70. Kapitel - Jayden 1

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Ich seufzte schwer. Sollte er doch selbst seinen Arsch her bewegen. Er hatte die Kartoffeln vergessen, dann sollte er sie auch holen. Aber nein, weil mein Vater schon wieder getrunken hatte und dann viel zu schnell aus der Haut fuhr, hatte ich mich auf den Weg gemacht, um die blöden Kartoffeln zu holen, nur damit er nicht wieder ausrastete. Dabei hatte ich bessere Dinge zu tun. Janine hatte mich um ein Gespräch gebeten. Sie hasste es, wenn ich Zeiten nicht einhielt. Der Abstecher zum Obstladen hatte mich jetzt schon 15 Minuten gekostet und der alte Mann, der vor mir an der Kasse stand, schien es darauf anlegen zu wollen, mich immer mehr unter Zeitdruck zu setzen. Er suchte jetzt schon fünf Minuten in seinem Portmonee nach dem passenden Kleingeld. Ich warf einen Blick auf die Uhr. In zehn Minuten erwartete mich Janine.

„Geht das auch schneller?", fragte ich genervt und warf der Frau hinter der Kasse einen ungeduldigen Blick zu.

„Immer mit der Ruhe junger Mann", antwortete der alte Mann und sah mich kopfschüttelnd an. Ich rollte die Augen und verkniff mir eine Antwort. Er sollte sich bloß auf seinen Einkauf konzentrieren. Schwer atmend sah ich aus dem Fenster. Ich runzelte die Stirn und fokussierte meinen Blick auf ein Mädchen, das in die Richtung des Ladens lief. Ein Lächeln legte sich in mein Gesicht. Sie war das Mädchen, das mein nächster Auftrag werden sollte. Janine hatte mir ein Foto von ihr gezeigt, das einer ihrer Leute gemacht hatte. Das Mädchen auf dem Foto und dieses Mädchen glichen sich zu 100 Prozent. Das außerplanmäßige Einkaufen sollte sich also doch noch bezahlt machen.

Als der alte Mann endlich seinen Einkauf bezahlt hatte, warf ich die Kartoffeln auf den Tisch und bezahlte schnell. Ich hatte im Gefühl, dass das Mädchen jeden Augenblick den Laden betreten würde. Im gleichen Moment, als der alte Mann den Laden verließ, sah ich im Augenwinkel, wie jemand den Laden betrat. Das braunlockige Mädchen von eben. Ich drehte mich ein kleines Stück zu ihr um und beobachtete sie. Sie kam nur langsam in meine Richtung, als sie dann aber kurz davor war sich hinter mich zu stellen, erkannte ich die Gelegenheit. Ich passte sie ab, machte einen Schritt nach hinten, als sie an mich heran trat und sorgte dafür, dass sie ungeschickt in mich reinlief.

„Kannst du nicht aufpassen?", zischte ich und drehte mich zu ihr nach hinten um, als hätte ich nicht eine Sekunde damit gerechnet, dass wir ineinander stoßen würden. Jetzt hatte ich eine Erklärung für Janine. Unsere kurze Berührung hatte ausgereicht, um meine Magie über sie zu legen.

„Sorry, war aus Versehen", murmelte sie leise und machte einen Schritt nach hinten. Sie sah mich erschrocken an. Gut so, sie sollte eingeschüchtert bleiben, dann könnte ich sie besser Kleinhalten. Ich sah an ihr herab und stellte fest, dass sie aussah, wie jedes andere Mädchen auch. Ihre braunen Locken hingen langweilig bis knapp über ihren Schultern und ihr Nasenring sah aus, als hätte sie vergebens versucht cooler und lässiger, als die anderen Mädchen zu sein. Die Sommersprossen in ihrem Gesicht waren fast ein wenig zu viel und unter den weiten Klamotten konnte man nicht erkennen, ob sie überhaupt so etwas wie eine Figur hatte.

Mein Blick blieb an ihrer Kleidung hängen. Sie hatte die Sachen nicht gewechselt. Auf ihrer Jeans und dem weißen Oberteil, das sie unter einer alt aussehenden, karierten, für sie viel zu weiten, Jacke trug, waren unzählige Schlammspritzer. Die hatte ich vorhin mit meinem Mottorad hinterlassen, als ich neben ihr durch eine Schlammpfütze gefahren war. Wo war sie die ganzen Stunden über gewesen? Hatte sie keine Zeit gehabt sich umzuziehen? Das Mädchen wurde rot, als sie bemerkte, dass ich ihre dreckige Kleidung anstarrte. Sie ließ sich so leicht verunsichern, perfekt für mich. Umso einfacherer würde es werden sie um den Finger zu wickeln. Ich müsste nur das Arschloch raushängen lassen, dann unerwartet freundlich zu ihr sein, ein paar Mal nett lächeln und schon würde sie mir alles erzählen, was ich wissen musste. Einfach für mich und wahrscheinlich auch gut, denn so würde ich Janine nicht enttäuschen. Aber es war langweilig. Es war immer das Gleiche. Sie waren alle so leicht durchschaubar und einfach zu manipulieren.

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt