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„Leo!"
Da rief jemand nach ihr. Beinah wären ihr die Tränen gekommen, dass Kilian tatsächlich nach ihr suchte, bis ihr auffiel, dass es nicht er war, der da rief.
„Leo! Bist du hier irgendwo?"
War das einer der Männer, denen sie hatten helfen wollen? Gab es wirklich noch so nette Menschen?
„Hier!", rief sie, während sie auf die Stimme zulief. „Ich bin hier!"
Es dauerte nicht lange, bis sie ihm gegenüber stand. Der Fremde lächelte sie an.
„Hallo", sagte er. „Freut mich."
Er reichte ihr die Hand, Leo zögerte kurz, bevor sie sie ergriff.
„Mich auch", sagte sie. „Wo ist Kilian?"
Nicht, dass sie ihm etwas getan hatten. Oder gefangen genommen.
Der Mann lachte.
„Keine Angst, es geht ihm gut. Wir haben uns aufgeteilt, damit wir dich schneller finden. Oh, ich heiße übrigens Baltus. Balu ist mir allerdings lieber, wenn du mir den Gefallen tun würdest. Und danke für eure wahnsinnige Rettungsaktion. Ihr habt uns echt den Hals gerettet, jetzt im Nachhinein betrachtet."
„Gerne", erwiderte Leo. „Können wir dann bitte gehen? Ich möchte zu Kilian, wir haben noch einen langen Weg vor uns. Wr wollen Richtung Köln."
Balu nickte und setzte sich in Bewegung. Leo ging neben ihm, wie sie es zwei Tage zuvor auch von Kilian verlangt hatte. Keine Bedrohung, aber auch kein Vertrauen.
„Was wollt ihr denn in Köln?", fragte Balu. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Stadt ziemlich gefährlich ist. Oder leer."
„Ein Versprechen", antwortete Leo. „Falls ich es noch halten kann. Ich hatte einen Pakt mit meiner besten Freundin, dass ich sie im Katastrophenfall holen komme. Aber als es dann soweit war ..." Sie sprach nicht weiter, doch Balu schien sie zu verstehen.
„Du bist kein schlechter Mensch deswegen", sagte er. „Du bist schließlich auf dem Weg, oder nicht? Und unter uns gesagt, es war schlauer. Als das anfing, war hier auf den Straßen die Hölle los, überall nur Chaos und Menschen, die sich verwandelten. Mein Bruder und ich haben die Sache auch erst mal ausgesessen, aber dann haben die Biester unser Haus gestürmt ... keine Ahnung, was genau sie angelockt hat, jedenfalls kamen wir gerade noch weg."
Leo wusste nicht, ob sie sich besser fühlen sollte oder nicht. Ihr kam ihr Verhalten immer noch wie Verrat vor, doch Balu hatte Recht. In den ersten Tagen wäre sie niemals auch nur nach Frankfurt reingekommen.
Zumindest nicht in lebendigem Zustand. Hoffentlich war Lilli klüger als sie. Hoffentlich hatte sie auch gewartet, bis sich die Lage beruhigt hatte. Hoffentlich war sie an jemanden wie Kilian geraten.
„Leo?", fragte Balu. „Alles in Ordnung?"
Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch und lächelte unwillkürlich.
„Ja", sagte sie. „Sorry. Du hast mir nur gerade ... Hoffnung gemacht. Danke."
Er erwiderte das Lächeln.
„Das war das mindeste, was ich tun konnte, nachdem du und dein Freund euch so selbstmörderisch zu unserer Rettung begeben habt", sagte er. „Gern geschehen."
Balu führte Leo zurück zu dem Platz, wo sie und Kilian die beiden Brüder gefunden hatten. Kilian und Balus Bruder kamen auch gerade zurück, Kilian hatte sogar an Leos Rucksack gedacht.
Sobald er sie sah, stürmte er auf Leo zu und schloss sie in die Arme.
„Es tut mir leid", sagte er. „Ich hätte das niemals tun dürfen, ich hätte wissen müssen, dass sie sich Verstärkung holen ... es tut mir so leid!"
Leo war vollkommen überfordert und klopfte Kilian nur unbeholfen auf den Rücken.
„Schon gut?", versuchte sie, ihn zu beruhigen. Sie wusste nicht einmal, was er überhaupt falsch gemacht haben sollte, er hatte das getan, was ihm am sinnvollsten erschien, um sie beide, und im besten Fall die beiden Brüder, am Leben zu halten.
„Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist", murmelte er und war nicht gewillt, sie loszulassen. „Nächstes Mal lasse ich mir etwas Besseres einfallen, versprochen ..."
„Hey, sie lebt noch", sagte Balu und zog Kilian sanft von Leo weg. „Und sie meinte, ihr müsstet schnell weiter, also solltest du dir deine Entschuldigungen am besten für die Nacht aufheben, wenn ihr ohnehin Pause machen müsst."
Kilian riss sich wieder zusammen und trat einen Schritt zurück.
„Entschuldige", sagte er zu Leo. „Ich habe mich gehen lassen." Dann sah er Balu an. „Du und Fabian, was habt ihr jetzt vor? Wo wollt ihr hin?"
Balu sah seinen Bruder an und zuckte mit den Schultern.
„Uns einen Unterschlupf suchen, schätze ich", sagte Fabian. „Wir waren immer der Meinung, dass eine Festung besser ist, als immer in Bewegung zu bleiben, also ... nachdem wir unser Haus verloren haben, ziehen wir wohl aufs Land. Städte sollte man meiden."

Wecke nicht die Toten: Band 1Where stories live. Discover now