Kapitel 44: Tiefe Reue

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Er saß an seinem Schreibtisch über einige seiner Bücher gebeugt, in den Händen ein Brief, dessen Zeilen seine Augen überflogen – gerade ging in Bruchtal die Sonne auf. Lord Elrond hatte die Nachricht erhalten, dass der Kampf in Minas Tirith gewonnen sei, dieses Königreich ist nun vorerst gerettet, also war es Aragorn und Legolas gelungen, die Armee der Toten zum Kampf aufzurufen.

Dennoch machte er sich Sorgen, denn Sauron würde hinter seinen Mauern von Neuem erstarken, diese Niederlage schwächte ihn nur kurz, es war höchstens ein kleiner Rückschlag für ihn. Er wusste, dass Aragorn mit den Truppen Gondors und Rohans nun zum schwarzen Tor reiten würde, um sich dort dem Feind direkt zu stellen und um von Frodo abzulenken.

Elrond war sich auch bewusst, dass Sauron Aragorn fürchtete, der dunkle Herr fürchtete die Macht und die Stärke, die dieser Mann hatte, nicht zuletzt war diese noch größer geworden, da ihn nun ein inneres Licht erfüllte, welches über jede der irdischen Vorstellungen hinausging.

Sauron würde zweifellos versuchen Aragorn zu töten, mit welchen Mitteln blieb unbeantwortet. Der Lord Bruchtals konnte nur hoffen, dass Legolas und die Kämpfer, die in der Schlacht neben ihm stehen würden, alles darauf setzen, ihn zu beschützen.

Seine Gedanken wurden jedoch unterbrochen, als er ein Klopfen an der Tür wahrnahm. Er bat denjenigen herein, vor ihm war jetzt Lindir, einer der Bruchtalelben.

„Mein Herr Elrond, soeben ist eine Elbendelegation aus dem Düsterwald eingetroffen, König Thranduil ist unter ihnen", sprach er und senkte respektvoll den Kopf.

Elrond runzelte die Stirn. Er wusste nicht, was Thranduil dazu trieb sein Königreich zu verlassen, um hierherzukommen, wenn er etwas Einfaches gewollt hätte, wäre das Schreiben eines Briefes sicher naheliegender gewesen, also musste es sich um eine wichtige Angelegenheit handeln.

Er ging also an Lindir vorbei aus der Tür und lief die Treppen nach unten, bis er den langen Gang zum Vorhof erreichte.

Dort standen ein Dutzend Elben in goldenen Rüstungen, wie sie typisch für den Düsterwald waren, mittendrin Thranduil neben seinem weißen Pferd, aber die Haltung und die Gewänder des Königs wirkten anderes als sonst.

Die Farben waren trister, dunkel, beinahe schwarz, der Stoff nicht glitzernd oder gar mit Steinen bestickt, selbst das goldene Haar, dass Thranduil sonst mit Stolz zeigte, hielt er unter einer Kapuze verborgen.

Als sich der König umdrehte, war Elrond fast erschrocken, über den Ausdruck, der ihm entgegenstarrte. In diesem Gesicht, was normalerweise eine kühle Form annahm, die Augen mit Arroganz und Eitelkeit herabblickten, war keine Spur davon mehr übrig. Stattdessen richtete sich der Blick nach unten, die Haut blasser als sonst, Trauer spiegelte sich in seiner Iris wider. In seiner Miene lag ein tiefer Schmerz, wie ihn Elrond vorher nur einmal bei ihm gesehen hatte, diese Maske, mit der er üblicherweise seine Gefühle verschleierte, war nun gebrochen, sie war zerbröckelt, wie eine Rüstung, die ihren Träger nicht mehr schützen konnte.

„Thranduil, ich bin überrascht über deine Ankunft, aber mit bleibt die Frage, was dich dazu bringt die Reise vom Düsterwald bis hierher auf dich zu nehmen und dein Königreich ohne Herrscher zurückzulassen?", sprach der Herr Bruchtals höflich, in seinem Ton war kein Vorwurf oder gar eine Anschuldigung zu hören.

„Ich wollte mit dir sprechen", antwortete der Düsterwaldkönig knapp, seine Stimme klang genauso schwach und kraftlos, wie es sein Gesichtsausdruck schon vermuten ließ, ganz das Gegenteil zu seiner vorigen Art.

„Natürlich, folge mir", sagte Elrond also und führte den blonden Elben durch die Gänge seines Palastes in ein ruhig gelegenes Zimmer, dort verwies er auf einen der Sessel vor dem Kamin und setzte sich ihm gegenüber.

Emel nîn | Aralas FFWhere stories live. Discover now