《9》

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《 Kania | 9 》

»Wer bist du?« Nikul sah sie eindringlich an, musterte jeden Zentimeter ihres Körpers. Seine anfängliche Erleichterung über die unverhoffte Rettung hatte sich schnell in eine Mischung aus Furcht und Misstrauen verwandelt.

»Wer bist du und was bist du?«, brüllte er Kania schon fast an. Retrospektiv betrachtet war es nun definitiv ein Fehler hier zu sein. Ihn zu dieser Reise animiert zu haben. Das Auftauchen der Wölfe konnte sie aber unter keinen Umständen vorhersehen ... bei den Göttern Kania zitterte selbst noch.

Ihr Körper bebte im Nachgang, die Situation reflektierend leicht. Das Lied anzustimmen ... Es war nur eine Idee. Auch wenn ihr einziger Strohhalm sich selbst und Nikul zu retten tatsächlich funktioniert hatte. Sie war sich auf keinen Fall sicher, dass das Lied die Wölfe besänftigen würde. Es gab in der Vergangenheit wenig Spielraum, um so ein Szenario zu verproben.

Verdammt noch einmal ... Hydri Wölfe ... Sie wurden seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.

Vielleicht hing es auch damit zusammen, dass die meisten, die ihnen begegnet waren, zweifelsfrei als Ausscheidung im Boden des Waldes endeten.

Kania schwieg und ihr Kopf ratterte. Wie kann ich das nur sinnvoll erklären?

Jede Geschichte, die ihr in den Sinn kam, erschien völlig lächerlich und war selbst für ein Kleinkind problemlos als Lüge zu durchschauen. Die Wahrheit war jedoch auch keine Option. Weiterhin zu schweigen, würde seinem Gesichtsausdruck und der angespannten Körperhaltung nach zu urteilen wohl nur eine Eskalationsspirale in Gang setzen. Kania verzichtete auf neckische Witze und Humor. Sie sah dem verwirrten Mann direkt in die Augen. Furcht loderte im Saphirblau und er hielt dem Blick stand.

Die besten Lügen haben einen wahren Kern...

»Beruhig dich ... Ich bin selbst am Ende. Ich verstehe, dass du eine Erklärung möchtest. Als ich noch sehr jung war, quasi ein Kind, war ich mit meiner Mutter in diesem Wald. Wir sammelten Kräuter für unseren kranken Vater. Es ist nicht das erste Mal, dass ich einen Hydri Wolf gesehen habe. Damals erschien uns einer. Meine Mutter sang dieses Lied, was manchmal auch mein Gute Nacht Lied war. Der Wolf verschwand. Ich dachte immer, es war nur ein Traum.«

Kania hielt inne und ließ die Worte sacken, sammelte sich noch ein letztes Mal, um ihre Geschichte zu vollenden. »Ich wusste nicht, was ich tue oder ob es funktionieren wird ... Es war eine Verzweiflungstat. Was auch immer mich geritten hat, es rettete uns den Hintern. Verdammt ich habe uns gerade vor den gefährlichsten Bestien des Kontinents gerettet und du schreist mich an?«

Angriff ist die beste Verteidigung und es schien zu funktionieren. Zweifel und Scham blitzten in ihm auf. Kania lächelte innerlich etwas, unterdrückte es aber tunlichst, dies zur Schau zu stellen und gab sich versöhnlich.

»Wir sind gerade beide knapp mit dem Leben davongekommen und entsprechend aufgeregt«

Nikuls Anspannung lockerte sich etwas auf, er hakte jedoch zu Kanias Frust noch einmal nach:

»Diese Melodie ... dieses Lied. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gehört. Wer war deine Mutter, dass sie dir so etwas als Gute Nacht Lied vorsang?«

Improvisieren ... Ich muss irgendwie improvisieren.

»Meine Mutter war eine Heilerin. Ich weiß nicht, woher sie das Lied kannte, werde sie jedoch das nächste Mal, wenn ich bei ihr bin, fragen...«

Nikul schien sich vorerst zufrieden zu geben und nahm wieder am Feuer Platz. »Dann belassen wir es erst einmal dabei. Ich schätze, wir können jetzt nur noch schlafen. Falls die Wölfe sich umentscheiden und zurückkommen, kriegen wir vielleicht wenigstens nichts davon mit.«

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWhere stories live. Discover now