《 20.1 》

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 《 Kania | 20.1  》

Die nächsten Stunden verliefen ausnahmsweise ohne weitere Vorfälle. Kania blieb wachsam und hielt, trotz Müdigkeit und Erschöpfung, alle Sinne geschärft. Arya sprach, sich auf dem Pferd an Kanias Rücken klammernd, den Rest der Reise nicht. Die Vra'Ghul erinnerte sich kaum an ihre Eltern und war, nachdem sie verschwanden, zu jung, um darunter zu leiden. Sie konnte sich nur grob vorstellen, was Arya durchmachte. Damit mussten sie sich jedoch später beschäftigen. Vorerst war ihre wichtigste Aufgabe, wohlbehalten in Varis anzukommen.

Am Abend schlug die Gruppe fernab der Hauptstraße zu Stadt ein Lager auf und verzichtete zur Sicherheit auf ein wärmendes Feuer. Weiterhin ohne angemessene Reiseausstattung hielten sie sich mit überschüssiger Kleidung und ein paar Laken, die Nikul aus dem überfallenen Dorf mitnahm, warm. Ein Abhang bot ihnen Schutz vor den Windböen von Westen und sie überstanden die Nacht frierend und hungrig.

Am nächsten Tag machte sich die Gruppe so früh wie möglich wieder auf den Weg. Kania genoss nach der kalten Nacht die Hitze der Sonne auf ihrer Haut, nachdem der Walston Forest schon seit einigen Kilometern hinter ihnen lag. Um sie herum erstreckten sich weite Felder, Wiesen und Äcker. Das Land in dieser Gegend war besonders fruchtbar. Sie kamen an Dutzenden weitflächigen Weizen- und Gerstenfeldern in der Blüte ihres Lebens vorbeikamen. Immer wieder passierten sie Hirten mit Schafen, Kühen, Ziegen und anderem Nutzvieh. Die Tiere grasten friedlich auf Wiesen und gaben typische Geräusche von sich. Es wirkte für Kania viel zu idyllisch.

Schlussendlich überquerten sie einen vergleichsweise hohen Hügel im flachen Areal und die junge Frau erblickte Varis. Hinter der Stadt prangten die Black Mountains, die legendären Berge. Man erzählte sich in Fredgar, dass vor tausend Jahren eine große Schlacht in dieser Gegend tobte und Vodrug die Berge mit einem Meer aus brennender Dunkelheit überzogen. So erklärt man sich die dunkle, grafit- und teils obsidianfarben legierte Oberfläche der einprägsamen Bergkette. Varis selbst bestand aus einer sich den Berg lang ziehenden Festung mit Dutzenden Wachtürmen und zwei Verteidigungsringen. Vor der Burg erstreckte sich eine Kleinstadt, die wiederum von Stadtmauern umgeben war und somit eine dritte Verteidigungslinie bildete. Die alten Gemäuer der Stadt waren jedoch weder so massiv wie die der Burg, noch sahen sie bei näherer Betrachtung gut gewartet aus. Selbst aus der Ferne erblickte Kania das kleine Dorf auf der anderen Flussseite gegenüber der Stadt, welches ebenfalls zu Varis gehörte. Es war ein Vorort, in dem vor allem Bauern und Tagelöhner wohnten, während in der Stadt selbst eher Händler und Meisterbetriebe ihrem Tagesgeschäft nachgingen. Siedlung und Stadt waren über den Fluss mit einer Steinbrücke verbunden. Kania erinnerte sich, dass die Brücke vom Großvater Lord Belltons gebaut wurde und nach ihm benannt war. Sie scheiterte daran sich den Namen ins Gedächtnis zu rufen.

Die Stadt schien geschäftigen Treiben verfallen zu sein. Eine Schlange rappelvoll beladene Pferdekarren durchquerten das Haupttor in beide Richtungen. Ein Zirkus schlug unweit des Tors ebenfalls sein Lager auf, um für Unterhaltung innerhalb von Varis zu sorgen. Beim Vorbeigehen erblickte Kania Gaukler die Messer warfen und mit brennenden Fackeln jonglieren. Offenbar übten sie für Auftritte. Umso näher die drei der Stadt kamen, desto lauter wurde es.

Sie hatte sich mit Nikul abgestimmt, dass die beiden offiziell Bruder und Schwester waren. Arya war ihre jüngere Schwester. Sie sind aus dem Walston Forest nach Varis geflohen, weil ein Reisender berichtete, dass Soldaten aus Pharos die Dörfer schikanierten. Eine plausible Geschichte, die kaum zu überprüfen war und zu wenig Detailfragen führen sollte. Zumindest keine Fragen, die sie mit den verschwundenen Soldaten in Verbindung brachte. Die Gruppe einigte sich darauf, dass Kania das Reden übernahm.

Am Tor angekommen, fanden sie eine ganze Staffel an Wachen vor. Mindestens zwanzig, eher mehr. Der Lord schien die Sicherheit deutlich erhöht zu haben. Die Männer trugen Rüstungen aus Stahl. Keine Farben, keine Verzierungen. Viele waren mit Hellebarden bewaffnet, bei manchen baumelte auch ein Schwert am Waffenrock. Einer der Männer unterhielt sich mit seinem Kameraden. Der auf seinen Rücken geschnallte Schild zeigte das Wappen der Familie Bellton. Es stellte einen schwarzen Raben auf einem Berg dar.

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt