《2》

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Kania| 2

Sie hasste diesen Ort mit jeder Faser Ihres Körpers, aber das Schicksal hatte Sie nach Muya geführt und ihr Auftrag war unmissverständlich. Kania würde ihre persönlichen Vorlieben nicht über das Wohlergehen von Fredgar stellen, auch wenn irgendein zynischer Gott möglicherweise momentan über sie spottete.

Dieses Dorf und die Menschen hier ... es raubte Kania den letzten Nerv, jeden Abend nutzlose betrunkene Arbeiter zu bedienen, ihre gehässigen und anzüglichen Kommentare zu ertragen. Wenn es später wurde, musste sie gelegentliche Grabscher und zweitklassige Anmachen wegzuspielen, ohne mit der Faust zu antworten.
So hatte sie sich die letzten Wochen definitiv nicht vorgestellt, bevor sie nach Muya aufgebrochen war.
Die Schankfrau stieg die Treppen des Gasthauses herab, nachdem sie sich für ihre Abendschicht zurechtgemacht hatte. Ihr weißes Mieder war um den Oberkörper von braun-oliven Leder umhüllt, die Haare zum leicht über die Schultern reichenden Zopf geflochten. Sie würde so lange hierbleiben, wie es nötig war.

Die letzten Stunden brachten etwas Spannung in ihren Alltag. Zwei reisende Händler wurden eingehend geprüft. Sie unterhielt sich ausführlich mit ihnen. Ihre Geschichten untersuchte sie mit geschickten Rückfragen auf Plausibilität. Ihre Waren und Karren inspizierte Kania ebenfalls, um die Abnutzung zu untersuchen.

Sie kam zum Entschluss, dass die beiden kein Problem darstellten. Anders die zwei fredgarischen Lords.

Sie waren nicht sonderlich gesprächig, nachdem die Herrschaften kurz nach Aufbruch der Arbeiter in die Taverne kamen. Die Lords forderten Verpflegung für sich und ihre Pferde sowie einen Rastplatz. Kania war in der Lage, mit geschickten und unschuldigen Fragen, nebst koketten Flirtversuchen, zumindest ein paar Informationen aus ihnen rauszuholen.

Die Unterdrücker aus Pharos hätten wieder versucht, ihnen neue Regeln aufzuzwingen. Weniger Militär, höhere Abgaben ... aber durch seinen Mut und sein Verhandlungsgeschick war er in der Lage das Blatt zu wenden.

Hunde, die kläffen und sich aufplustern, beißen in der Regel nicht. Die Lords würden hier, soweit Kania dies beurteilen konnte, keine Probleme machen und schnell verschwinden. Sie entsann sich auf dem Weg zum Tresen kurz an ihre graue Labradorhündin Nina, die in der Hauptstadt zurückblieb. Die Gedanken an ihre geliebte Hündin verloren sich wieder, da Nikul durch die Tür kam. Die Lords wären ein Problem werden geworden, wenn Sie ihn gesehen und erkannt hätten. Den jungen Mann anzulügen, die beiden seien Mitglieder der Vra'Ghul ... Kania war sich nicht sicher, was sie da geritten hat, aber etwas Besseres, um Nikul aufzuschrecken und fernzuhalten, ist ihr nicht eingefallen.

Dieser Idiot war so selbstzerstörerisch, dass Kania sich nicht sicher war, ob er sich am Ende von den Lords ferngehalten oder in der Schänke betrunken hätte, um seine Sorgen über ihre Anwesenheit zu besänftigen. Nun, es hat funktioniert. Auch wenn das Aufschrecken wohl nur von kurzer Dauer war, da der junge Mann sich wie jeden Abend allein in die letzte Ecke der Schänke setzte und bei Anja einen Whiskey bestellte.

Verdammter nutzloser Mistkerl ... am Anfang war es ihr völlig egal, aber so langsam hatte sie das Gefühl, dass ihr Auftrag auf den Bastard aufzupassen daran scheitern würde, dass er sich selbst mehr schadete, als es jemand anderem möglich wäre. Auch wenn Kania definitiv nicht zur Seelenklempnerin ausgebildet war, gab es eine Idee, ihn wieder etwas aus diesem Loch rauszuholen. Falls es zur Folge hat, ihr unscheinbares Verhalten zum Teil aufzugeben, sollte es halt so sein. Sie fasste den Entschluss und grummelte zu Anja

»Ich brauche mal einen Tapetenwechsel, lass mich bitte heute bedienen, ja?«

Zum Glück kam kein Widerspruch. Im Gegenteil. Anja lächelte kurz und schien dankbar, sich nicht mit den ungehobelten und angetrunkenen Arbeitern rumschlagen zu müssen.

