Milan *4*

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Es war Alany gleichgültig, ob sie als Zuschauerin die Befugnis hatte, den Platz zu betreten oder nicht. Greg gehörte für sie zur Familie und falls jemand versuchen sollte, sie von ihm fernzuhalten, würde sie demjenigen gehörig den Marsch blasen.

Angekommen beugte Alany sich besorgt zu Greg hinunter. Sein schmerzverzerrtes Gesicht versetzte ihr einen heftigen Stich in die Brust. 

„Ich bin schockiert, wie rücksichtslos Sie sich in einem Kreisliga-Spiel verhalten!", hörte sie den Schiedsrichter zu dem Stürmer der Ladybirds sagen, doch seine Stimme schien von weit her zu kommen. Gregs heftiges Schnaufen ließ Schweißtropfen an Alanys Stirn hinunterlaufen. 

Plötzlich hörte Alany, die Blairs Hand hielt, das Geräusch sich nähernder Schritte und hob den Kopf. Ein Junge eilte auf den Verletzten zu.

Plötzlich schien Gregs Stöhnen Meilen entfernt zu sein und sämtliche Lions und Ladybirds Spieler waren für Alany unsichtbar. Ihre Gehirnzellen schienen sich nach und nach abzuschalten, denn sie war nicht mehr imstande, klar zu denken. Sie wusste weder warum sie mit besorgtem Gesicht neben Greg kniete, noch weshalb sie sich auf dem Heiligen Rasen befand, geschweige denn wieso sie dem Stürmer der Ladybirds am liebsten den Kopf abgerissen hätte. Stattdessen zogen die im sanften Wind flatternden rotgoldenen Haare des Jungen und sein hübsches Gesicht Alany in ihren Bann. Vor allem beeindruckte sie das Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte, obwohl er nicht viel älter als sie wirkte. Es war offensichtlich, dass er wusste, was er zu tun hatte.

Nachdem der Junge sich neben Greg gekniet hatte, tastete er dessen Oberkörper ab, wobei er beruhigend auf Greg einredete. „Hallo, ich arbeite beim Roten Kreuz und möchte Ihnen helfen. Tut es weh, wenn ich hier drücke?" Die sanfte Stimme des Jungen ließ Alany dahin schmelzen. Sie würde nie wieder über Mädchen lästern, die ihren Kopf aufgrund eines Typen verloren, denn sie verlor den ihren gerade in Rekordgeschwindigkeit.

„Au!" Greg schrie, als der Rotschopf vorsichtig die Rippengegend untersuchte.

„Ich weiß, was passiert ist!", sagte der hübsche Junge schließlich in ernstem Tonfall, während er seine Jacke auszog und unter Gregs Kopf schob. „Ach ja?", fragte Blair und starrte den Jungen prüfend an. Anscheinend zweifelte er aufgrund dessen jungen Alters an dessen Urteilungsvermögen.

„Ja", antwortete der Junge knapp und beförderte aus seiner Tasche ein Fläschchen, das wohl ein Schmerzmittel enthielt, zu Tage. „Sie haben sich einige Rippenbrüche zugezogen."

„Warum passiert das ausgerechnet mir!", jammerte Greg und versuchte sich zu drehen. Seinem Schrei nach zu schließen bestraften ihn seine Rippen augenblicklich mit höllischen Schmerzen.

„Was machen Sie da? Bleiben Sie ruhig liegen, sonst verschlimmert sich ihr Zustand!", schalt der Junge Greg und drückte ihn sanft zurück auf den Boden. „Am besten wir rufen einen Krankenwagen mit einem erfahreneren Kollegen, ich hab keinen Notfallrucksack dabei. Allerdings kann man bei Rippenbrüchen nicht viel machen. Hat jemand ein Handy mit geladenem Akku dabei?" Er blickte sich fragend um und sah Alany dabei zum ersten Mal direkt in die Augen.

