27. Kapitel - Geschichte

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„Meinst du wir hätten außerhalb... von all dem eine Chance gehabt?", fragte ich mich zittriger Stimme. Keine Ahnung was ich mir von dieser Frage erhoffte. Egal was seine Antwort darauf war, dass bedeutete keineswegs, dass wir auch eine Chance in der Realität hatten. Michelle hatte mir mehr als deutlich gemacht, dass ich Jayden aufgeben musste und trotzdem hatte ich diese Frage stellen müssen.

„Ja." Jayden hatte mit seiner Antwort keine Sekunde lang gezögert. Das bedeutete doch... ja das hieß er mochte mich wirklich oder? Mich? Mich als Person? Das hieß er hatte nicht alles vorgespielt? Das hieß irgendetwas von dem, was wir gehabt hatten, war doch echt gewesen? Ich war wie erstarrt und gleichzeitig vor Endorphinen ganz aufgedreht. Noch bevor ich zum Antworten ansetzen konnte, riss mich ein lauter Schlag aus meinen Träumereien. Wie aus Reflex war ich aufgesprungen und stand nun mit weit aufgerissenen Augen vor Jayden. Jemand hatte ein Fenster laut zugeschlagen. So laut wie es gescheppert hatte, musste es ganz nah von uns gewesen sein. Perplex starrte ich Jayden an. Was machte ich hier überhaupt? Der Fensterknall war nötig gewesen, damit ich wieder klar denken konnte. Worauf hatte ich mich hier fast eingelassen? Ich musste weg von hier. Jetzt! Bevor ich noch etwas wirklich wirklich dummes machen würde.

„Ähm, ich muss los. Man sieht sich." Hoffentlich nie wieder. Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, eilte ich los. Ich sprintete die Treppen wieder nach oben, durchquerte die langen, einsamen Gänge und kam schließlich bei meinem Zimmer an. Dort suchte ich leise meine Sachen zusammen und verschwand dann, einen Gang weiter, im Gemeinschaftsbadezimmer. Hektisch wusch ich mir das Gesicht, putzte die Zähne, zog mich um und ging zur Toilette. Ich wollte so schnell wie möglich wieder im Zimmer sein und in meinem Bett liegen. Nicht das Jayden mir im Gang auflauern und mich wie auch immer er das machte, doch um den Finger wickeln würde. Aber ich hatte Glück und lief ihm nicht mehr über den Weg.

Als ich mein Licht ausmachte, merkte ich, dass ich immer noch nicht müde war. Beziehungsweise müde war ich mittlerweile schon, nur war ich jetzt wieder so aufgekratzt, dass ich nicht einschlafen konnte. Wie hatte es überhaupt soweit kommen können? Im ersten Moment hatte ich ihn angeschrien und im nächsten Moment hätten wir uns fast geküsst? Warum war das überhaupt passiert? Hätte Jayden das Ganze nicht schon längst abhaken müssen? Sein Auftrag war doch erfüllt. Warum... warum hatten wir uns dann beinahe geküsst? Empfand er doch etwas für mich? Aber das wäre nicht gut. Das wäre ganz und gar nicht gut. Ich will das alles nicht... also doch, natürlich will ich das. Aber ich will das nicht wollen. Ich will das nicht mehr fühlen. Ahh das ist zum verrückt werden. Warum konnte sich etwas so gut anfühlen, dass so schlecht für einen war? Das war nicht nur unfair, dass war so richtig scheiße. Wie sollte ich ihn denn jetzt jemals vergessen? Es war, als hätten wir uns neu kennengelernt, als hätten wir kurz vor unserem ersten Kuss gestanden. Ohne das Verarschen, den Verrat und den ganzen anderen Mist.

Ich stand wieder unter Strom und ich konnte nicht aufhören es zu genießen. Unaufhörlich ließ ich die schönen Erinnerungen an Jayden zu. Vielleicht war es ja doch nicht gespielt gewesen. Vielleicht war da doch etwas Echtes gewesen. Aber selbst wenn es so war, hieß das noch lange nicht, dass er mich glücklich machen würde, leider. Trotzdem musste ich unsere heutige Begegnung wieder und wieder durchgehen. Je öfter ich das Ganze durchspielte, desto amüsanter wurde es. Ich hatte ihn für gefährlich gehalten, er hatte mich aufgefangen, ich hatte ihn angeschrien, er hatte sich entschuldigt und dann waren wir uns näher gekommen.

Nach dieser Begegnung war abzusehen gewesen, dass ich die Nacht kaum schlafen würde. Ich war erst irgendwann gegen zwei Uhr eingeschlafen und eine Stunde später wieder aufgewacht, weil ich davon geträumt hatte, Jayden und ich würden uns küssen. Dass dieser Traum mich wieder daran gehindert hatte einzuschlafen, ist wohl selbsterklärend. Also stand ich heute Morgen mit so tiefen Augenringen auf, wie ich sie seit der letzten Party bei Frankie nicht mehr gehabt hatte. Mein Körper war ganz schwer, als ich mich kurz nach sieben aus dem Bett hievte. Ich fühlte mich wie erschlagen. Dabei hatte ich doch nur ein paar Stunden zu wenig geschlafen. Als ich dann langsam ins Badezimmer trottete, fiel mir auch noch auf, was für einen heftigen Muskelkater ich in meinen Beinen hatte. Am liebsten wäre ich einfach wieder umgedreht, hätte mich ins Bett gelegt und den lieben langen Tag von Jayden und mir fantasiert. Aber das konnte ich mir nicht erlauben... aus vielerlei Gründen.

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Where stories live. Discover now