Auf Kanias Lippen machte sich ein fieses Grinsen breit, als sie zwei Gläser mit Whiskey einschenkte, zu Nikul schlenderte und auf der Bank gegenüber von ihm Platz nahm. Sein Trinkglas glitt elegant über den glatten Kieferntisch zu ihm hinüber und der Blick des zwischenzeitlich frisch gewaschenen jungen Mannes war eine Mischung aus Verwirrung und Entsetzen.

»Ich rieche dich nicht mehr durch das halbe Dorf, da nahm ich an, wir haben etwas zum Anstoßen?«

Die smaragdgrünen Augen der Schankfrau musterten ihn eindringlich und ein freches Grinsen forderte den Möchtegern Holzfäller heraus. Nikul versuchte seine Überraschung unter Kontrolle zu bekommen. Er sah dabei aus wie eine Kuh, wenn's donnert. Mit einer Hand am Glas antwortete er zaghaft:

»Ich muss gestehen, das Festmahl, das ich dir heute Mittag versprochen habe, ist leider angebrannt und wird nichts mehr.«

Eine normale Antwort, fast schon humorvoll. Gut!

Vielleicht würde das ganze leichter werden, als gedacht. Sie ließ ein leises Lachen ab und lugte ihn freundlich an. Die Instinkte der schönen Frau verrieten ihr, dass einige der anderen Arbeiter in der Schänke die beiden anstarrten. Manche wollten endlich bestellen oder bedient werden. Die meisten fragten sich aber eher, warum zum Teufel sie mit einem Getränk bei dem isolierten Spinner saß und sich mit ihm unterhielt.

»Nikul... da du jetzt schon fast aussiehst, wie ein edler Lord, habe ich mir überlegt, du könntest einer Lady in Not helfen.« Ihre Hand glitt zum Glas und sie nahm einen kräftigen Schluck vom Fusel, den der Wirt mit fragwürdigen Methoden im Keller herstellte »Morgen muss ich mit Karren und Pferd Richtung Varis, um mich in der Mitte mit unserem Lieferanten zu treffen. Vorräte für die Schänke. Ich könnte ein paar kräftige Arme brauchen, die mir helfen.«

Nikuls Gesichtsausdruck nach zu urteilen, suchte er mit aller Kraft einen Vorwand, um sich aus der Geschichte rauszuziehen. Kania ergänzte schnell mit einem Zwinkern:

»Keine Sorge, ich passe auf und beschütze dich, wenn uns Banditen überfallen. Du musst nur tragen!«

Er grübelte etwas über die Bitte und nahm selbst einen großen Schluck aus seinem Glas, ohne das Gesicht zu verziehen. Schließlich antwortete Nikul nachdenklich:

»Warum sollte ich meine einzigen zwei freien Tage diese Woche mit Arbeit verbringen?«

Dass der faule Mistkerl versuchte, sich aus der Geschichte rauszuziehen, überraschte Kania nicht. Sie würde so lange mit Argumenten auf ihn einschlagen, bis er die bedingungslose Kapitulation einreichte.

»Weil ich dich brauche. Die anderen Leute hier... ich vertraue ihnen nicht. Du bist der Einzige, der heruntergekommen und zurückgezogen genug ist, um mich nicht anzugraben. Der Wirt lässt mich das immer allein erledigen. Komm schon... könntest du es verantworten, wenn mir Banditen auf dem Weg auflauern und die Kehle durchschneiden? Oder viel schlimmer ... die Gerste für den Whiskey hier nie ankommt? «

Der zynische Kommentar ließ Nikul herzhaft lachen und sein langes Haar flog bei der ruckartigen Bewegung seines Kopfes hin und her. Sie hatte ihn zuvor nie Lachen gehört und er schien kurz davor zu sein zuzustimmen, also legte Kania zum finalen Todesstoß an:

»Außerdem würde ich so einem edlen Lord, der mir in der Not hilft, auch für die nächsten Wochen Rabatte auf die vorzüglichen Produkte dieses Hauses anbieten. Aber das muss unter uns bleiben!« Beim Aussprechen des Angebots lehnte sie sich verschwörerisch nach vorne und fing an, etwas leiser zu sprechen.

Ein prüfender Blick gab zu erkennen, dass viele Kunden des Lokals genervt waren. Anja schüttelte den Kopf in Kanias Richtung, während sie versuchte, selbst einzelne Bestellungen aufzugeben und gleichzeitig die Theke zu besetzen.

»Morgen bei Sonnenaufgang vor der Schenke, nüchtern und erfrischt!«

Ohne auf eine Antwort zu warten, stand die schwarzhaarige Bedienung auf und fing an, sich ums Geschäft zu kümmern. Einige Männer runzelten die Stirn und sahen Nikul fragend an. Letzterer trank nur noch sein Glas aus und verließ wortlos die Schenke.

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWhere stories live. Discover now