《16》

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Nikul | 16

Vorsichtig und wachsam ritt er die weiße Stute langsam zurück. Arya überredete ihn erfolgreich. Er würde versuchen, Kania zu helfen und sie zu befreien. Zumindest falls die mysteriöse junge Frau noch am Leben war. Seine saphirblauen Augen huschten, jederzeit einen Angriff erwartend, durch die Büsche und Bäume des Walston Forest. Die Stelle, an der er entlang trabte, wurde von dichten Baumkronen überwuchert. Es war fast unmöglich, etwas zu erkennen. Das Mondlicht kam nur punktuell durch. Die Dunkelheit bot ihm Schutz, für den Nikul dankbar war.

Sein Körper war von den letzten Stunden ausgelaugt und der Stress mehrerer Kämpfe, bei denen er nur knapp dem Tod entkam, ließ ihn träge werden. Doch er hatte noch eine letzte Aufgabe, bevor sie flüchten und sich in Sicherheit bringen konnten. Sein schwarzer Ring war mittlerweile wieder am Ringfinger. Ein pharosianisches Kurzschwert baumelte von seinem Gürtel. Um den Rücken geschnallt trug er einen von seinen Opfern geplünderten Bogen und Köcher. Die Soldaten waren in der Überzahl und seine Kräfte schienen Nikul verlassen zu haben. Gerade wenn ich sie einmal brauche...

Plötzlich durchbrachen Schmerzensschreie die Stille des Waldes. Wo vorher nur minimales Geraschel von Kleintier und Vögeln zu hören war, vernahm Nikul jetzt Kanias Schreie. Sie kamen aus der Richtung, in der sie sich verloren hatten. Sein Magen drehte sich bei dem Geräusch, das mit den Schreien verbunden war, um. Nachdem er der Stute die Sporen gab, um näher an den Ort des Geschehens zu gelangen und etwa hundert Meter entfernt abstieg, um sich vorsichtig auszuschleichen, stieg Wut in ihm auf.

Er war nah genug dran, um das Zischen einer Peitsche zu hören und dicht darauffolgend wieder einen vernichtenden Schmerzensschrei zu vernehmen. Kanias Schmerzen hallten im Walston Forest nach. Wut, Hass und Selbstverachtung breiteten sich in Nikul aus.

Ich wollte sie zurücklassen und ihnen zum Fraß vorwerfen. Die quälenden Gedanken schob er beiseite. Beide hatten nur eine Chance, wenn er bei der Rettung keinen einzigen Fehler beging. Mit behutsamen Schritten, die ihm in Anbetracht der Tatsache, dass sie gefoltert wurde, unheimlich schwerfielen, näherte sich Nikul dem Geschehen.

Seine Füße schritten langsam voran und er achtete ausschließlich auf den Boden. Ein zertretener Ast oder aufgewirbeltes Laub würden den Vodrug verraten und ihr Schicksal besiegeln. Das Überraschungsmoment ist meine einzige Chance.

Wenige Augenblicke später kam er endlich am Ort des Geschehens an und warf hinter einem dichten Gebüsch versteckt einen Blick zu Kania und ihren Folterern. Zwei Soldaten standen bei ihr, einer drehte die junge Frau in diesem Moment um. Zwei weitete, waren weiter entfernt und verarzteten einen verwundeten Kameraden. Ihm fehlte bei näherer Betrachtung eine Hand. Genaueres Hinhören ließ Nikul Gewinsel und Gefluche vernehmen. Alle Feinde waren immer noch in ihren Rüstungen, manche trugen Helme. Der Vodrug hat in der Vergangenheit Bogenschießen gelernt und sogar Talent dafür bewiesen. Aber bei diesen Sichtverhältnissen eine verwundbare Stelle der Rüstung oder gar direkt den Hals zu treffen ... es wäre ohne Übung und mit nur einer einzigen Gelegenheit pures Glücksspiel.

Ich könnte vielleicht einige ablenken und weglocken. Wenn ich sie abgeschüttelt bekomme, könnte ich wiederkommen und mich um den Rest kümmern.

Szenarien, die gefesselte und wehrlose Kania zu retten, spielten sich in seinem Kopf ab. Sein warmer Atem ließ kleine Dunstwölkchen aufsteigen. Nikul fiel einfach kein realistischer Plan ein, es allein mit allen Soldaten aus Pharos aufzunehmen. Nichtsdestotrotz zog er schon mal den geplünderten Bogen und bereitete sich auf einen Schuss vor. Das Überraschungsmoment war Nikuls einziger Vorteil. Gerade als der unerfahrene Vodrug ansetzte, um einen ihrer Peiniger auszuschalten, verstand Nikul, was sie vorhatten. Kania wurde mit einer Flüssigkeit übergossen und der vordere Pharosianer bereitete eine Fackel vor.

The Fredgar Chronicles: Rise of the VodrugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt