20. Kapitel - Connor Carter

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„Jedenfalls versucht Jayden seine Probleme durch Gras zu vergessen und gelegentlich auch durch andere Drogen. Das wusstest du ja auch schon eine Weile, aber ich denke, dass du nicht annähernd verstehst, was das wirklich bedeutet." Ich runzelte die Stirn.

„Was bedeutet es denn?", fragte ich verwirrt und überlegte worauf Michelle hinaus wollte. Schon klar, eigentlich sollte man sich von Leuten fernhalten, die Drogen im Übermaß konsumierten und ja wahrscheinlich auch von Leuten, die überhaupt Drogen nahmen, aber war Jayden dem wirklich so sehr verfallen? So wie ich es mitbekommen hatte, bekam er sein Leben doch trotzdem halbwegs auf die Reihe und er hatte auf mich auch nie den Eindruck gemacht, als wäre er so high, dass man kein vernünftiges Gespräch mehr mit ihm führen könnte.

„Dass er abgesehen von der Sache mit Janine, nicht zuverlässig ist", fuhr Michelle fort.

„Er bekommt sein Leben überhaupt nicht auf die Reihe..." Okay vielleicht hatte ich doch daneben gelegen?

„Er wird früher oder später die Schule schmeißen und sollte sich Janine irgendwann von ihm abwenden, dann wird er komplett verloren sein. Sie ist die Einzige, die seinem Leben Struktur gibt und wenn das wegfällt, wird er sich selbst verlieren. In den Drogen, seiner Einsamkeit und in seinem Familiendrama. Durch die Sache mit seinem Vater, kann er gar keine normalen Beziehungen führen, irgendwann würde er die Krise kriegen und alles kaputt machen. So war es ja auch bei uns. Sein Liebeszauber ist so stark, er hätte das Mädchen damals nicht küssen müssen, um Geheimnisse aus ihr herauszubekommen.

Er hätte mich nie betrügen müssen, das hat er nur getan, weil er keinen Plan hat wie eine gesunde Beziehung funktioniert. Er sucht das Drama, er sucht nach jemanden, der ihm die Unsicherheit von Zuhause geben kann. Er sucht eine Beziehung, in der es ständig Streit gibt, in der man sich betrügt, in der man sich einfach nie sicher fühlen kann. Er sucht das, weil er nur das kennt und das zu durchbrechen, das wird er NIEMALS schaffen. Dafür bräuchte er Hilfe und die wird er sich NIEMALS holen. Er könnte sich das ja nicht mal selbst eingestehen.

Dazu kommt noch, dass er sich nach einem erwachsenen Part sehnt, der für ihn da ist und der die Rolle übernimmt, die seine Eltern hätten übernehmen müssen. Seinen Vater kann man ja sowieso vergessen und seine Mutter war ihr Leben lang mit ihrem eigenen Schmerz beschäftigt. Er hat nie so etwas wie Beständigkeit erfahren und jetzt sucht er nach jemanden, der ihm diese Beständigkeit geben kann, der stolz auf ihn ist und der an ihn glaubt. Im Moment ist das Janine, sie ist so etwas wie ein Ersatzelternteil für ihn. Er will sie mit allen Mitteln stolz machen, aber ich denke nicht, dass Janine an dieser Art von Beziehung interessiert ist. Also ich meine damit keine romantische Beziehung, sondern wirklich eine Elternrolle, die sie übernehmen soll." Völlig baff starrte ich Michelle an. Wow, hatte ich so dermaßen falsch gelegen? Wenn das alles stimmte, wusste Jayden wirklich überragend gut, wie er seine vielen Probleme vor Anderen geheim halten konnte. Aber woher wusste Michelle das alles? Wann hatte sie Jayden so genau analysiert? Und warum passte alles davon zusammen? Hatte sie heimlich Psychologie studiert?

„Ich habe das mit meinem Therapeuten besprochen", sagte sie, als sie meinen erstaunten Gesichtsausdruck mitbekommen hatte und sah mich in der selben Sekunde aufmerksam an.

„Bitte was?", fragte ich verdutzt, immer noch sprachlos.

„Du hast einen Therapeuten?"

„Hatte. Du musst mich nicht so ansehen, als wäre ich irre", entgegnete sie Kopfschüttelnd, mit

einem leichtem Unterton, in dem sich Unsicherheit widerspiegelte. Ich versuchte mich zusammenzureißen und bemühte mich darum, meinen Gesichtsausdruck wieder zu neutralisieren. Aber so ganz wollte mir das einfach nicht gelingen. Ich meine Michelle hatte einen Therapeuten? Warum? Doch nicht etwa wegen Jayden oder? Ja, klar Liebeskummer kann wehtun, das weiß ich selbst gut genug, aber dafür braucht man doch keine Therapie, sind die nicht eigentlich für Irre gedacht?

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Where stories live. Discover now