Alany fühlte sich, als ob auf einmal alle ihre Wünsche in Erfüllung gingen. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihrem Körper aus und sie spürte ein Kribbeln im Bauch. Sie hielt unfreiwillig die Luft an. Der Junge war unbeschreiblich schön. Alles an ihm wirkte vollkommen und er hatte die strahlendsten grünen Augen, die Alany je gesehen hatte. Für einen Augenblick glaubte sie sogar zu sehen, wie er sie anlächelte.

Kurz darauf hatte der Junge jedoch wieder den ernsten ich-bin-im-Dienst Gesichtsausdruck aufgesetzt und wandte sich Jamie zu, als ob er fürchtete, Alanys Anblick könne ihn ablenken. Ihr Herz machte einen Hüpfer. 

„Haben Sie ein funktionierendes Handy, Sir?", fragte er höflich, worauf Jamie ihm seines überreichte. 

„Wem hat unser Greg nun eigentlich seine Rettung zu verdanken, junger Mann?", wollte Blair nun wissen.

„Tut mir leid, ich hab ganz vergessen, mich vorzustellen!", entschuldigte sich der Junge und warf Alany einen flüchtigen Blick zu. „Ich bin Milan Castle-Jones." 

„Castle-Jones." Blair pfiff leise durch die Zähne. „Bist du zufällig der Sohn von Attila Castle-Jones, dem Chefarzt im Krankenhaus?" 

„Genau", antwortete Milan knapp, da er bereits dabei war, einen Krankenwagen zu rufen.

Milan... Alany mochte den Namen sofort, unter anderem weil er mit M begann. Sie liebte alles, was ein M als Anfangsbuchstaben vorweisen konnte: Marmelade, Musik, Maulwürfe ... 

„Alany?" Jamie sah sie besorgt an. Anscheinend hatte sie verträumt in die Luft gestarrt.

„Alles in Ordnung, ich mache mir nur Sorgen um Greg und..." Alany vergaß, was sie sagen wollte, da sie spürte, dass Milan sie ansah. Meine Güte, wenn sie sich in seiner Gegenwart weiterhin dumm anstellte, würde er sie sicherlich in eine Schublade mit oberflächlichen Mädchen wie Mariah stecken.

„Der Krankenwagen kommt bestimmt gleich!", verkündete Jamie, der offensichtlich erraten hatte, was in Alany vorging, und nickte Blair kurz zu. Blair und Jamie schienen auf eine Weise zu kommunizieren, die Alany nicht verstand, denn plötzlich legte Blair seinen Arm um ihre Schulter und führte sie zum Spielfeldrand.

Als Alany sich umdrehte- was umständlich war, da Blairs Arm mit Nachdruck auf ihren Schultern lastete- beugte sich Milan abermals über Greg. 

„Soso, der junge Castle-Jones gefällt dir also?" Blair schmunzelte. „Kaum zu glauben, dass aus Jamies kleiner Tochter, die in der ersten Saison der Lions noch mit ihrer Puppe am Spielfeldrand saß, eine junge Dame geworden ist!", fügte er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht hinzu.

Hatte sie sich so auffällig verhalten, dass jeder ihr Interesse an Milan mitbekommen hatte? Ihr Vater, Blair, vielleicht sogar Milan selbst? Alany wurde rot. Sie betete dafür, dass nicht alle Freunde ihres Vaters nun mit dem oh-mein-Gott-wie-schnell-bist-du-erwachsen-geworden- Schwachsinn anfingen. 

„Keine Sorge, wir waren alle mal jung!", versuchte Blair Alanys verlegenes Schweigen zu brechen und sah zu Milan hinüber. „Dein Vater ist in deinem Alter in ganz andere Fettnäpfchen getreten, also hab keine Angst davor, Fehler zu machen." 

„Ich schätze, das ist der Vorteil, wenn man mit Jamie zusammenlebt!", antwortete Alany tonlos, während sie nochmals einen Blick auf Milan riskierte. Bei seinem Anblick rutschte ihr das Herz schon wieder in die Hose. Selbst wenn sie versuchen würde, sich gegen das, was gerade mit ihr passierte, zu wehren, es würde ihr nicht gelingen.

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