thirty one

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Zum Abend hin waren sie zu Chan gegangen und wollten die gemeinsame Zeit zusammenverbringen, während der Ältere noch immer ziemlich abwesend wirkte. Als wäre er nicht ganz bei der Sache und das war er ganz klar auch nicht. Die ganze Zeit überlegte er, wann der perfekte Zeitpunkt gewesen war, um ihm die ganzen kleinen Briefchen zu geben, die er für ihn gemacht hatte. Eigentlich hatte er vorgehabt, ihm kleine Botschaften zu überlassen, in dem er herausfand, wo er war. Doch als ihm Jeongin gesagt hatte, dass Felix ihn vermisste und er die kleinen Karten begann zu hassen, wollte er ihn nicht länger auf die Folter spannen. - Seine Kurzschlussreaktion hatte genau zu dem geführt, was er nicht wollte. Damit hatte er den Jüngeren nur ein Stück weiter von sich weg geschoben.

"Hey, was ist denn los? Du bist den ganzen Tag schon so neben der Spur. Wenn dich etwas beschäftigt, kannst du mit mir reden. Auch wenn es dir schwer fallen wird."

Der Schwarzhaarige seufzte und rieb sich das Gesicht, ehe er aufstand. Er wollte es tun, denn irgendwann würden diese kleinen Nachrichten ans Licht kommen. Entweder würden sie gefunden werden oder er hätte sie ihm in Zukunft gegeben. Und die zweite Variante würde ihm wesentlich besser gefallen, doch sie konnte im Streit ausarten. Er hatte sich geschworen, ab nun an ehrlich zu seinem Freund zu sein, damit sie einen Neustart wagen konnten.

"Vielleicht hab ich dir nicht ganz die Wahrheit gesagt mit den Karten. Eigentlich wollte ich dir jeden Tage eine geben, bis es hieß, dass ich tot bin. Und an dem Tag, solltest du die Karte bekommen, die ich dir zu unseren Treffen zukommen lassen habe. Anstatt der Großen. Die habe ich eigentlich nie geplant." Der Ältere hielt in seinen Händen eine kleine Schachtel, in welchen jede Menge kleine, bunte Umschläge lagen. Um genau zu sein, waren es genau einundzwanzig an der Zahl. Vier ganze Wochen, hätte sich Chan gegen seinen Blitzgedanken entschieden, in denen er Felix das ganze Leid erspart hätte. Oder in denen er ihn umso mehr verlor, verglichen mit den Weg, für welchen er sich dann entschieden hatte.

"Ich hatte eine mehr oder weniger kleine Botschaft. Und wie ich damals schon gesagt habe, wollte ich dir einen Einblick in meine Gedanken und Gefühlswelt geben. Denn eigentlich wollte ich mich so öffnen. Wenn ich so vor dir stehe, weiß ich nicht, wie ich das alles über meine Lippen bringen soll." Für wenige Sekunden schloss Chan seine Augen, biss sich auf seine Lippen. Leicht verwundert musterte ihn Felix und konnte nicht so ganz glauben, dass der Ältere deswegen so sehr in seinen Gedanken schwelgte. Es freute ihn gleichzeitig, denn es zeigte ihm, dass Chan sich wirklich bemühte ihn zurückzugewinnen und dass seine anfängliche Vermutung, ehe alles ans Licht kam, völlig absurd war. Jeongin war nur ein guter Freund gewesen, der dem Älteren half durch die schwere Zeit in Australien zu kommen, auch wenn sich beide in verschiedenen Ländern befanden.

"Wahrscheinlich sind sie nicht einmal mehr sortiert nach der Reihenfolge, in der ich sie dir geben wollte. Aber das tut wohl auch nichts groß zur Sache." Mit den Worten landete die Box in der Hand des Brünetten, der leicht seufzend die ganzen kleinen Briefchen beliebäugelte. Er wusste nicht so recht, ob er sich dazu in der Lage fühlte, weil er nicht wusste, was ihn erwarten würde. Doch dies hatte er zu der Zeit damals auch nicht gewusst.

Mit einem weiteren Seufzen öffnete er den ersten Brief, sah noch einmal zu Chan, der sich stillschweigend neben ihn gesessen hatte und auf den Tisch vor sich starrte. Mit einem kleinen Lächeln griff er nach seiner Hand und umschloss diese. Zu gut konnte er sich vorstellen, wie es ihm in diesem Moment ergingen würde, weil er gerade neben ihm saß und er seine direkte Reaktion mitbekam. Nur ein bisschen Mut wollte er ihm dadurch geben. Sofort schellte Chans Blick zu Felix. Am liebsten hätte der Schwarzhaarige zu ihm gesagt, dass er ihn liebte. Doch das traute er sich auf einmal nicht mehr. Die Worte fühlten sich so schwer in seinem Mund an, dass er sie nicht aussprechen konnte. Außerdem hatte Felix die Aufmerksamkeiten schon auf die Karte gerichtet.

"Es gab keinen Tag, an denen ich nicht an dich dachte. Du warst immer bei mir und deine Worte, die Art, wie du mir deine Liebe gestanden hast, klingelt noch immer in meinen Ohren. So, als würdest du jederzeit vor mir stehen und sie mir aufs Neue gestehen."

Und irgendwie konnte es nur Schicksal sein, dass die Karte, die Chan am meisten bedeutet hatte, als erstes von Felix geöffnet wurde, der wahllos nach ihr gegriffen hatte. Als wollte das Schicksal gerade sagen, wie sich Chan fühlte und was seine Worte waren. 

𝗦𝗸𝘆 ✧ CHANLIX Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt