《 28 》

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Jomar | 28

»Mhh, königlich!« Ein in stinkenden und verdreckten Lumpen gekleideter schwarzhaariger Mann saß neben Jomar und verspeiste Brot mit Schinken. Envys Bart war mit Essensresten übersäht und sah widerlich aus. Der Mann wusch und rasierte sich seit Wochen nicht. Wie jeder Gefangene im tiefen Verlies von Haynes. Jomar überließ seinem Zellennachbarn immer die für den Prinzen gedachten Mahlzeiten. Er gab sich größte Mühe unter den Mördern, Vergewaltigern und Dieben des Reiches nicht als verwöhnter Prinz durchzugehen. Die Wachen behandelten Jomar deutlich besser, als sein Vater es anordnete. Er vermutete, dass sie beim zukünftigen König nicht in Ungnade fallen wollten. Der Thronfolger saß auf einem Stuhl und ließ seinen Blick gelangweilt durch das Verlies schweifen. Versuchte, das widerwärtige Schmatzen des Zellengenossen zu ignorieren. Der Boden und die Wände bestanden aus kalten, abgenutzten und dunklen Ziegeln. Manche Teile der Gemäuer waren abgekratzt. Vermutlich verzweifelte Gefangene die wie wahnsinnig mit ihren Fingernägeln daran kratzten. Licht spendeten ausschließlich zwei Fackeln am Ende des Gangs. Es gab keine Fenster und somit keinerlei natürliche Lichtquelle.

Der junge Prinz saß mittlerweile seit fast drei Wochen mit zwanzig weiteren Gefangenen in diesem Trakt. Einige teilten sich Zellen für zwei Personen, die waren in Viererzellen untergebracht. Mit jedem Tag stiegen Verzweiflung und Selbstverachtung in Jomar an. Die anfängliche Wut auf seinen Vater und Gleichgültigkeit über die Strafe wich schnell der Reue bezüglich seines eigenen Verhaltens. Hätte er sich im Zaum gehalten und sein Temperament kontrolliert. Wäre er nur ein paar Tage später erneut auf seinen Vater zugegangen und hätte unter vier Augen versucht auf ihn einzureden. Es gäbe sicherlich einen Weg, ihn umzustimmen. Doch nun saß er hier und war nutzlos. Konnte keinen Einfluss nehmen.

»Was guckstn so drein?« Envy stellte seinen Teller beiseite und spielte im Bart herum.

»Ich grübel.«

»Über wasn? Befehl den Wachen lieber uns rauszuholen. Kannst mich gleich mitnehmen. Würde einen guten Leibwächter abgeben.«

Jomar drehte sich um und musterte seinen Sitznachbarn, ohne eine Gefühlsregung zu zeigen. »So leicht geht das nicht. Befehl des Königs. Aber wenn ich hier raus komme, bist du mein Mann.«

Vor ihm stand eine Schüssel mit abgelaufenem Griesbrei, der für seinen Zellennachbarn bestimmt war. Jomars Appetit hielt sich in Grenzen, doch er begann das Zeug aus der Holzschüssel mit seinen Händen runterzuwürgen. Besteck stand ihnen nicht zur Verfügung. Zu gefährlich und laut den Wachen absolute Luxusartikel.

Am Ende des Gangs saßen zwei alte Soldaten und spielten auf einem maroden Holztisch Karten. Die Fackeln hinter ihnen gaben nur noch schwaches Licht. Es war still. Die Schritte auf der Treppe waren entsprechend unverkennbar zu hören. Ein einzelner junger Mann mit dunkler Rüstung betrat den Trakt. Da er hier noch nie Wache hielt und für so einen Posten zu adrett ausgestattet war, fiel er Jomar sofort ins Auge. Bei genauerer Betrachtung erkannten die Adleraugen des Prinzen das Abzeichen eines Leutnants. Ungewöhnlich. Die blonden Haare waren kurz geschnitten und seine eisblauen Augen wirkten aufgeweckt.

»Männer, ich übernehme die Wache.«

»Sind sie sicher, Leutnant?«

Der Ton des Soldaten duldete keine Widerrede »Ich habe Ärger mit meiner Frau und suche Ruhe. Macht Feierabend.«

Die zwei alten Verlieswächter ließen sich das nicht mehrmals sagen und verschwanden in kürzester Zeit, um den Rest des Abends zu genießen.

Der Leutnant schlenderte den Gefängnistrakt entlang und musterte jede Zelle einzeln. Er sah den Gefangenen in ihre Gesichter und durchbohrte sie förmlich mit seinem Blick. Ein muskulöser und oberkörperfreier Bär von einem Mann stand auf, sprang an die Gitter und rüttelte wild daran.

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt