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"Du hasst uns", stellt Davina fest, während ich gerade dabei bin, mir irgendwelche Dinge aus den Regalen anzusehen, nur um einem Gespräch mit ihr aus dem Weg zu gehen.

"Tue ich nicht", sage ich und versuche mich weiterhin in Naels Haus abzulenken, während er gerade darüber informiert wird, dass wir hier sind.

Als Derrick mir gestern seine Gedanken und Emotionen gezeigt hat, habe ich nicht damit gerechnet, von seinem Wissen so aus der Bahn geworfen zu werden.

Und trotzdem war das der Fall.

Ich kann kaum noch an etwas anderes denken und weiß nicht, was ich sagen soll.

Außerdem hat er mich bloß eine Sache wissen lassen, die ihn am meisten belastet hat.

Wer weiß, was er noch vor mir verheimlicht.

"Wir konnten es dir nicht sagen. Es lag nicht in unserer Hand, Lilo. Wir haben es in einem kurzen Moment seiner Schwäche sehen können, doch wir konnten einfach nicht", versucht sie mir zu versichern.

"Das ändert nichts daran, dass ihr es wusstet", sage ich leise und versuche sie nicht sehen zu lassen, wie verletzt ich eigentlich von ihr bin.

Sie haben mir so eine wichtige Information verschwiegen.

Und nicht nur mir.

Sondern auch Micah und noch so vielen weiteren Leuten.

Die Türen öffnen sich und schon tritt Nael mit verschmutzter Kleidung ein und schenkt mir ein kleines Lächeln.

"Schön dich zu sehen, aber ich habe gerade ein wenig zu tun, weshalb..."

"Schon gut. Ich wollte nur kurz was sagen und dann muss ich auch sofort weiter", unterbreche ich ihn lächelnd und schiebe mich an ihm vorbei zur Tür hinaus.

"Denk nochmal darüber nach", flüstert Davina, als sie sich neben mich stellt, doch ich ignoriere sie.

"Wenn du Micah das nächste Mal begegnest, erzähle ihm, warum du in der Gegend geblieben bist. Sag ihm alles, oder verschwinde aus der Stadt", sage ich ernst, sehe noch ein letztes Mal zu ihm und betrachte seinen neutralen Blick.

Er hat bereits damit gerechnet, dass ich irgendwann davon erfahren werde und das habe ich nun.

"Für mich spielt nichts davon eine Rolle. Weder das Wie noch das Wieso. Es ändert nichts, doch für Micah wird es eine Rolle spielen", sage ich ernst, drehe mich im selben Moment um und verlasse dann einfach das Haus, ohne noch länger zu warten.

Sie folgt mir vollkommen still durch die Stadt, bis sie meinen Ärmel greift und meine Aufmerksamkeit auf sich richtet.

Ich drehe mich zu ihr um und sehe sie etwas verwirrt an, da wir die letzten fünfzehn Minuten kein Wort miteinander gesprochen haben, doch sie sieht mich nicht einmal an.

Stattdessen sieht sie geradeaus und schaut dabei ziemlich verängstigt aus.

Langsam drehe ich mich wieder um, sehe nach vorne und betrachte einen großen Wagen, welcher die Straße und somit auch unseren Weg zurück ins Reservat versperrt.

Davor steht ein großer Mann mit breiten Schultern, dunkler Kleidung und einer Narbe über dem linken Auge.

Eine Narbe, die mich sofort skeptisch werden lässt.

Immerhin sieht sie so aus, wie eine Klauen-Wunde.

"Ich habe es ihm gesagt, weil wir bald alle Hände voll zu tun haben werden, Davina. Da möchte ich mich nicht auch noch mit solchen Dingen befassen", erkläre ich ihr gelassen, während ich die suspekten Mann vor uns genau betrachte.

Er sieht nur mich an, schenkt seine Aufmerksamkeit nichts in unserer Umgebung und auch nicht Davina.

