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Mit immer schneller werdenden Schritten kam Felix seinem Ziel näher. Auch wenn ihm sein Herz bis zum Hals schlug und er dachte, er würde jeden Moment umkippen, wenn er noch einen Schritt tätigte, wusste er, dass dem nicht so war und es sich nur in seinem Kopf abspielte, dass er nicht mehr konnte. Er konnte und das solang, bis er dort war. Bis er Chan sah und ihn mit seinen Fragen bombardieren konnte. Chan war ihm einiges schuldig. Nicht nur eine Erklärung sondern auch eine riesige Entschuldigung, dass er ihn einfach so allein ließ. Ihm das Gefühl gab, dass er nicht gut genug war. Dass er sich mit dem Verlust von ihm anfreunden musste. Vieles. Er hatte ihm in dieser Zeit viele negativen Gefühle gegeben, die er bisher selten gespürt hatte. Ebenso hatte er noch nie so viele schlechten Gedanken gehabt, wie in diesem einen Jahr. Es fühlte sich für ihn ein bisschen seltsam an, zu wissen, dass diese Zeit nun vorbei war. Ebenso hatte er Angst vor der Reaktion, die er dem Älteren geben würde, wenn er ihn gleich vor sich stehen sah. In ihm waren so viele Gefühle auf einmal, die er nicht verarbeiten konnte, die er nicht steuern konnte.

Als er den Platz erreicht hatte, hielten seine Augen Ausschau. Jede Sekunde zuckte sein Kopf zu einer anderen Seite. Sein Kehle fühlte sich ausgetrocknet an und sein Brustkorb hebte und senkte sich in Rekordzeit. Direkt hinterfragte er sich, ob Chan nicht einen anderen Ort meinte und langsam kam er ins grübeln, ob es doch umsonst war, dass er hier herumstand und wie ein Irrer seine Umgebung anstarrte.

"Ich dachte, du würdest nicht mehr kommen." Erneut schellte Felixs Kopf und erblickte Chans Statue. Er blieb wie angewurzelt stehen, konnte nicht so recht glauben, dass er diesen Moment erleben konnte. Nach über einem Jahr bekam er ihn nun endlich wieder zu Gesicht. Die grauenvolle Zeit schien vorbei zu sein.

"Ich hätt's dir nicht übel genommen, wenn du nicht aufgetaucht wärst nach all dem." Die Arme des Schwarzhaarigen legten sich um Felix, der noch immer wie versteinert an Ort und Stelle verweilte. Chans Finger fuhren durch seine Haare, während sich auf seinen Lippen ein Lächeln legte. Nach der langen Zeit fühlte es sich gut an, ihn wieder in seinen Armen wiegen zu können.

"Ich hab dich echt vermisst, Felix. Weißt du das?"

Langsam fand der Jüngere wieder zur Besinnung und erwiderte die Umarmung. Es trieb ihn die Tränen in die Augen, weil er das alles gar nicht glauben konnte. Eine Last fiel von seinen Schultern. Sein Atem war schwerer geworden, als er ohnehin schon war. Seine Finger griffen sich in die Jacke seines Freundes fest, als hätte er Angst, dass er jederzeit wieder verschwinden würde. Gleichzeitig wusste er, dass er das nicht tat. Hoffentlich kein zweites Mal.

"Lass mich nie wieder allein, du dummer Idiot."
"Das werde ich nicht. Versprochen."

Während die Beiden einfach nur so da standen, sich in den Armen hatten und diese Gemeinsamkeit genossen, die ihnen seither fehlte, beobachtete Chan seelenruhig den Himmel, der heute nicht sonderlich schön war, da die Wolken die Sterne verdeckten. Das machte ihm aber nichts, jetzt wo er Felix wieder hatte, der noch immer Tränen vergoss. Es tat ihm einerseits Leid, dass er ihn im Regen stehen lassen hatte. Doch er wäre ihm zum Verhängnis geworden, wenn er ihn von vornherein in alles eingeweiht hätte. Es war in seinen Augen definitiv die bessere Entscheidung gewesen, um vor allem den Jüngeren zu schützen. Es reichte schon, dass er eine Person durch sein Verhalten in Gefahr gebracht hatte.

"Ich hoffe, die Briefchen haben dir gefallen."
"Wahrscheinlich habe ich die Bedeutung nicht darin verstanden.", schniefte der Brünette, der sich langsam beruhigt hatte. Vorsichtig löste dieser sich von Chan und sah ihm in die Augen, als er sich die Tränen von den Wangen gewischt hatte.

"Ich hab dir nur einen kleinen Einblick in meine Gedanken gegeben. Mehr nicht. Sie sollten nicht einmal eine geheime Nachricht zurücklassen.", lachte der Schwarzhaarige und kratzte sich ein wenig verlegen an seinem Hinterkopf. Recht schnell merkte er jedoch, dass sich Felix nicht sonderlich wohl dabei fühlte und hörte daher auf, brachte sein Lächeln zum Ersticken. Nur ein kleines Lächeln blieb zurück.

"Deine Briefe waren unerträglich."

𝗦𝗸𝘆 ✧ CHANLIX Where stories live. Discover now