21. Kapitel - Nachsitzen

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Wenig motiviert trat ich meine letzte Unterrichtseinheit an diesem Montag an. Es war schon fast peinlich, dass ich gleich an meinem ersten Schultag nachsitzen musste. Aber ob ich wollte oder nicht, ich musste da durch. Ich fühlte mich ausgelaugt, ich hatte in den letzten Stunden viel zu viele Informationen aufnehmen müssen. Eigentlich sollte ich mich voll und ganz auf den Unterricht konzentrieren. Aber das letzte Gespräch mit Michelle hatte mich wieder einmal nachdenklich gemacht. Schon wieder kreisten meine Gedanken nur um Jayden, obwohl ich mit dem doch schon längst abgeschlossen haben müsste. Besonders nach dem Gespräch mit Michelle. Obwohl ich langsam anfing zu verstehen was sie meinte und was das bedeutete, war das traurige Gefühl in mir stärker geworden. Wie aus heiterem Himmel musste ich immer wieder an die schönen Momente mit Jayden denken. Michelle hatte mir klar gemacht, dass das nichts brachte. Im Gegenteil, dass mich das eigentlich immer und immer wieder zurückwerfen würde. Aber ich konnte gegen diese aufkommenden Gedanken einfach nichts tun. Je länger ich ohne ihn war, desto mehr sehnte ich mich nach seiner Zärtlichkeit, nach seiner Nähe, nach seiner Aufmerksamkeit. Nur sehr, sehr, sehr langsam hörte ich auf Jayden zu vermissen. So langsam, dass es mir kaum auffiel.

Obwohl ich mich trotz aller Gedanken bisher gut auf den Unterricht hatte konzentrieren können, war mir das in meiner offiziellen, letzten Stunde nicht mehr gelungen. Nachdem ich mit dem Fach „Elemente" fertig gewesen war, hatte ich sogar Enttäuschung verspürt. Ich war davon ausgegangen, dass wir mit den vier Elementen Magie wirken würden. Aber das hatten wir keines Wegs getan. Die gesamten 90 Minuten hatten wir damit verbracht unsere Hände in einer Schüssel von Wasser zu baden. Das klang vielleicht nach einem Scherz, doch leider war es das ganz und gar nicht. Die Lehrerin hatte uns auf ihre esoterische Art und Weise erklären wollen, dass wir Kraft und Heilung aus Wasser schöpfen konnten. Und sie hatte das vollkommen ernst gemeint. Etwa eine Dreiviertelstunde hatten wir uns ihre Erzählungen über die Kraft des Wassers anhören müssen. Vielleicht war bei ihren Gequatsche sogar etwas Wichtiges dabei gewesen, aber als sie damit angefangen hatte, dass man die Magie des Wassers in den Fingerspitzen fühlen könnte, hatte mich dazu gebracht ganz und gar in meiner eigenen Traumwelt zu versinken.

In der restlichen Zeit hatte jeder von uns seine Hand in eine eigene Schüssel mit Wasser legen müssen und dann hatten wir in Schweigen gehüllt darauf gewartet, dass uns das Wasser mit Magie erfüllen würde. Keine Ahnung was mit den Anderen war, aber mir war nichts der Gleichen passiert. Meine Hände waren einzig und allein von dem kalten Wasser ganz eisig geworden und hatten nach einiger Zeit angefangen zu kribbeln. Obendrein hatte ich nun auch noch verschrumpelte Omahände.

Ich trat also wenig begeistert mein Nachsitzen an und warf mich erschöpft auf einen Stuhl, in der Mitte des Klassenzimmers. Müde sah ich mich um und suchte nach Connor. Wie es für ihn wohl üblich war, kam er um die zehn Minuten später, was seinen Eindruck bei Mrs. Moreau nicht unbedingt verbessert haben konnte.

Das Nachsitzen hatte sich wie Kaugummi gezogen. Mir war selten etwas so lang vorgekommen. Und das, obwohl das Nachsitzen zum Glück nur eine Stunde ging und nicht 90 Minuten, wie die übrigen Unterrichtsstunden. Mrs. Moreau hatte dafür gesorgt, dass Connor und ich so weit, wie nur irgendwie möglich, von einander entfernt gesessen hatten. Nur, damit wir uns nicht ablenkten natürlich. Besonders aufmerksam war ich leider trotzdem nicht gewesen. Es war deprimierend, denn Mrs. Moreau hatte von Connor und mir verlangt, dass wir weiter an unserer Magie arbeiteten. Das hatte zur Folge, dass ich die ganze Stunde über versuchen musste dieses blöde Blatt Papier zum Schweben zu bekommen, während Connor sich mit der Tasse schwertat. Die Stunde über hatte er ganze drei Tassen bei seinen Versuchen zerdeppert. Zum Glück hatte ihn Mrs. Moreau dieses Mal nicht ihre Lieblingstasse gegeben. Dafür hatte sie mindestens eine halbe Stunde bei mir gestanden und mir versucht zu helfen. Wahrscheinlich hatte sie es nur gut gemeint mit mir, aber leider hatte mir das nicht im Geringsten geholfen. Unter ihrer Beobachtung war ich sogar noch nervöser und verkopfter gewesen, sodass sich das Blatt auch dieses Mal keinen Millimeter gerührt hatte. Das war so deprimierend, dass ich allmählich den inneren Glauben entwickelte dieses bescheuerte Stück Papier niemals zum Schweben zu bekommen. Aber Mrs. Moreau war sich sicher, dass auch ich das irgendwann schaffen würden. Ich konnte nur hoffen, dass sie mit ihrer Überzeugung Recht behielt.

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt