《 27.2 》

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Nikul | 27

 Eine halbe Stunde später saß er an einen Stuhl gefesselt in einem Arbeitszimmer der Burg von Varis. Ein kleiner, dicklicher Mann mit überschaubarer Kopfbehaarung stand ihm gegenüber.

»Wie geht es ihr? Konnten die Heiler sie retten? Bitte sagt etwas!« Nikuls Stimme klang gebrochen und flehentlich.

»Ich stelle hier die Fragen.« Der Ton von Lord Bellton klang herrisch und tief. Zwei Wachen am Eingang des Raums passten auf. Zwischen Bellton und Nikul befand sich ein mächtiger Holzschreibtisch mit Schriftrollen, Federn und Tinte darauf. Der ganze Boden wurde von einem roten beigen Teppich bedeckt. Ein Kaminfeuer spendete ihnen wärme und erleuchtete die hohen Bücherregale an den Wänden.

»Ich habe zwei Bedingungen. Ilias Alderon hat jemanden entführt, der mir sehr am Herzen liegt. Sie befindet sich in seinem Weingut südlich von Varis. Befreit sie bevor ihr etwas geschieht. «

Die Stimme des Lords erhob sich »Du hast keine Forderungen zu stellen!«

»Meine zweite Bedingung ist, dass ihr alles Erdenkliche tut, um meine Freundin die sich bereits in eurer Obhut befindet zu retten. «

Der Lord von Varis war im Begriff, die Wachen auf Nikul zu hetzen, um ihm Respekt einzuflößen.

»Wenn ihr meinen Forderungen nachkommt, erzähle ich euch, wie der König von Fredgar euch in den Rücken fallen möchte, was Pharos größte Schwachstelle ist und das größte Geheimnis dieses Kontinents.«

Lord Bellton schien anzubeißen. Er hielt inne und musterte Nikul eindringlich.

»Und warum sollte ich dir glauben oder dir vertrauen?«

»Also ... «, der Gefangene erklärte seinem Gegenüber, wie er Ilias geheimes Arbeitszimmer und die darin befindlichen Dokumente fand. Lord Bellton nickte emotionslos.

»Rohan, stell zwei Truppen auf und mach dich umgehend auf den Weg um das Anwesen meines Halbbruders zu durchsuchen. Die zweite Truppe soll zu diesem Weingut. Berichtet mir unverzüglich.« Belltons Tonfall ließ keinen Raum für Rückfragen. Die zweite Wache wurde ebenfalls mit einem Fingerzeig weggeschickt.

Nikul sackte erleichtert zusammen. Eine Last fiel von seiner Schulter. »Was ist mir meiner Gefährtin?«

»Wir tuen bereits was wir können, um sie zu retten. Was auch immer geschehen ist. Ich erwarte, jedes Detail zu erfahren. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so übel mitgenommen wurde.«, er zögerte etwas und erkannte Nikuls besorgten Blick. »Und trotzdem noch lebt. Sie hatte unheimliches Glück, dass ich zwei Heilerinnen des Ordens der Magier mit den Soldaten zu den Quellen geschickt habe. Die Berichte der Geflüchteten waren verstörend. Wir haben uns auf das schlimmste eingestellt.«

Nun fiel endgültig jede Last von Nikuls Schultern und Glücksgefühle, die er so noch nie erlebte, breiteten sich in ihm aus. »Ich danke euch mein Lord ... ihr wisst nicht, wie viel mir das bedeutet.«

Der kleine Mann erhob sich vom Stuhl und schritt um den Arbeitstisch. Das Kaminfeuer erleuchtete sein Antlitz und er stand Nikul genau gegenüber.

»Jetzt lieferst du. Oder meine Hilfsbereitschaft lässt drastisch nach.«

Also lieferte er. Der Junge erzählte ohne Rücksicht auf die Konsequenzen ihre ganze Geschichte. Seine Existenz als Vodrug, die Flucht aus Muya, die Informationen vom Belauschen in der heißen Quelle. Er zögerte etwas, ergänzte dann aber fast jedes Detail des grausamen Kampfes in der Herrenumkleide. Lord Belltons Loyalität galt eindeutig der Freiheit Fredgars und dem Wohlergehen seiner Bewohner. Zumindest soweit Nikul es bisher beurteilte. Er legte alle Karten auf den Tisch und übergab sich der Gnade seines Gegenübers. Lord Bellton hörte aufmerksam zu und unterbrach Nikul nicht. Nachdem ihm immer klar wurde, dass der Vodrug sich so eine Geschichte nicht ausdenken konnte und Ilias ihn verraten hat, sah er zu Boden. Wut und Besorgnis mischten sich in die Gesichtszüge des Lords.

»Bei Dhagaris und Ruris. Ich werde eure Geschichte überprüfen. Wenn sie sich bestätigt, seid ihr der Schlüssel zur Befreiung Fredgars und habt mit den Informationen jetzt schon meine Armee gerettet. Ihr seid mein Ehrengast und wir werden zusammen arbeiten. Anders als der König werde ich euch zu nichts zwingen.« Lord Belltons Stimme war zur Abwechslung sanft und gütig. Er schien beim grübeln über die Geschichte immer enthusiastischer und hoffnungsvoller zu werden. Die letzten Worte klangen erneut unbarmherzig:

»Sollte es sich natürlich herausstellen, dass ihr mich hier auf den Arm nehmt, sehen wir uns in einem anderen Ambiente wieder.«

»Alles, was ich euch berichtet habe, wird sich als wahr herausstellen. Durchsucht das Anwesen und ihr findet die Beweise. Weitere beweise Befinden sich in Vrinsis Villa. Arya und Kania werden meine Geschichte bezeugen.«

»Zeigt mir eure Vodrug Kräfte.«

Nikul lachte, erleichtert jemand gefunden zu haben, der ihnen half:

»Das würde euren Tod bedeuten. Wie ich schon sagte, kann ich sie nicht kontrollieren. Noch nicht.«

Lord Bellton nickte. »Den Schilderungen über das Innenleben der Herrenumkleide zufolge, glaube ich euch vorerst.«

Das noch nicht klang in Nikuls Gedanken wieder. In der Umkleide war er auf irgendeine Weise in der Lage gewesen von Kania abzulassen und seine Gabe zurückzurufen. Ganz ohne den Ring. Vielleicht ist das der erste Schritt zur Kontrolle.

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt