《 33 》

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 《 Kania | 33 》

Es klopfte einige Stunden später vorsichtig an der Tür ihres Gästezimmers. Ein grüner Teppich sowie Bilder mit abstrakter Kunst gewährten dem Zimmer eine gewisse Gemütlichkeit. Das hochwertige Bett mit Holzgestell und weißen Bezügen war über die letzten Tage äußerst kuschelig und half Kania bei ihrer Genesung. Sie saß zurückgelehnt und mit den Beinen auf einem Arbeitstisch in einem schwarzen Sessel. Ihr Blick richtete sich durch ein offenes Fenster auf den jeden Tag voller werdenden Mond. Bald hätten sie wieder Vollmond. Ihre Gedanken kreisten um das, was Vrinsi ihnen an diesem Abend offenbarte. Sie fand keinen Schlaf und versuchte es nicht einmal. Das Klopfen an der Tür ging völlig an ihr vorbei, bis es erneut erklang und Nikuls Stimme zu hören war.

»Können wir reden?«, die dicke Tür dämpfte seine flüsternde Stimme so weit, dass sie ihn kaum noch hörte. Kania verstand jedoch und erlaubte ihm einzutreten.

Die Tür ging vorsichtig auf und Nikul betrat den Raum schweigend. Sein Blick schweifte umher und er versuchte, die richtigen Worte zu finden. Sie zeigte auf ein Sofa an der Seite des Arbeitstisches und bot ihm an sich zu setzen, wendete ihr smaragdgrünen Augen allerdings nicht vom Nachthimmel ab.

Nikul setzte sich und versuchte, ein Gespräch zu beginnen.

»Ich würde gerne wissen, was dir durch den Kopf geht. Vrinsi verlangt, dass wir morgen aufbrechen und Lord Bellton scheint geneigt, ihm zu vertrauen.« Der Vodrug gab ihr eine Gelegenheit einzuhaken, fuhr jedoch, da Kania ihm eine Antwort schuldig blieb, selbst fort.

»Ich habe die Bücher, von denen er sprach, in seinem Anwesen gefunden. Sie scheinen wirklich hilfreich zu sein. Du hättest das Geheimversteck sehen müssen. Es war...« Er merkte, dass ihr Gespräch so nirgendwo hinführte, und brach ab. Kania hatte ihn, seit er den Raum betrat, noch nicht einmal angesehen.

»Weißt du, wir müssen das alles nicht machen. Wir können auch gemeinsam mit Arya zur Piratenbucht abhauen und auf eine weit entfernte friedliche Insel übersegeln.«

Sie betrachtete weiterhin den Mond, antwortete aber endlich mit gedämpften und bestimmten Tonfall: »Die Menschen in Fredgar brauchen dich. Auch wenn sie nicht von dir wissen, verlassen sie sich auf dich. Willst du sie ihm Stich lassen?«

»Nein, das will ich nicht. Aber ich brauche auch etwas ... ich brauche dich.«

Eine tiefe Melancholie erfasste sie und ihre Hände spielten an ihrem schwarzen Nachthemd herum. »Wir müssen ab jetzt getrennte Wege gehen. Vrinsi hat recht. Ich bin eine Gefahr für dich. Desto mehr ich über meine Vergangenheit nachdenke, umso mehr ergibt alles, was er sagt, Sinn. «

»Nein, auf keinen Fall. Ich habe keine Angst vor dir. Wir werden einen Ausweg finden.«

»Erinnerst du dich daran, was ich in Muya getan habe? Wie ich Anja getötet habe und Arya fast gefolgt ist? Du hast mich ein Monster genannt und du hattest recht. Du weißt nicht, was ich in der Vergangenheit in Farragans Namen getan habe. Wenn du es wüsstest, wärst du nicht hier.« Ihre Stimme klang monoton und abweisend. Eigentlich wollte Kania dieses Gespräch gar nicht führen, aber er musste verstehen, dass er ohne sie besser dran war.

»Wenn Vrinsi recht hat, hast du nichts davon getan. Ich glaube, du bist ein guter Mensch, der ihm zum Opfer gefallen ist. Arya konntest du verschonen. Vielleicht ist der Blutbund nicht so stark wie Vrinsi behauptet.«

»Ich war nur in der Lage sie in Ruhe lassen, weil ich mir zurechtgelegt habe, dass dies im Einklang mit meinem Befehl stand. Ich habe ihm nicht zuwider gehandelt. Er lautete dich beschützen und Unheil von dir abwenden. Arya zu verschonen war einfach nur eine makabere Kalkulation, dass es schwerer wird, den Auftrag zu erfüllen, wenn du mich verabscheust.« Kania sammelte ihren Mut und sah ihm in die saphirblauen Augen, um seine Reaktion abzuwarten.

»Das zeigt doch nur, dass du sie verschonen wolltest und soweit es möglich war, gegen den Befehl angekämpft hast. Du hättest auch den brutalen Weg beschreiten können.« Er stand auf und ging langsam auf sie zu. Seine Worte hallten im Raum nach.

»Ich habe keine Angst vor dir. Wir halten uns von Farragan fern, holen den Vodrug aus Alabastar und ich lerne, meine Gabe zu kontrollieren.« Er stand mittlerweile vor ihr und ging in die Hocke. Sein Atem wirbelte stoßweise kondensierte Luft auf. Kalte Windböen erfrischten durch das offene Fenster in regelmäßigen Abständen den Raum. Seine Hand legte sich behutsam auf ihre, Kania hörte auf am Nachtkleid rumzuspielen. »Gemeinsam.«, beendete er seine Ansprache. Sie zuckte zusammen.

»Und was dann? Irgendwann treffen wir ihn. Dann benutzt er mich, um dich zu manipulieren, oder was auch immer er mit dir vorhat und wenn er keine Verwendung mehr für mich hat...«, sie schluckte und sah ihm tief in die Augen. Es gab wenige Dinge, vor denen sie sich wirklich fürchtete. »... dann löscht er meine Seele aus, um Salrin zu unterwerfen.«

»Das werde ich nicht zulassen. Wenn er dir etwas antun möchte, beschütze ich dich. Wenn es nötig ist, töte ich ihn.«

»Und wer beschützt dich?«

»Na du natürlich. Wer sonst? Hab vertrauen.«

»Du hast dich verändert Nikul.« Sie erkannte den depressiven Trinker aus Muya nicht wieder. Schon seit langem.

»Nein. Du hast mich verändert.«

Er beugte sich vor, überwand den Abstand zwischen ihnen und legte seine Lippen auf ihre. Zuerst überrumpelt und zögernd, umschlangen ihre Arme dann doch seine Schultern und zogen ihn näher heran. Kania erwiderte den Kuss leidenschaftlich und vergas ihre Sorgen für diesen einen Augenblick. Ihr Herz, das selbst in den brenzligsten Kampfsituationen ruhig wie ein langsamer Walzer tanzte, fing an zu pulsieren.

Sie lösten sich voneinander und öffneten ihre Augen. Starrten sich wortlos an. Kanias stand mit ihm auf. Ihre Hand fuhr über sein Gesicht, streifte den kratzigen Bart und hielt am Hinterkopf inne. Sie zog ihn wieder an sich und küsste ihn, wollte nicht, dass es aufhört. Nikul folgte ihrer Hand, ohne zu zögern, und umschlang mit einer Hand ihre Hüfte um sie näher zu sich zu ziehen, während seine andere sich um ihre Haare am Hinterkopf legte.

»Ich werde dich nicht verlieren.«, seine Stimme klang aufgeregt und es fühlte sich wie ein Versprechen an.

»Morgen machen wir uns auf den Weg und retten die Welt. Heute hältst du mich einfach nur fest.«

Kania wendete sich von ihm ab, pustete auf dem zum Bett eine Kerze aus und legte sich mit dem Rücken zu ihm unter die Decke. Nikul folgte ihr, schmiegte seine Brust an ihren Rücken und legte seine Arme um sie. Seine Wärme gab ihr Sicherheit und ausnahmsweise ließ Kania den Moment der Schwäche zu und genoss es, jemanden zu haben, der auf sie aufpasst. Morgen würde sie wieder damit drohen, ihm im Schlaf die Kehle durchzuschneiden. Heute schliefen sie gemeinsam und ineinander verschlungen ein.

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt