《 21 》

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 《 Viktor | 21 》

Der alte Mann trug eine graue Robe und ritt seit zwei Tagen am Stück mit brutaler Geschwindigkeit in den Süden. Er gewährte seinem Pferd keine Pause. Er aß nicht. Er trank nicht. Das Einzige, was er tat, war von den Sümpfen aus nach Süden preschen. Dort befanden sich eine Frostlandschaft und die Burg Irebur. In Fredgar galt sie als uneinnehmbare Festung. Das Biom um sie herum und die Berge machten es einer Armee fast unmöglich, sie zu belagern. Brutale Kälte ließ Seen gefrieren und den Boden unbewirtbar. Die Burg wurde zu einer Zeit gebaut, als die Erde fruchtbar und das Land lebenswert war. Mittlerweile hielten hier nur hart gesottene Veteranen und Straftäter die Stellung. Die Burg hatte nichts zu bieten, doch aus strategischen Gründen wurde sie weiterhin vom König mit Männern versorgt.

Viktor interessierte sich jedoch nicht für Irebur. Generell interessierte sich der Mensch für gar nichts mehr. Seit er in der Gruft mit dem Altar interagierte, war er nicht mehr in der Lage seinen Körper zu steuern. Sah nur hinter einem dunklen Schleier zu, was jemand anderes mit ihm tat. Viktor hatte tief im Inneren noch einen Geist. Er verstand, was um ihn herum passierte. Noch viel schlimmer: Er nahm wahr, wer ihn steuerte und sah zum Teil hinter die Kulisse der verschmolzenen Psychen. Die Schrecken, die sich ihm zeigten, zersetzen seine Seele jeden Tag ein Stückchen mehr. Der brutale Ritt forderte bereits zwei Pferdeleben. Beide wurden durch Diebstahl ersetzt. Viktor erinnerte sich schemenhaft, wie einer der Reisenden, die ihm entgegenkamen, sich wehrte. Er wollte sein Pferd nicht hergeben. Viktors Körper schien alt und gebrechlich, doch das Wesen, das ihn steuerte, war es nicht. Ein schneller Hieb mit einem Stab beendete das Leben des Reisenden und sein Pferd gehorchte, ohne zu zögern.

Viktors Seele versuchte, aus dem Gefängnis auszubrechen. Hinter den dunklen Schleier zu sehen. Die Kontrolle zurückzuerlangen. Doch tief im Inneren erkannte er schon längst, dass Widerstand aussichtslos war. Viktor fing beim Durchqueren der Frostlandschaft an, sich zu verbinden, anstatt dagegen anzukämpfen. Er warf einen tieferen Blick hinter die Kulisse.

Das nächste Pferd gab nur wenige Kilometer nach Betreten der Eislandschaft den Geist auf. Der alte Mann wäre unter normalen Umständen umgehend erfroren. Besessen von der fremden Macht stapfte er stattdessen, ohne zu frieren, und bar jeder Form der Erschöpfung auf die Bergkette hinter Irebur zu. In seinem Verstand begann er langsam Stimmen zu vernehmen. Gespräche mitzubekommen. Gedanken aufzuschnappen.

Einen halben Tag Fußmarsch durch Schnee, gefrorene Seen, verdorrte Baumstämme und rutschige Steigungen später kam der Mann, den man einst Viktor nannte, am Berg an. Er fing zielstrebig an zu klettern, enge Gebirgshänge, bei denen jedem Normalsterblichen sofort das Herz vor Angst in die Hose gerutscht wäre, entlang zu wandern und sich durch schmale Engen zu zwängen.

Das Wesen in ihm fing an, sich auf etwas zu freuen. Es kam seinem Ziel näher. Viktor nahm es wahr. Sie waren nah. Sehr nah... sein Verstand stockte kurz und die Erinnerung setzte aus. Er konnte nicht mehr durch den Schleier sehen.

Dann das nächste Bild. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Viktor befand sich in einer Art Höhle. Fackeln mit schwarzem Feuer überall. Ein Altar, ähnlich wie in der Gruft, nur größer und direkt in der Mitte. Götzenbilder von den vier Göttern des Kontinents, Gold, Bücher, Kisten, Juwelen und Waffen lagen über dem Boden verstreut. Skelette von Menschen und ... Dinge, die sicherlich keine Menschen waren, verteilten sich über die ganze Höhle. Vor vielen Jahren war dieser Ort vielleicht mal ein Tempel.

Wieder setzte Viktors Sicht aus, einzelne Szenen schossen durch seinen Kopf. Er suchte etwas. Er fand einen Dolch, mit einem in den Griff eingelassenen obsidianfarbenen Diamanten. Das nächste Bild: Der alte Mann schlitzte sich vor dem Altar den Arm auf. Der schwarze Edelstein fing an zu glühen. Blut floss in die Schüssel. Der Berg bebte. Viktor spürte unerschöpfbare Macht in sich aufkommen und verschwand vollständig.

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt