12. Kapitel - Der erste Schultag

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Ich war an diesem doch frischen Montagmorgen besonders früh aufgestanden. Ich hatte geduscht, mich geschminkt und meine Haare zu einem Dutt zusammen geknotet. Schließlich wurde es Zeit fürs Frühstück und so machten sich Linn und ich auf den Weg in den Essensaal. Bisher hatte ich diesen Saal nur betreten, wenn die Meisten mit ihrem Essen längst fertig gewesen waren. Aber heute war ich zu einer Zeit dort, zu der großer Ansturm herrschte. Der Raum war von lauten Gesprächen gefüllt. Jeder versuchte den Anderen zu übertönen und so hörte es sich an, als würde die Lautstärker ins Unendliche steigen. Hektisch liefen einige Schüler an Linn und mir vorbei, während andere Schüler gemütlich bei ihrer Gruppe saßen und eine Menge Zeit zu haben schienen. Linn und ich setzten uns ebenfalls an einen Gruppentisch, aber nur weil keiner der Zweiertische mehr frei war. Ich setzte mich an den äußersten Rand unseres Tisches. Neben mir saß ein Mädchen, das grimmig aussah und kaum begeistert davon sein musste, dass wir uns zu ihr gesetzt hatten. Trotzdem ließ sie sich nicht aus ihrem Gespräch reißen und erzählte dem Typen neben ihr wenig begeistert von dem Besuch ihrer Eltern.

Gern hätte ich länger zugehört, denn die Lasagne mit den undefinierbaren, dunklen Flecken, die ihre Eltern mitgebracht haben mussten, klang spannend. Aber das allgemeine Gewusel im Saal, lenkte mich viel zu sehr ab. Auch die Worte von Linn drangen nicht weiter zu mir vor. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt mich umzusehen und nachzudenken, wer von den vielen Schülern wohl in meinen Kursen sitzen würde. Anders als an meiner Schule, saßen hier nicht nur Teenager an den Tischen. Das Alter der Leute ging weit unter zwölf Jahre und so wie ich das einschätzte, sogar weit über 18 hinaus.

Ich sah dem Trubel noch einige Zeit zu, während ich herauszufinden versuchte, ob die Menschen ihre Magie im Alltag benutzten, außerhalb des Unterrichts. Aber an diesem frühen Morgen sah ich nichts, das ich für ungewöhnlich hielt.

„Hier, dein Stundenplan", riss mich Linn gähnend aus meiner Beobachtung und legte ein Blatt Papier vor meine Nase. Meine Unaufmerksamkeit verschwand und ich wurde neugierig. Die ganze Zeit über hatte ich mich gefragt, was ich wohl für einen Stundenplan haben würde. Ich war gespannt welche Kurse ich in meinem erstem Jahr belegen würde und ich war aufgeregt, wer in meinem Kurs sitzen würde. Hoffentlich nette Leute, die vielleicht selbst noch nicht so viel Erfahrung mit ihrer Magie gemacht hatten und nette Leute, die genau wussten, wie ihre Magie funktionierte, um mir helfen zu können. Vielleicht hätte ich sogar einige Kurse mit Linn zusammen, das wäre perfekt. Vielleicht würde ich doch den ein oder anderen kennen. Vielleicht waren viel mehr Magier unter uns, als ich zunächst angenommen hatte. Vielleicht würde ich jemanden von der Richland Springs Independent School treffen. Michelle war schließlich auch hier, auch wenn ich sie natürlich nicht in meinem Kurs haben wollte. Immerhin würde das das unangenehme Schweigen zwischen uns nur noch verschlimmern.

Vielleicht würde ich Mason treffen oder einige von seinen Freunden... oder Jayden? Schon klar, das wäre ganz bestimmt nicht gut und es sollte auch nicht in meinem Sinne sein, aber irgendwie hoffte ich, dass ich wenigstens einige Kurse mit ihm zusammen hatte. Ich wollte mich nicht wieder an ihn ranmachen, eigentlich wollte ich das Gegenteil. Ich wollte ihm zeigen, dass es mir wieder gut ging, ohne ihn. Und ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn nicht brauchte. Wahrscheinlich würde er das nicht mal mitbekommen und wenn er es mitbekäme, würde es ihn wahrscheinlich nicht interessieren, aber das war mir egal. Ich wollte es für mein Selbstbewusstsein tun. So schwach und verletzlich, wie er mich zuletzt gesehen hatte, sollte er mich nie wieder sehen. Aber wahrscheinlich waren das nur Träumereien. Bisher war er mir nicht mehr über den Weg gelaufen. Vielleicht besuchte er diese Schule gar nicht. Vielleicht war er einfach nur Janine's Laufbursche.

„Janine hat ihn mir gestern in die Hand gedrückt. Der ist vollgepackt, das wird anstrengend für dich, aber du wirst das schon schaffen", fuhr Linn fort und schob das Stück Papier noch dichter zu mir. Gespannt nahm ich den Zettel in die Hand und fiel fast nach hinten um, als ich sah, wie viele Stunden ich hatte. Fünf Spalten, mit bunten Abschnitten sprangen mir ins Auge. Ich blickte auf die Uhrzeiten. Das war ein Witz, richtig? Ich hatte jeden Tag, außer Donnerstags, bis 17 Uhr Unterricht. Und das lag leider nicht daran, dass ich zwischendurch Freistunden hatte oder später anfing. Ich hatte, von morgens um halb neun bis abends 17 Uhr, durchgehend Unterricht. Bis auf ein oder zwei Freistunden vielleicht. Ich starrte den Plan eine Weile an und fragte mich wann ich meine Hausaufgaben machen und wann ich überhaupt Zeit für Freizeit finden sollte. Dann aber erinnerte ich mich daran, dass das eigentlich genau das war, was ich wollte. Weniger Freizeit zu haben bedeutete auch, dass ich keine Zeiten mehr überbrücken müsste, in denen ich mit mir alleine war. Besser noch, vielleicht hätte ich so viel zu tun, dass ich mir Zeit mit mir alleine am Ende sogar wünschen würde. Trotzdem graute es mir, so viel Zeit mit Lernen verbringen zu müssen. Hoffentlich waren die Unterrichtsstunden wenigstens spannend und die Zeit würde schnell vergehen.

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Where stories live. Discover now