《5》

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Nikul

Die Sonne ging unter und färbte die Kronen der Bäume des Walston Forest in einem Orangeton. Es gab kaum Wolken über dem Himmel und sie waren gezwungen, aufgrund der Erschöpfung des Pferdes zwei Mal Pause zu machen, mussten laut Kania aber noch gut in der Zeit liegen. Während beide stumm voraus Schritten und der vom gebrechlichen Gaul gezogene Karren hinterher rollte, kreisten seine Gedanken um die Vergangenheit. Seine Zeit im Schloss von Haynes, der Hauptstadt des Königreichs Fredgar. Die Ausbildung, die er genossen hat. Seine Eltern, die er nie kennenlernte. Seine Flucht. Die Schrecken, welche ihm aufgebürdet wurden. Sein Lehrmeister. Oh Godryn ... bis vor 2 Monaten hatte er den alten Magier noch verehrt. Eine Mischung aus Kummer, Zorn und Vermissen machte sich in ihm breit und ließ das Herz schwerer schlagen.

Kania hatte zwischenzeitlich bereits mindestens die Hälfte ihrer Vorräte verschlungen, was ihn aber nicht weiter kümmerte. Etwas Brot mit Käse hatte zu Mittag gereicht, um den aufkommenden Hunger zu stillen. Echten Appetit hatte er nach dem Gespräch und den Gedanken, die durch seinen Kopf kreisten, sowieso nicht. Die beiden gingen dem Sonnenuntergang entgegen und Nikul versuchte etwas mehr über sie zu erfahren. Immerhin war er einfach mitgegangen. Hatte seine Deckung vernachlässigt. Sie könnte sonst wer sein, war selbst erst kurz nach ihm im Dorf aufgetaucht. Er unterdrückte die leicht aufkeimende Panik und fragte freundlich, aber mit einem nachdenklichen Unterton. »Was treibt jemanden wie dich eigentlich nach Muya? Eine Familie scheinst du hier nicht zu haben?«, nach einer kurzen Pause ergänzte er ihren Blick erwidernd »Und wo kommst du überhaupt her?« Sie musterte ihn eine Zeit lang und wirkte nachdenklich, die smaragdgrünen Augen trafen seine und durchbohrten ihn, aber er hielt ihrem Blick stand »Na los, ich weiß fast gar nichts über dich. Du könntest mich zu einem Sklavenhändler bringen und verkaufen. Oder ich ende in einem Lebkuchenhaus fernab des Waldes als Hexenfutter.«
Ihre Züge entspannten sich und ein herzhaftes Lachen mit leicht zurückgelegtem Kopf ließ ein paar der Vögel in den Baumkronen um sie herum zwitschern und losfliegen. »Du würdest einen perfekten Sklaven abgeben. Hart arbeiten. Mit etwas Alkohol und billigem Fraß zufrieden zu stellen. Danke für die Idee, vielleicht ist das mein Weg raus aus Muya!« Kanias rechte Handfläche glitt langsam über ihren Bauch und machte kreisende Bewegungen »Was das Hexenfutter angeht, wärst du aber eine schlechte Mahlzeit. Ich mag nur fröhliche, unschuldige und bestens gefütterte Opfer. Ein Miesepeter wie du würde mir sicher Verdauungsprobleme bereiten.«

Nikul schaute die freche junge Frau weiter fordernd an, den Kern seiner Frage hatte sie noch nicht beantwortet »Ich komme aus Varis. Mein Ehemann starb vor einem Jahr und hat mir nicht viel hinterlassen. Schulden und andere Probleme führten dazu, dass ich unser Haus aufgeben musste. In Muya habe ich eine günstige Möglichkeit gefunden, mir über mein weiteres Leben Gedanken zu machen, ohne von jemandem abhängig zu sein.« Die Geschichte schien plausibel und ihre Worte sowie der Gesichtsausdruck machten Nikul nicht misstrauisch. Irgendwas tief in ihm sagte dem untergetauchte Holzfäller aber, dass es sich nicht um die vollständige Geschichte handelte. Oder Ihre Vergangenheit gar nicht der Wahrheit entsprach. Er beendete das Gespräch mit einem flauen Gefühl in der Magengrube.

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWhere stories live. Discover now