twenty three

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Hyunjin klingelte an der Haustür von Felix, hoffte inständig, dass er nicht irgendwelche Dinge tat, die er im Nachhinein bereuen würde. Auch wenn der Australier es nicht gern zugab, war ein Mensch, der sich viel zu schnell von seinen Gefühlen leiten ließ. Daher hatte der Koreaner auch umso mehr Angst, was hinter der Tür auf ihn warten würde. Dass er für heute nicht die Schule besuchte, war ihm durchaus bewusst und wenn es nötig war, würde er für seinen besten Freund auch die Schule schwänzen, um für ihn da zu sein. Sonst hatte er niemanden.

Felixs Mutter öffnete ihm die Tür, wollte Hyunjin eigentlich schon wieder wegschicken. Sie kam jedoch nicht einmal dazu, da hatte er sich schon durch den Spalt durchgeschmuggelt und rannte die Treppen nach oben. Die Stimmung fühlte sich im ganzen Wohngebäude ziemlich erstickend an, als würde ihm selbst die Luft zum Atmen wegbleiben. Er wollte sich nicht ausmalen, was für ein Theater hier herrschen musste. Und Dank Chan hatte er es rechtzeitig geschafft, um zu seinem besten Freund zu gelangen. Normalerweise war Hyunjin nie jemand, der die Nachrichten großartig verfolgte und dass ein eigentlicher Nachfolger tot aufgefunden wurde, interessierte ihn am wenigsten.

"Felix, ich bin es, kann ich bitte reinkommen?" Behutsam klopfte der Ältere an der Tür, legte seine Hand dann auf die Türklinke. Doch es erfolgte keine Reaktion. Nicht einmal ein Schniefen, ein Seufzen oder sonst irgendetwas, wovon man ausgehen könnte, dass der Australier am Leben war. Hyunjin war sich ziemlich sicher, dass Felix niemals sowas machen würde. Dafür war er in seinen Augen viel zu stark und hing zu sehr an seinem Leben. Zwar zeigte er das kaum in den letzten Monaten, aber Hyunjin wusste einfach, dass er sich durch sowas nicht unterkriegen lassen konnte. Schließlich hatte er vieles durchgestanden und durch das letzte Stück würde er sich nun auch noch mit seiner Hilfe schlagen können.

Zaghaft drückte Hyunjin die Klinke herunter, spürte allerdings einen direkten Widerstand. Felix saß nach wie vor vor der Tür, sodass niemand in seine dunkle Welt eintauchen konnte. Es durfte niemand in seine momentane, total dunkle und trostlose Welt gelangen. Denn Chans noch so geliebter Sternenhimmel hatte an Leuchtkraft verloren und allein die Schwärze blieb zurück. Der Sterne schienen nicht mehr.

"B-Bitte geh einfach." Felixs Stimme war leise, sehr leise, sodass es der Schwarzhaarige beinahe nicht verstanden hatte. Das Holz, welches die beiden Jungen trennte, hatte die Aussage beinahe vollkommen geschluckt gehabt.
"Erinnerst du dich noch an Jeongins Aussage, wir sollen nicht alles glauben, was wir in nächster Zeit hören?"
"Seine Leiche wurde am Hangang gefunden. Er ist tot und ich bin daran schuld, Hyunjin. Ich muss mit diesem Gewissen leben!"
"Er lebt. Glaub mir, Chan ist nicht tot."

Es wurde erneut ruhig und wieder rannten dem Brünetten die Tränen die Wangen runter. Ihm wollte es einfach nicht einleuchten, wie er leben konnte, wenn sein lebloser, vom Wasser verwester Körper dann gefunden werden konnte. Wieso hatte Chan ihm niemals erzählt, dass er aus einem reichen Haus kam? Wie viel hatte er ihm noch verschwiegen, was er bis heute nicht wusste? Kannte er überhaupt Chan oder war alles nur eine große Lüge?

"Woher willst du das wissen, Hyunjin? Weißt du auch alles, wie Jeongin?" Felixs Stimme war nun lauter gewesen, weil er seine Worte herauspresste, die eigentlich durch seine Tränen erstickt wären. Es verletzte ihn ein weiteres Mal, dass er der Einzige war, der von nichts Bescheid wusste. Der ahnungslos war und sich dadurch einsam fühlte. Selbst von seinem eigenen, besten Freund fühlte er sich missverstanden, der sich eigentlich die ganze Zeit für Felix eingesetzt hatte, damit Chan ihm auch ja nicht zu nahe kam. Und plötzlich änderte sich alles. Auf einmal stand er für den Älteren ein und wusste es besser.

"Das muss dir Chan sagen."

Jetzt reichte es ihm. Er konnte diese Aussage nicht mehr hören. Andauernd sollte es ihm Chan sagen, doch dieser rückte nicht mit der Wahrheit raus. Immer wieder hörte er, dass er ihn schützen wollte. Doch vor was? Welcher Gefahr war er ausgesetzt, dass er nur hingehalten wurde? Mit Schwung öffnete der Australier die Tür, sah seinem besten Freund gefährlich in die Augen. Dieser hatte damit nicht gerechnet und stolperte in das Zimmer, da er noch immer die Türklinke fest in der Hand hielt.

Der Brünette schloss die Tür wieder, drückte stattdessen seinen besten Freund an das weiß lasierte Holz und war ihm ungewohnt nahe. Doch nicht auf solch eine Weise, sondern eine, die auf viele ziemlich bedrohlich wirkte. Selbst Hyunjin erkannte seinen Freund nicht wieder und bekam vor ihm Angst.

"Was soll mir Chan sagen?" Felix rüttelte ihn einmal, sodass Hyunjins Schulterblätter gegen die Tür knallten. Schmerzvoll verzog er das Gesicht, während ihm die Panik durchfuhr. Der Knall hallte durch das ganze Haus, sodass seine Mutter aufschreckte und vorsichtshalber nachschauen konnte, dass nichts Schlimmes passierte.

"Wollt ihr mich alle verarschen? Wisst ihr wie es sich anfühlt jemanden zu lieben, der einen bisher nie die Wahrheit gesagt hat, weil er euch angeblich schützen will? Natürlich nicht!" Dann ließ er ab und ließ sich auf sein Bett fallen. Zwar hätte er seinem Freund nie etwas antun können, doch gerade hatte ihm der Frust übermannt und er konnte nicht anders, als ihn an seinen Sachen zu packen.

"Ihr kennt dieses Gefühl der ständigen Leere nicht, die euch tagtäglich begleitet. Ihr seid nie gebrochen. Euch wurde nie etwas weggenommen, was ihr liebt. Ihr habt euch nie gewünscht, dass ihr einfach verschwinden würdet, weil ihr eure Existenz nicht mehr ertragen könnt. Also hört auf so zutun, als wüsstet ihr, welchen Schmerz ich durchlebe. Das wisst ihr nicht. Keiner weiß das."

Genau diese Worte hatte sein Mutter gehört, die sie niemals hören wollte. Kein Elternteil wollte, dass ihre Kinder solche Gedanken haben sollten, denn dann würde für sie eine Welt zusammenbrechen. Felixs Welt war jedoch schon längst zerbrochen und das hatte sie nie gesehen. Als hätte sie ihre Augen davor verschlossen. 

𝗦𝗸𝘆 ✧ CHANLIX Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt