thirty

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Vertrauen war etwas, was man sich etwas erarbeiten musste, wenn das Grundvertrauen gebrochen wurde. Doch oft konnte man dieses nicht einmal mehr aufbauen. So gern Felix seinem Freund alles glauben wollte, war es für ihn sehr schwer gewesen ihn überhaupt trauen zu können, dass er nicht noch weitere Geheimnisse vor ihm hatte. Er war jedoch nicht misstrauisch, dass er von ihm angelogen wurde, sondern alles, was er zuhören bekam, auf die Wahrheit beruhte. Damit würde Chan nur seine Glaubwürdigkeit missbrauchen, welche endgültig erloschen sein würde. Dafür klang er zu getroffen von seiner Vergangenheit. Verletzt von seiner Geschichte, die er zu erzählen hatte, welche jedoch brauchte, um ans Licht zu gelangen. Vielleicht brauchte er doch noch viel länger, als Felix dachte.

Die letzten Tage verbrachten sie gar täglich ihre freie Zeit miteinander und während Chan darauf Bedacht war, dass er Felix nicht allzu sehr auf die Pelle rückte, verstand der Jüngere nicht, wieso zwischen ihnen so plötzlich eine Distanz herrschte, die manchmal sogar recht kühl war. Sie machte ihm schon fast Angst, würde er sich nicht regelmäßig daran erinnern, dass es sein eigener Wille war. Irgendwie verletzte es ihn doch und trübte dementsprechend seine Stimmung. Chan war das nie sonderlich aufgefallen, stattdessen steckte er mit seinem Kopf immer in der Vergangenheit und geriet in alte Verhaltensmuster, worin auch die Distanz zählte, die ihm aufgezwungen wurde. Dabei war sein eigentlicher Plan, Felixs Herz wieder zu erobern. Doch dadurch schien er vom Weg abgekommen zu sein.

"Du scheinst ein bisschen abwesend zu sein", bemerkte Felix, der Chans Arm umklammerte. Von der Nähe erschrak der Ältere sogar, blieb kurzzeitig stehen und hielt inne. Er traute sich nicht einmal zu atmen, da er plötzlich so überforder war. Sein Herz schlug das Doppelte, während er mit sich rang nicht zu weinen. Seitdem der Jüngere ihn darum gebeten hatte, dass sie es langsam angehen sollten, fehlte ihm ein Stück seiner Kraft an, als wäre sie im Weg genommen worden mit seinen Worten. So wie es bei Felix gewesen war, als Chan verschwand. Die ersten Tage und Wochen war er auch antriebslos gewesen. Doch er hatte nie aufgegeben und daran sollte sich der Schwarzhaarige festhalten.

"Vielleicht sollte ich heute bei dir bleiben, damit wir uns den Himmel ansehen können? Früher hast du mich immer dazu gezwungen.", schlug der Jüngere vor, sah den Älteren mit großen Augen an, welcher stillschweigend schluckte und nur mit den Kopf nickte. Es war eine nett gemeinte Geste, die irgendwie nur nach Vergangenheit in Chans Ohren klang und das machte ihn dabei nicht glücklich. Ihm unterstellen, wollte er allerdings nicht. Ganz und gar nicht. Auch wenn seine Hoffnung am Abgrund war, wollte er den Vorschlag nicht ausschlagen. Letztlich konnte er seinen letzten Versuch wagen, um das Herz des Jüngeren wieder zugewinnen. Zwar hatte er ihn nie verloren, aber er konnte versuchen, Felix zu zeigen, dass er es wirklich ernst mit ihm meinte. Das ganze Jahr nur für ihn getan hatte, weil er nicht anders konnte. Eine gemeinsame Zukunft wäre fast unmöglich gewesen, hätte er diesen Schritt nie gewagt und wer wusste, was dem Jungen passiert wäre, hätte er von alle dem wusste.

"Das können wir tun."
"Was ist denn los? Du kannst mir alles erzählen."

Wieso sollte man es machen, wenn einem die Worte fehlten, um seine eigenen Gedanken und Gefühle zu beschreiben? - Eine Frage die Chan nicht beantworten konnte. Sie waren abhanden gekommen. Kein Wort, welches er kannte, konnte seine Gefühlslage beschreiben. Er war dankbar, aber gleichzeitig hielt er es nicht mehr aus. Die ganze Situation machte ihm zu schaffen und es war das erste Mal, dass er sich tatsächlich wünschte, dass er in einer normalen Familie groß geworden wäre. Dinge erlebte, die Jugendliche machten und mit Dingen umgehen konnte, die andere auch konnten. Stattdessen lernte er die harte, gefühllose Seite der Menschen kennen, die nur darauf bedacht war, dass alles noch so perfekt schien. Eine Welt, wo Geld noch so wichtig war, als die Gefühle, die sie selbst in sich trugen. Doch nie würde das Leben so makellos sein, wie er es gelernt hatte so zu sein. Das war ihm schon als kleiner Junge klar. Hinterfragt hatte er es aber nie, weil er es nicht kannte. Selbst wenn seine Eltern sich stritten, war nach zehn Minuten alles gut gewesen, obwohl diese sich nie ausgesprochen hatten, sondern ihre Konflikte unter den Tisch kehrten. Als wären sie nie da gewesen.

So gern Chan so ein Leben nicht mehr führen wollte, konnte er nicht anders. Dieser Teil würde immer zu ihm gehören. Und nie konnte er mit Felix derartig über seine Probleme sprechen, wie er es noch so gern wollte. Einiges würde er nicht verstehen. 

𝗦𝗸𝘆 ✧ CHANLIX Where stories live. Discover now