Aller Anfang ist schwer *5*

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Als das Essen auf dem Tisch stand, merkte Alany, wie hungrig sie war. Wie durch ein Wunder hatte es keine Probleme bei der Suche nach einer geeigneten Soße gegeben, sodass Vater und Tochter ihre erste selbst gekochte Mahlzeit im neuen Zuhause in vollen Zügen genießen konnten.

„Wenigstens musstest du deine Schule nicht wechseln, Lenny", begann Jamie, nachdem sie zu Ende gegessen hatten.

„Ich wäre sehr traurig, wenn ich St. Mary's verlassen müsste", entgegnete Alany, bevor sie ihr dreckiges Geschirr aufhob und in die Küche brachte. Sie hing an ihrer Schule. Die St. Mary's School war ein wichtiger Bezugspunkt in ihrem Leben geworden, weil ihre beste Freundin Tiana sowie Mariah und Alex ebenfalls dorthin gingen. Zudem ging es dort oft drunter und drüber, denn eine Schule voller Musterschüler war St. Mary's nicht, obwohl es sich um eine katholische Privatschule handelte. Auch wenn die Schule auf Außenstehende einen strengen Eindruck machte, so war sie dank seiner Klassenclowns und Schlitzöhrinnen ein lebendiger Ort. In einer Schuluniform zu stecken hieß schließlich nicht, dass man immer lieb und nett dem Unterricht folgte.

Alany hoffte sehr, dass am ersten Schultag nach den Ferien ein paar neue Gesichter auftauchen würden, die Schwung in die Bude brachten. Außerdem betete sie dafür, dass die Knallköpfe, die vor der Eingangstreppe herumlungerten, um mit flachen Sprüchen Mädchen aufzureißen, ihr den Start ins neue Schuljahr nicht verderben würden. Hoffentlich hatten sich diese Idioten das Bein gebrochen oder steckten wegen eines Tropensturms noch auf den Malediven fest.

„Ich schätze, Mariah bekommt einen Anfall, wenn die Schule wieder losgeht!", rief Jamie Alany aus dem Wohnzimmer zu. „Wie viele Stunden hat sie letztes Jahr vor dem ersten Unterrichtstag im Bad verbracht? Fünfundzwanzig?"

„Ich glaube, es waren bloß siebzehn!", rief Alany zurück und verfrachtete ihr Geschirr in die Spülmaschine.

„Ich hoffe, sie sieht eines Tages ein, dass sie mit ihrem Pudergesicht nie einen Typen anziehen wird, der es ernst mit ihr meint!", fügte Jamie spöttisch hinzu.

In der Küche verzog Alany das Gesicht zu einer Grimasse. Die Aussage ihres Vaters wirkte ironisch, denn Onkel Richard hatte ihr erzählt, dass Jamie in seiner Jugend einer jener Typen gewesen war, die aufgetakelten Mädchen hinterhergejagt waren. Laut Richard hatte sein kleiner Bruder haufenweise Mädchen umgarnt, während er, der ältere Bruder, darauf hatte achten müssen, dass Jamie nicht zu weit ging.

Onkel Richard hatte ganze zehn Jahre mehr auf dem Buckel als Jamie, weshalb er von seinen überforderten Eltern stets in die Verantwortung genommen worden war. Auch wenn er das nie gewollt hatte, wie er des Öfteren beteuerte.

Lediglich zu der Zeit, in der Mariah geboren worden war, hatte Onkel Richard laut eigener Aussage seine ‚Pflichten' als ‚Anstandsdame' seines kleinen Bruders vernachlässigt. „Und da unsere Eltern mit der Erziehung von wilden Jungs nicht klar kamen, hat eins zum anderen geführt...", hatte er Alany einmal erklärt, ohne ein Grinsen unterdrücken zu können. „Nach viel Gejammer und Empörung ist schließlich das Ergebnis namens Alany Aphrodite aus dem Ei geschlüpft und bildet seitdem den unangefochtenen Mittelpunkt in Jamies Leben. Die Details der Geschichte sollten dir bekannt sein..." Kein Wunder, dass Alany schmunzeln musste, wann immer Jamie Mariah oder sie vor Aufreißern warnte.

„Nanu, was ist denn das?", fragte sie verwundert, als sie aus der Küche ins Wohnzimmer zurückkehrte, denn auf dem Glastisch vor der Couch lag eine große Korkplatte. Doch die Platte war nicht die eigentliche Überraschung.

„Wow!" Alany riss die Augen so weit auf, dass eine besorgte Gluckenmutter sie sicherlich zum Augenarzt geschickt hätte, um ihre Dioptrien zu überprüfen. Die Fotos, die ebenfalls auf dem Tisch lagen, waren phänomenal.

Sparks/ Amby Awards Shortlist 2023Where stories live. Discover now