Die Sache mit dem Alkohol *5*

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Mariah schien Alanys Anwesenheit zu bemerken, denn sie drehte sich grummelnd zur Seite. 

„Hallo! Wie geht es dir?" Alanys Kehle fühlte sich an wie ausgetrocknet. Keine Antwort. Alany ließ die Schultern hängen. Anscheinend wollte Mariah nicht mit ihr reden. Unwillkürlich wanderten Alanys Gedanken zu den Film- und Tratschabenden mit der alten Mariah zurück und sie hätte am liebsten geweint. 

„Als Paps und ich noch bei Onkel Richard gewohnt haben, hat Mariah mich nie wie Luft behandelt", dachte Alany und überlegte, ob sie Mariah an den Schultern rütteln sollte. Was war bloß aus den vielen Stunden, an denen Mariah und sie gemeinsam auf dem Plüschsofa in ihrem Zimmer gesessen und über Gott und die Welt gesprochen hatten, geworden? Alany vermisste die Mariah, die zwar des Öfteren zickig und hochnäsig gewesen war, jedoch stets ein offenes Ohr für ihre Probleme gehabt hatte. Natürlich konnte sie mit ihrem Vater reden, doch er ersetzte Mariah nicht. Mit Jamie würde man nie so schön über Tianas Schwärmerei für Ben Kaulitz klatschen können. Außerdem würden ihn keine zehn Pferde dazu bringen, die neue Nagellack- Sommerkollektion auszutesten.

Alany fragte sich, ob Mariah sich schon verändert hatte, bevor sie mit Jamie ausgezogen war. Was war mit ihrer Cousine in den letzten Sommerferien passiert? Alany hatte zwar mitbekommen, dass Mariah sich häufiger mit ihren Eltern gestritten hatte, doch sie war zu sehr mit dem Umzug beschäftigt gewesen, als sich Gedanken über Mariah zu machen.

Was war bloß passiert? Und trug sie eine Mitschuld, dass Mariah nun hier lag, weil ihr nichts aufgefallen war?

„Verpiss dich!" 

Alany hatte es gewagt, Mariah die Hand auf die Schulter zu legen, doch nun schreckte sie zurück. Langsam trat sie ein paar Schritte vom Bett ihrer Cousine zurück. „Ich bin's, Alany", flüsterte sie.

„Geh weg", keifte Mariah abermals und klang dabei um keinen Deut freundlicher. 

„Hör mal, ich..."

„Wenn meine Eltern dich geschickt haben, kannst du gleich wieder abziehen, Verräterin!", erboste Mariah sich und riss sich die Decke vom Kopf. 

Alany erschrak heftig, als sie das Gesicht ihrer Cousine erblickte. Mariahs Augen blitzten sie wütend an und schienen giftige Pfeile, die direkt ins Herz trafen, nach ihr zu schießen. Auch das freundliche Lächeln ihrer Cousine war verschwunden. Stattdessen blickte Alany in ein erschöpftes und verquollenes Gesicht. Mariah sah nicht mehr hübsch aus- sie glich einer Furie. Oder einem Vampir, denn ihre Augen versprühten etwas Dämonisches. 

 „Nein, nein... Mich hat niemand geschickt." Alany stotterte vor Aufregung, denn sie hatte Mariah noch nie so wütend erlebt. 

„Auch gut. Zieh trotzdem Leine. Auf Kindergartenkinder hab' ich grad keinen Bock", erwiderte Mariah und ließ sich mit einem Plumps zurück in ihr Kissen fallen. Immerhin klang sie nicht mehr aggressiv, sondern müde.

Alany wollte etwas entgegnen, doch jemand fasste sie von hinten sanft an den Schultern und bugsierte sie aus dem Zimmer hinaus. Da Mariah ihr ohnehin den Rücken zugewandt hatte, leistete Alany keinen Widerstand.

Milan schloss Mariahs Zimmertür leise und bedeutete Alany, ihm zu folgen. „Tut mir leid", sagte er, als sie sich wieder im Treppenhaus befanden- in einer so sanften Tonlage, dass Alanys Herz wild zu klopfen anfing.

Sparks/ Amby Awards Shortlist 2023Where stories live. Discover now