11. Kapitel - Das perfekte Leben

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„Und was ist mit Henry? Vermisst du ihn denn gar nicht?", fragte ich verwundert.

„Nein warum auch? Ich habe doch Jano. Außerdem hat mich Henry am Ende nicht mehr gut behandelt."

„Wie meinst du das? Was hat er gemacht?"

„Ach ist nicht so wichtig", entgegnete sie schnell.

„Und? Was hast du die letzten Tage so getrieben?" Auffällig versuchte Maliee vom Thema abzulenken. Aber so schnell gab ich nicht nach:

„Ne ne warte mal ne Sekunde. Ich hänge noch einen Gedankengang zurück. Wie hast du es geschafft, dass dir Henry so egal geworden ist? Wie machst du das, dass du ihn gar nicht mehr vermisst? Ihr wart doch so lange zusammen." Diese Fragen hatten sich tatsächlich als Erstes aufgedrängt und ich hoffte sie würde mir damit endlich mehr erzählen. Es war wirklich an der Zeit, dass sie mal Klartext sprach.

„Henry hat mich nicht gut behandelt, also habe ich ihn in die Wüste geschickt und mir was Besseres gesucht. So schwer ist das nicht." Was hatte sie? Was war nur los mit ihr? Ich weiß Maliee neigte dazu die Dinge ausschließlich positiv zu sehen und wenn ihr etwas widerfuhr, dass nicht gut war, dann zog sie sich zurück und wollte nicht darüber reden. Aber Henry? Über Henry musste sie reden und sie konnte mir nicht erzählen, dass sie ihn so einfach aus ihrem Leben gestrichen hatte. Er war doch einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben.

„Hm, ich weiß nicht. Sich einen neuen Typen zu suchen, kann doch nicht ernsthaft die Lösung sein", antwortete ich skeptisch und stand von meinem Bett auf, um unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Irgendetwas passte hier einfach nicht zusammen.

„Natürlich, ich bin der Beweis, dass das eine gute Lösung ist. So und jetzt sag mir endlich was du die letzten Tage gemacht hast." Ich konnte und wollte es einfach nicht glauben. Da hatten wir sechs Tage nicht miteinander gesprochen und schon hatte sie sich von Henry getrennt? Und nicht mal Liebeskummer deswegen? Schlimmer noch, sie hatte sich einfach einen neuen Typen gesucht. So, als hätte ihr Henry nie etwas bedeutet. Das konnte ich nicht einfach so hinnehmen, also redete ich noch eine sehr lange Zeit auf Maliee ein und ich versuchte vergebens herauszubekommen was zwischen ihr und Henry nur vorgefallen war. Aber Maliee hatte sich in den Kopf gesetzt, das für sich zu behalten und legte alles daran, mir nichts davon zu erzählen. Also gab ich es letztendlich doch auf, wieder einmal und stellte stattdessen etwas in den Fokus, das mich viel zu sehr beschäftigte:

„Wir haben jetzt fast eine ganze Woche nicht miteinander gesprochen. Hast du dich gar nicht gewundert warum ich nicht angerufen habe? Hast du dir keine Sorgen gemacht?" Mein Tonfall war vorwurfsvoll geworden, obwohl ich mich wirklich bemüht hatte, dieses Gefühl nicht an sie heran zutragen. Aber ich machte ihr Vorwürfe. Sie hätte sich melden müssen. Sie hätte sich Sorgen machen müssen. Das machten gute Freunde doch. Oder etwa nicht? Wahrscheinlich war sie mit ihrem Jano so beschäftigt gewesen, dass sie alles Andere vergessen hatte. Dazu kam noch, dass ich wütend auf sie war. Sie hatte sich immer für meine beste Freundin gehalten. Aber sie erzählte mir ja kaum noch was. Sie hatte mir mein Glück mit Jayden nicht gegönnt, sie machte sich keine Sorgen, wenn ich mich nicht meldete und sie wollte mir nicht erzählen was zwischen ihr und Henry passiert war. Leider klang das langsam nicht mehr so, als wären wir noch beste Freunde. Aber natürlich traute ich mich nicht das zu hinterfragen.

„Ja doch schon, aber ich war eben selbst beschäftigt." Das war nicht unbedingt die Antwort, die ich hatte hören wollen.

„Mit Jano?"

„Ja? Ist das etwa schlimm?", fragte sie, als sie meinen gereizten Unterton mitbekommen hatte. Ja, irgendwo war das schon schlimm. Klar, ich hatte es selbst nicht auf die Reihe bekommen sie anzurufen, aber ich hatte sie angerufen. Maliee hingegen war so abgelenkt gewesen, dass sie es womöglich einfach nur vergessen hatte. Und das traf mich tiefer, als es sollte. Ich hatte jeden Tag an sie gedacht, nur nicht die Kraft aufbringen können, sie anzurufen. Sie hatte in den sechs Tagen wahrscheinlich kein einziges Mal an mich gedacht.

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt