht in einerRegion, die vom Bergbau gelebt hat!"

„Was ist mit Bunkeranlagen?",fragte Balu. „Haben wir darüber nachgedacht? Nicht die neuenAnlagen, sondern die alten Luftschutzbunker?"

„Wo soll denn hier sowas sein?",fragte Gänschen. „Außerdem hätten sie uns doch bestimmtirgendein Zeichen gegeben, danach sind wir doch die ganze Zeit aufder Suche! Aber nichts!"

Sie war den Tränen nahe und wusste,dass sie einen hysterischen Anfall oder einen Nervenzusammenbruchbekommen würde, wenn sie sich nicht ganz schnell beruhigte.

„Nimm mich bitte in den Arm", sagtesie zu Balu. „Sonst kommen wir in der nächsten Zeit nicht mehr vonhier weg."

Balu stieg ab und hob Gänschen vonihrem Pferd, bevor er sie fest in die Arme schloss.

„Wir finden sie schon", sagte erleise. „Es wird alles gut. Wir finden sie."

Gänschen versuchte, möglichst ruhigund tief zu atmen und nur auf Balus Herzschlag zu hören. Wenn sieihm nicht vertrauen konnte, wem dann?

Wecke nicht die Toten: Band 1Where stories live. Discover now