Milan *5*

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Wäre Alany eine Amazonin gewesen, wären in diesem Augenblick alle ihre Waffen und ihr Schutzpanzer- falls man so etwas im Regenwald trug- von Alany abgefallen wie welkes Laub.

„Das Bescheuerte am Verliebt sein", hatte Richard Alany einmal erklärt, als Alex stundenlang mit einem alten Klassenphoto auf der Couch gesessen war und kleine Herzchen um ein niedliches, sommersprossiges Mädchen gezeichnet hatte, „ist, dass man sich nicht dagegen wehren kann. Man kann es versuchen, aber Widerstand zu leisten würde zum gleichen Ergebnis führen wie Napoleons Schlacht bei Waterloo."

Für einen Augenblick schien die Zeit still zu stehen und Alany lauschte ihrem klopfendem Herzen. „Ich hätte nie gedacht, dass Verliebte sich wirklich so dämlich verhalten wie in den kitschigsten Liebesfilmen!", dachte sie. Auf einmal sah Milan in ihre Richtung, woraufhin sie schnell den Kopf abwand. Alany wollte auf keinen Fall, dass er das Gefühl hatte, sie beobachte ihn.

Zu ihrer Erleichterung bog in diesem Augenblick der Krankenwagen in die Straße ein und zog die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Unter dem aufgeregten Geschnatter von Sarah und Blairs Sticheleien gegen den foulenden Stürmer der Ladybirds wurde Greg von zwei kräftigen Sanitätern auf eine Trage gehievt und in den Krankenwagen verfrachtet.

Gerade als Alany sich fragte, wo ihr Vater war, tauchte er plötzlich neben ihr auf. Er klang gestresst. „Lenny, ich werde Greg ins Krankenhaus begleiten. Blair wird dich nach Hause bringen und ich werd so bald wie möglich nachkommen. Bis dann, mein Schatz." Anschließend küsste Jamie sie auf die Stirn und umarmte sie fest, bevor er zu seinem besten Freund in den Krankenwagen stieg.

Greg richtete sich ein wenig auf und winkte Alany mit schmerzverzerrtem Gesicht zu, bevor einer der Sanitäter die Türen schloss. Das Schmerzmittel schien zu wirken.

Besorgt sah Alany dem abfahrenden Krankenwagen nach, konnte jedoch nicht verhindern, dass sich ein anderer Gedanke in ihren Kopf schlich. Warum hatte Jamie sie vor allen anderen so sehr geknuddelt? Immerhin war sie kein Baby mehr. Wollte er den Jungen- im Klartext hieß das, Constantin, Matt und Milan- zeigen, dass sie sein kleines Mädchen und deshalb tabu war? Nein, das hatte er sicher nicht beabsichtigt. Oder doch? Falls ja, war Jamies Befürchtung nicht ganz unbegründet, denn Matt und Constantin, die sich im Hintergrund gehalten hatten, steuerten nun auf sie zu.

„Alany, richtig?", fragte Matt mit einem breiten Grinsen und schüttelte ihr die Hand. „Nett dich kennenzulernen, auch wenn es mir unter anderen Umständen lieber gewesen wäre. Wenn du erlaubst: Ich bin Matt und das hier"- er verwies mit einer übertriebenen Handbewegung auf Constantin- „ist Constantinus, der große Admiral!"

„Mein Großvater arbeitet im Museum als Archivar", erklärte Constantin sichtlich verlegen seinen Spitznamen und reichte Alany die Hand. 

„Und natürlich darf unser Lebensretter Milan nicht fehlen!", beendete Matt die Vorstellungsrunde und winkte seinen Freund, der zögernd ein Stück entfernt stand, zu ihnen heran. „Unser Chefarztsöhnchen!" Dabei haute Matt Milan lachend auf den Rücken. „Auf geht's Constantinus, wir haben der Dusche einen Besuch abzustatten! Die Lady hier fühlt sich von unserem Gestank wahrscheinlich bereits belästigt!" Matt zwinkerte Alany schelmisch zu, bevor er Constantin mit sich fortzog. 

„Hi, ich bin Milan", wandte der hübsche Junge sich nun an Alany und seine ruhige Stimme zog sie abermals in ihren Bann. Dann reichte Alany ihm die Hand und er drückte sie kräftig, zog sie aber schnell wieder zurück. Alanys Haut kribbelte an der Stelle, an der Milan sie berührt hatte, doch seine Zurückhaltung dämpfte ihre Euphorie. Entweder interessierte er sich nicht für sie oder er war der Typ Mensch, der länger brauchte, um sich neuen Leuten gegenüber zu öffnen.

„Es war nett, dich kennenzulernen!", fügte Milan plötzlich abweisend klingend hinzu und sah an Alany vorbei. Als Alany sich umdrehte, erblickte sie Paul Simmons, der im Marschschritt auf sie zulief.

„Schlechtes Spiel. Mein Stürmer hat es übertrieben, aber euer Gartenzwerg ist auch nicht mehr das, was er mal war. KO in der ersten Runde, ganz schwach!" Alany war nicht überrascht, dass der Trainer der Ladybirds nur Hohn und Spott für ihren verletzten Freund übrig hatte. Paul Simmons würde sich wohl nie ändern. 

Alany spürte ein Feuer in sich auflodern. Ihre Augen verengten sich und sie ballte wie automatisch kurz die Fäuste. Sollte sie sich gehen lassen, um diesem Idioten einen Denkzettel zu verpassen? Im letzten Moment beschloss Alany, sich zu beruhigen und tatsächlich hatte sie sich innerhalb eines Sekundenbruchteils wieder unter Kontrolle. 

„Eigentlich hätte Paul eine kräftige Abreibung verdient!", dachte Alany sich, während sie spürte, dass sich ihr Körper langsam entspannte. Anstatt handgreiflich zu werden, warf sie dem Trainer der Ladybirds einen vernichtenden Blick zu, doch das schien ihn nicht im Geringsten zu beeindrucken. Allerdings existierte Paul Simmons für Alany im nächsten Moment nicht mehr, denn ihr fiel auf, dass Milan verschwunden war. Suchend blickte sie sich um, doch von dem hübschen Jungen fehlte jede Spur.

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