Kapitel 1: Bree

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Die Nacht war gerade hereingebrochen. Schon vor Stunden verschwand die Sonne hinter dem Horizont, das einzige Licht, was jetzt noch schien, war das der kleinen Mondsichel. Stille lag über der Landschaft, das alleinige deutlich hörbare Geräusch war der sanfte Klang von Hufen, die über den grasbedeckten Boden eines Feldes fegten.

Das Pferd hatte pechschwarzes Fell und trug einen Reiter auf dem Rücken, dessen im Wind fliegender Umhang seine Gestalt fast komplett verhüllte. Nur das goldblonde Haar schien unverkennbar, erhellt vom schwachen Licht des Mondes leuchtete es regelrecht. Kleine Zöpfe an der Seite des Kopfes hielten es aus dem Gesicht, kunstvoll nach hinten geflochten wurden zwei Strähnen zu einer verbunden. Auf den Rücken war ein mit Pfeilen gefüllter Köcher geschnallt, dahinter ein Bogen und zwei scharfe Messer, deren helle Griffe mit meisterhaftem Muster durchzogen waren.

Nun hatte er das Ziel vor seinen Augen, ein großes Holztor bäumte sich vor ihm auf, am Ende eines Weges voll mit Schlamm, weil es Stunden zuvor regnete. Er zog die Zügel seines Pferdes zurück, um es zum Stehen zu bringen und blieb am Tor stehen. Mit seiner Hand klopfte er mehrmals gegen das durchnässte Holz, bis er ein leises Quietschen hörte.

Ein kleines Fenster öffnete sich, der Kopf eines alten Mannes schaute heraus. Sein Gesichtsausdruck war grimmig sein Haar und die Kleidung klebten ihm nass an der Haut, offenbar fand er keine Zeit sich zu trocknen.

„Was wollen Sie?", fragte er mit forschem Ton, während er ungeduldig auf den Reiter blickte.

„Ich möchte ins Gasthaus, mein Anliegen bleibt meine Sache", kam zurück, die Stimme des Reiters war sanft und weich. Der alte Mann knurrte und schloss das Fenster. Daraufhin wurde das Tor knarzend geöffnet und der Reiter drückte seine Schenkel in die Flanken des Pferdes.

„Gut, stellen Sie das Pferd hier unter, das Gasthaus ist dort drüben", gab der Mann noch von sich, bevor er in einer schmalen Gasse verschwand.

Die Stadt war klein und die Häuser nicht zu vergleichen mit denen, die dem Reiter normalerweise bekannt waren. Gepflasterter Stein bedeckte die Straßen, die Häuser wurden aus Holz erbaut, mit liebevoll aus dunklem Schiefer geziegelten Dächern. In vielen Fenstern erschien das warme Licht von Laternen, die Räume in der Nacht erhellten, aber keiner war auf den Straßen unterwegs. Einzig standen ein paar Pferde auf eingezäunten Wiesen neben den Gassen, sonst war Bree nachts leer.

Der Reiter glitt aus dem Sattel und brachte sein Pferd in die Scheune, auf die der alte Mann gedeutet hatte. Dann lief er in Richtung des Gasthauses. Seine Schritte waren selbst auf dem gepflasterten Stein so leise, dass menschliche Ohren sie nicht wahrnehmen könnten, keiner würde ihn kommen hören.

Vor einem der Häuser angekommen, blickte er auf das Schild, welches über der Tür baumelte. Zum tänzelnden Pony, er war hier richtig. Zögernd betrat er das Gasthaus und war überrascht, dass drinnen ein reges Treiben herrschte.

Nahezu jeder Tisch schien besetzt, mit Hobbits, Menschen und sogar einigen Zwergen, die lachten, schmausten und tranken, keine Gesellschaft, in der er sich sonderlich wohl fühlte. Er begab sich zum Tresen, wobei einige abwertende Blicke an ihm hafteten blieben.

„Was will ein Elb in meinem Gasthaus?", rief der Mann am Tresen beinahe so laut und abfällig, dass es der halbe Raum hörte. Er würdigte den Reiter nicht einmal eines Blickes, stattdessen füllte er weitere Bierkrüge und reichte sie an die Kellner weiter.

Der Elb überlegte kurz, nach was er fragen sollte. Er war im Auftrag seines Vaters hier, weil er es nach den schon viele Jahre vergangenen Ereignissen in Seestadt und am Erebor in seinem Zuhause, dem Düsterwald, kaum noch aushielt. Schon seit einigen Monaten ritt er allein durch Mittelerde, erst vor wenigen Tagen hatte er das Nebelgebirge passiert und ritt von dort an direkt nach Bree, mit der Hoffnung, den von seinem Vater besagten Mann hier zu finden.

„Geh nach Norden und finde die Dúnedain", waren Thranduils Worte, „unter ihnen ist ein Ranger, einmal könnte er ein großer Mann werden." Einen Namen hatte er von seinem Vater nicht bekommen, doch offenbar schien der Mann nicht unbekannt zu sein, da man den Elben in diese Stadt geschickt hatte, wo sich der Dúnedain öfter aufhielt und von denen erfuhr er, dass sein Spitzname Streicher zu sein schien.

„Wird das heute noch was?", fragte der Barmann ungeduldig, seine Stimme war weiter herabwürdigend. Einige Leute um ihn herum musterten ihn ebenfalls mit verzogener Miene, als Elb war er also nicht willkommen in dieser Gesellschaft.

„Ich suche einen jungen Ranger, der oft hier ein und aus geht", hielt es der Elb knapp und richtete seinen Blick auf den Menschen, der einen Bierkrug laut auf dem Tresen abstellte und sich über das Holz in seine Richtung lehnte. Der nach Alkohol stinkende Atem traf das Gesicht des Elben und er ging einen Schritt zurück.

„Weißt du, wie viele Gäste ich jeden Tag habe? Glaubst du, ich könnte mich an jedes Gesicht erinnern, Elb?", gab er hart zurück, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte.

„Man sagte mir, dass man ihn hier Streicher nennt", fügte der Elb hinzu und der Mann drehte abrupt seinen Kopf und verengte seine Augen.

„Streicher? Ich kenne diesen Mann, aber niemand weiß etwas über ihn, er ist ein Mysterium für jeden hier, obwohl er nicht selten in diesem Gasthaus ist", antwortete er und schaute eindringlich auf den Elben. „Warum suchst du ihn?"

„Das obliegt mir. Wo kann ich ihn finden?", erwiderte der Elb und ignorierte den weiterhin abfälligen Ton des Mannes, während er seinerseits versuchte, die ihm gelehrte Höflichkeit zu bewahren.

„Er war vor einigen Tagen hier, dann ist er aufgebrochen, zum Osttor hinaus, wenn mich nicht alles täuscht. Sein Pferd ist schnell, jetzt könnte er schon überall sein", sagte er kurz, das grauschwarze Haar fiel ihm wirr über sein Gesicht, nachdem er sich schnell mit dem Handrücken über die Stirn wischte.

Die Nacht war gerade erst hereingebrochen und sein Pferd nach tagelangem Ritt völlig erschöpft, es würde ratsam sein, eine Pause zu machen. Der Elb fragte also noch nach einem Zimmer, legte einige silberne Münzen auf den Tresen und bekam schließlich den Schlüssel.

Er entfernte sich von dem Barmann und ging die Treppen nach oben, zum Zimmer, dessen Nummer in das Schild am Schlüssel graviert war. Schnell öffnete er die Tür und trat herein, woraufhin er sie direkt wieder in das Schloss sinken ließ.

Seufzend setzte er sich auf die Kante des Bettes. Der Raum war spärlich eingerichtet, auf den Holzbrettern des Bodens stand das Bett, auf dem er gerade saß, an der gegenüberliegenden Wand gab es einen kleinen Kamin und noch einen Tisch unter dem geöffneten Fenster.

Die weißen Gardinen schwebten in der hereindringenden nächtlichen Brise, es war kühl, aber als Elb nahm er die Kälte glücklicherweise nicht so stark wahr. Dennoch schloss er das Fenster und zog die Vorhänge zu, damit er ruhen konnte, ohne dass er das ständige quietschende Geräusch von dem Schild außerhalb des Gasthauses, was sich im Wind bewegte, hören musste.

Legolas wusste selbst nicht, aus welchem Grund sein Vater ihn zu diesem Mann schickte und ihn nicht einmal wirklich informierte, wer der war, den er suchen sollte. Den Spitznamen hatte er erfragt und sonst wusste er nur noch, dass der Mann zu dem Volk der Dúnedain gehörte, deren Zahl in den letzten Jahrzehnten extrem geschrumpft war.

Diese Menschen waren Nachkommen der Könige Númenors, eine fast untergegangene Linie, da das Königreich vor vielen Jahrtausenden unterging. Sie wurden mit längerem Leben gesegnet, denn in ihren Adern floss Elbenblut, über lange Zeit vermischt mit dem der Menschen.

Der besagte Mann schien jedoch ein besonderer unter ihnen zu sein, doch Legolas vermochte den Grund noch nicht zu kennen. Offenbar blieb ihm nichts, als weiter zu suchen, immerhin bekam er hier in Bree eine gute Auskunft und hatte nun endlich einen Anhaltspunkt.

Vorerst musste sich der Elb aber ausruhen, seit Wochen schlief er nicht woanders, als auf hartem Waldboden, umso besser fühlte sich dieses Bett nun an. Er glitt schnell in den Schlaf, denn hier gab es keine Gefahren, auf die er Acht geben musste und so konnte er wieder genug Kraft für seine weitere Reise sammeln.

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So, das ist jetzt das erste überarbeitete Kapitel. Ich hoffe, dass es euch gefällt 😊

Emel nîn | Aralas FFWhere stories live. Discover now