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Leicht nervös öffnete der Australier den Briefkasten, um nach zu sehen, ob wieder ein unadressierter Brief drin lag. Zwischen den drei Briefen, die er herausgefischt hatte, fiel der winzige Umschlag nicht auf. Frustriert mischte er sie daher nochmal, sodass ihm ein diesmal orangener Umschlag auf den Boden fiel. Es wunderte Felix. Tatsächlich dachte er, dass es wieder ein Grauer sein würde, so wie gestern. Dem war nicht so und er stellte sich die Frage, ob es etwas zu bedeuten hatte oder ob Chan sich einfach wahllos die farbigen Umschläge gegriffen hatte, da sie ihm so gut gefielen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete er die Wohnungstür und ging schnurrstracks in sein Zimmer. Auch wenn er sich zu Anfang gedacht hatte, dass Chan nicht hinter den Briefchen steckte, fühlte er sich wieder verbunden zu ihm, auch wenn er ihn nicht vor seiner Nase hatte. Er wusste, dass der Ältere den Brief in seinen Händen gehalten hatte, wie Felix es jetzt tat und allein das, ließ seine Laune ein bisschen mehr steigen. Mit einem Lächeln öffnete er den Umschlag und zog die Karte heraus.

"Eigentlich dachte ich, ich hätte alle schönen Dinge in meinem Leben gesehen. Aber mir wurde bewusst, dass mein Horizont klein war, als ich dich gesehen habe."

Als er die Worte las, wurde er urplötzlich rot und konnte nicht aufhören zu grinsen. Etwas komplett anderes hatte er erwartet. Etwas, worüber er wieder über den Himmel oder die Sterne schrieb, denn Chan liebte den Anblick, wie sich alles um ihn änderte. Wenn der Tag einbrach und die Sonne aufging. Wenn der dunkle, von wolkenbedeckte Himmel Stück für Stück heller wurde. Wenn der blaue Himmel von kleinen Wölkchen bedeckt war. Und am meisten liebte Chan den Himmel, wenn es Nacht wurde. Die kleinen Sternchen langsam aufkamen und die Dunkelheit um ihn erhellten. Gerade dann fühlte er sich verzaubert und konnte nichts anderes, als dem zu zusehen.

Indirekt handelte es sich um Chans Liebe zum Himmel, denn es gehörte zu den schönen Dingen. Und Felix wurde es gerade so richtig bewusst, wie sehr er ihn vermisste. Wie sehr er seinen Lockenkopf vermisste, wenn sie durch die Nacht stapften, miteinander redeten und einfach nur die Gemeinsamkeit, die sie einander gaben, genossen. Allein der Gedanke die Präsenz von ihm wahrnehmen zu können, hatte Felix glücklich gemacht und es kam ihm vor, als wäre er auf einen kalten Entzug, den er eigentlich gar nicht wollte. Je länger die Zeit verstrich, desto schwieriger fiel es ihm sogar ohne ihn klarzukommen, obwohl es das Gegenteil sein sollte, wie bei anderen. Eigentlich entliebten sich die Menschen, je länger sie nicht mehr mit der Person zusammen waren und zwischen ihnen eine Distanz geschaffen war. Doch Felix liebte ihn umso mehr und verstand sich selbst nicht einmal, wie das Ganze sein konnte.

Frustriert schob er das Papier wieder in die Hülle und legte es in eine Schublade. Gerade wollte er die beiden Briefchen einfach vergessen, so, als hätte er sie nie bekommen. Als existierten sie gar nicht. Er würde sonst einfach nur drauf los weinen und das wollte er nicht. Das tat er schon so oft in seiner Vergangenheit. Vor allem als es hieß, dass Chan verschwunden war, als wäre es erst gestern gewesen. Genau diesen Schmerz spürte er heute auch noch. Vielleicht war er mal mehr und mal weniger schlimm. Doch er würde solang ein Teil von ihm bleiben, bis er Chan wiedersah. Und genau das war ungewiss. Zeit war ein Begriff, der verschieden definierbar war und anders wahrgenommen werden konnte. Die guten Zeiten schienen begrenzt und die Schlechten gingen ewig, als würden sie niemals aufhören wollen. Aber Felix glaubte an Happy Ends, die sein Leiden beenden würden und das Wissen, dass er Chan bald wiedersehen würde, gab ihm erneut die Kraft.

𝗦𝗸𝘆 ✧ CHANLIX Where stories live. Discover now