"Wie mir scheint, haben Sie gehofft, mir zu begegnen. Wie kann ich Ihnen denn helfen?", frage ich laut und so ruhig, wie ich nun mal in so einer Situation bleiben kann.

"Schon von einem Mann namens Silas gehört?", fragt er mich unglaublich leise, was bedeutet, dass er weiß, wie gut ich ihn auf solch einer Distanz verstehen kann.

"Ein alter bekannter."

"Als er mir erzählt hat, dass der wahre Alpha inzwischen bereit ist, habe ich nicht damit gerechnet, mitten im Nirgendwo zu landen und vor einem kleinen Mädchen zu stehen."
Ich lache leicht auf, senke flüchtig den Blick und denke kurz darüber nach.

Mir war bewusst, dass Silas das alles nicht einfach so auf sich sitzen lassen würde, doch mir jetzt jemanden auf den Hals zu hetzen, finde ich schon etwas übertrieben.

"Nehmen Sie mal nicht an, dass dieses kleine Mädchen mit der Wahl ihrer Zukunft zufrieden ist", sage ich und drehe meinen Kopf zur Seite, sodass ich Davina aus dem Augenwinkel sehen kann.

"Geh zurück ins Reservat. Ich komme gleich nach. Kein Wort zu den anderen", sage ich leise und warte darauf, dass sie geht, doch sie zögert.

"Jetzt, Davina", füge ich noch hinzu, ehe sie sich tatsächlich in Bewegung setzt und an seinem Wagen vorbei in den Wald rennt.

"Wenn du dir Hilfe erhoffst, dann hast du dich ziemlich tief geschnitten, kleines Mädchen. Bevor deine Hunde hier auftauchen, habe ich meinen Auftrag längst erledigt", sagt er total von sich überzeugt und baut sich noch etwas mehr vor seinem Wagen auf.

Kann gut möglich sein.

Eine weitere Möglichkeit wäre jedoch, dass ich es geregelt bekomme, bevor er überhaupt die Chance dazu hat, mir näherzukommen.

Mit einem Mal bewegt er sich so unglaublich schnell, dass ich seinen Bewegungen überhaupt nicht folgen kann.

Dementsprechend nehme ich auch nicht schnell genug wahr, wie er in seinen Gürtel greift, eine Waffe hervorzieht und einen Schuss abfeuert.

Die Kugel landet direkt in meiner Schulter und wird von meinem Knochen davon abgehalten, einen Durchschuss zu verursachen.

Ich spüre alles klar und deutlich.

Den Eintritt der Kugel, wie sie sich bei jeder meiner Bewegungen in meinem Inneren bewegt und wie sie gegen meinen Knochen presst.

Es tut scheiße weh.

"Er hat mir bereits gesagt, dass du nicht dazu in der Lage bist, dich so zu verwandeln, wie du es gerne hättest", lacht er, während er sich mir nähert und ich vor Schmerzen meine rechte Hand auf meine linke Schulter presse.

"Was bedeutet, dass du keine Chance hast, dem Tod zu entgehen, kleines Mädchen", grinst er stolz.

Ich richte mich langsam auf, beiße mir vor Schmerzen auf die Unterlippe und unterdrücke mir einen Schmerzschrei, als ich zwei meiner Finger in meine Wunde drücke.

Voller Konzentration reiße ich die Wunde weiter auf, schiebe meine Finger noch fester in meinen Körper und suche nach der Kugel, bis ich sie mit meinen Fingernägeln erreiche.

Ich greife sie, ziehe sie aus meinem Körper und sehe sie mir kurz an, ehe ich sie einfach auf den Boden werfe.

"Eine hohe Schmerztoleranz", sagt er überrascht, doch ich greife einfach nach meiner Jacke und streife sie mir mit Mühen von den Schultern.

"Ihre Informationen sind veraltet", sage ich und frage mich gleichzeitig, warum ich noch immer den Anstand besitze, diesen Typen so förmlich anzusprechen.

Immerhin hat er mich gerade angeschossen.

Und damit hat er sein Todesurteil unterschrieben.

The Alpha GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt