two

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Als das Klingeln der Schulklingel den Unterricht beendet hatte, herrschte das pure Chaos. Die einen liefen zu ihren Freunden, andere stürmten schnellstmöglich heraus. Nur Felix saß seelenruhig auf seinem Stuhl und packte dabei die wenigen Sachen in seinen Rucksack: das Mathebuch, einen Schreibblock, seinen Taschenrechner und die Federmappe. Als er alles feinsäuberlich in seine Tasche gepackt hatte, stand er auf und ging aus dem Raum, der nach wenigen Minuten leer war. Sein bester Freund hatte auf ihn gewartet, so wie er es immer tat, wenn sie an einem Tag zur selben Zeit Unterrichtsschluss hatten. Hyunjin und Felix waren nicht in der selben Klasse gewesen, was für die beiden Jungen allerdings nicht ein wirkliches Problem war. Sie mochten es viel lieber, dass sie nicht die ganze Zeit aufeinanderhockten. 

"Was wirst du heute wieder tun?", fragte der Schwarzhaarige den Australier und schenkte ihm einen interessierten Blick. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln. Auch wenn er dieselbe Antwort erwartete, wie sonst auch immer, erkundigte er sich jedesmal nach seinem besten Freund, den noch immer Chans Verschwinden zu schaffen machte. Es war zwar nicht so, dass es ihn nervte, aber manchmal wünschte er sich für ihn, dass er einfach vom Älteren loslassen konnte. Es war schon ein Jahr her, dass er ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen und Gnade Gott, ob er überhaupt noch am Leben war. Immerhin war die Wahrscheinlichkeit mit jedem Tag geringer, dass er noch unter ihnen weilte. Oder er war einfach nur unfassbar gut im Untertauchen.

"Ein bisschen Schule und dann will ich überlegen, wo Chan sein könnte. Bestimmt übersehe ich nur ein wichtiges Detail, um zu wissen, wo er steckt.", antwortete Felix und seufzte, als er Hyunjins genervten Blick sah. Immerhin wusste er ganz genau, dass er seinem besten Freund immer die gleiche Antwort zum Fraß vorwarf und er sich langsam mal etwas anderen einfallen lassen musste, was er ihm antworten konnte. Doch wieso sollte er ihn anlügen? Sein Tag bestand nur aus Schule und Chan. Zwischendrin aß er noch etwas und legte sich irgendwann zum Schlafen hin. Der gleiche Tagesablauf seit einem Jahr. Zweiundfünfzig Wochen. Dreihundertfünfundsechzig Tage. Und nichts hatte sich verändert. Nur das Fragezeichen über Felix Kopf wurde größer und größer, wollte wissen, wo er hin war. 

"Solltest du nicht langsam einmal diesen Chan aufgeben? Du schadest dir damit nur selbst."

Allein dass Hyunjin diesen Chan gesagt hatte, ließ in ihm die Sirenen schrillen und er wusste nicht ganz, ob er ihn anpampen sollte oder ob seinem Freund ihm diese Aussagen nur versehentlich herausgerutscht war. Allein an Hyunjins Unterton begriff er jedoch schnell, dass es nicht aus Versehen war, sondern mit purer Absicht und das machte ihn irgendwo wütend. Immerhin wusste er, wie viel Chan Felix bedeutete und er nicht einfach aufgeben konnte, an ihn zu denken. 

"Kannst du mit dem Tanzen aufhören, wenn ich es von dir verlange? Nein? Dann hör auf von mir zu verlangen meine Freizeit, die ich an Chan denke, zu quitten.", entfuhr es Felix, der mindestens genauso genervt klang wie Hyunjin. Dieser öffnete seinen Mund und setzte bereits an, etwas sagen zu wollen. Doch er schloss ihn recht schnell wieder, weil er wusste, dass er bei dem Brünetten auf Granit biss. Er konnte sagen was er wollte, doch Felix war oft ein ziemlicher Dickkopf und tat das, wonach ihm war. Und ihm war danach, dass er seinen australischen Freund endlich finden würde. Ein ganzes Jahr lang und es würde so schnell wohl kein Ende finden. Erst wenn man ihm weismachen würde, dass er tot war, würde er damit aufhören können. Wenn überhaupt. 

"Glaub mir, ich hab es schon mehrmals versucht, aber jedesmal hab ich doch damit weitergemacht.", fügte der Australier noch hinzu. Stillschweigend nickte der Ältere und schien zwanghaft verstehen zu wollen, dass es nach wie vor nicht so einfach für den Jungen war, wie es eigentlich sein müsste. Allgemein verstand Hyunjin nicht wirklich, wie Liebe funktionierte. Genauso wenig verstand er, dass Felix seinen Alltag davon abhängig machte. Denn Chan verschwand nach dem sie vermeintlich zusammengekommen waren. Das musste doch ein Zeichen sein, dass der Ältere nie eine Beziehung mit dem Jüngeren eingehen wollte, oder verstand Hyunjin etwas falsch? Wenn es danach ging, waren seine Ansichten ziemlich stumpf und beschränkt gewesen. Hyunjin war nie ein Beziehungstyp. Er genoss seine Freiheiten und schätzte sein Leben sehr, auch wenn er mit niemandem zusammen war. 

"Aber was will ich dir erzählen. Du warst nie in einer Beziehung."

𝗦𝗸𝘆 ✧ CHANLIX Where stories live. Discover now