Kapitel 30: Heilmittel

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Legolas Blick flog über die kunstvolle Handschrift des Elbenlords, bis er den Brief wieder zusammenfaltete und zurück in den Umschlag steckte.

„Also sollen wir nach Bruchtal reiten?", fragte er und schaute auf Aragorn, der nickte.

„Ich denke schon, es scheint dringend zu sein, so wie Elrond es sagt... Gondor darf nicht fallen, sonst ist der Krieg gegen Sauron verloren", sagte Aragorn.

„Aber kannst du reiten?", fragte Legolas und musterte seinen Geliebten, sich weiter an dem Elben festhielt und versuchte, sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen.

„Es ist in Ordnung, denke ich... Es wäre jedenfalls besser als zu laufen", gab der Waldläufer zurück. Er stützte sich immer stärker auf die Schulter des Elben, denn seine Beine fühlten sich an, als könnten sie jeden Moment nachgeben.

„Du hast Schmerzen. Wir werden nicht reiten, ehe ich deine Wunden behandelt habe", sagte der Elb. Aragorn wollte erst gegensteuern, aber nickte dann leicht. Er wusste, dass streiten hier keinen Zweck hätte, denn seine Verletzungen schmerzten wirklich stark.

„Gut, dann gehen wir zum Raum mit den Heilmitteln. Es ist nicht weit", fügte Legolas hinzu und stützte den Waldläufer so gut er konnte.

Endlich kamen sie an der Tür an. Im Zimmer ließ sich Aragorn sofort erschöpft auf einen Stuhl fallen. Jedes Mal, wenn sich sein Brustkorb für einen Atemzug hob, durchzog ein Schauer von Schmerz seinen ganzen Körper, Legolas blickte weiter besorgt auf ihn und holte sich einige Sachen aus dem Regal.

„Es wird besser, wenn ich es behandle. Ich habe zwar nicht deine Heilerhände, aber ich werde mein Bestes versuchen", sagte er und nahm Aragorns Hand.

Dieser nickte wieder leicht. „Du hast sehr gute Heilerhände, meleth nîn (meine Liebe), das hast du schon bewiesen", gab er zurück und lächelte sanft, doch das Lächeln wurde schnell zu einer Grimasse, als ein neuer Schmerzensschauer durch seinen Körper zog.

„Du musst dein Hemd ausziehen", sagte der Elb. Aragorn zog es sich vorsichtig über den Kopf und legte es auf den Boden.

Bei dem Anblick musste Legolas dagegen kämpfen, dass ihm keine Tränen aus den Augen quollen. Mit geschocktem Blick schaute er auf den verletzten Oberkörper von Aragorn, auf dessen Rücken waren neben den alten blauen Flecken vom Sturz einige neue dazugekommen, doch am schlimmsten war der Bauch und die Brust. Ein tiefvioletter großer Bluterguss bedeckte Aragorns Bauch. Drumherum waren noch weitere Wunden, Kratzer, von denen einige offensichtlich wieder aufgeplatzt waren, die deshalb wieder bluteten, weitere blaue Flecken und ein leichter Schnitt am Hals. Zusätzlich schienen einige Rippen angebrochen zu sein.

„Was hat er dir angetan...", hauchte Legolas mit Entsetzen in der Stimme und ließ seine Finger in federleichter Berührung über die schlimmsten Stellen gleiten, um zu sehen, wie groß die Schmerzen des Mannes dort waren. Der Waldläufer biss seine Zähne zusammen und stieß ein zitterndes Zischen aus, als der Elb den schlimmsten Punkt berührte.

Legolas' Wut auf seinen Vater war noch mehr gewachsen. Er sah Aragorn dasitzen, völlig verletzt, und er hatte gelitten und der Schmerz war ihm eindeutig anzusehen. Seine Augen waren leicht trüb, sein Blick leer und das Gesicht vor Qual verzogen. Es fiel ihm schon schwer seinen Kopf lang aufrechtzuhalten, weshalb er ihn nach hinten an die Stuhllehne fallen ließ. Sein Brustkorb hob sich in kurzen schnellen Atemzügen, doch nach wie vor hatte er das Gefühl, er würde keinen Sauerstoff bekommen. Der Elb musste sich bemühen bei diesem Anblick nicht zu weinen, denn er musste die Wunden behandeln. Er atmete einmal tief durch und ging dann zu einem Regal, um weitere Utensilien zu holen.

Zuerst nahm er ein Tuch und reinigte alles sanft. Der Waldläufer zuckte bei jeder Berührung zusammen und bis die Zähne aufeinander, um nicht aufzuschreien. Der Elb schaute immer wieder auf, nur um erneut in das schmerzverzerrte Gesicht zu blicken.

Emel nîn | Aralas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt