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Seit einer halben Stunde sitze ich nun hier auf dem Sofa und lausche den Erklärungen der Frau vor mir, während Kenneth uns etwas Freiraum gegeben hat und draußen für sich alleine trainiert.

So wie es scheint, ist mein Gegenüber die Hexe, von der Nael immer gesprochen hat.

Doch er nannte sie immer die alte Hexe.

"Wie kommt es, dass du keinen Tag älter aussiehst als Ende dreißig?", frage ich, während ich erneut einen Schluck Wasser trinke.

Das ist das einzige, was ich zu mir nehmen und auch in mir behalten kann.

Diese Verbindung bringt mich noch um, ohne, dass Silas es tun musste.

"Ich bin älter, als du es dir vielleicht denkst, Liebes. Wir Hexen nehmen unsere Kräfte überall her. Ich nehme meine aus der Natur. Mir ist es gestattet, lange zu leben, solange ich mich jedoch an die Regeln halte", erklärt sie mit einem sanften Lächeln auf den Lippen.

"Und wie kommt es dann, dass Meine Mutter deine Alpha war? Du bist doch eine Hexe. Ihre Gabe hatte keinen Einfluss auch dich", sage ich recht verwirrt.

Sie legt sanft ihre Hand auf mein Bein, weshalb ich etwas geschwächt nach unten blicke, doch als ich das tue, sehe ich gerade dabei zu, wie sich spitze Klauen aus ihren Fingern schieben.

Verblüfft sehe ich wieder auf.

"Meine Mutter war eine der mächtigsten Hexen. Mein Vater, ein wahrer Alpha. Auch, wenn Nael mich immer die alte Hexe nennt, bin ich eigentlich als der Hybrid bekannt", lächelt sie und streicht sanft über mein Bein.

Dann verschwindet ihr Lächeln jedoch sofort wieder.

Sie greift nach rechts, zieht ein Taschentuch aus der Box und wischt mir damit sanft das Blut von der Nase.

"Ich meine es ernst, wenn ich dir sage, dass es euch noch umbringen wird. Euch alle, Liebes", sagt sie sanft und spielt damit auf meine Verbindung und mein ungeborenes Kind an.

Bedrückt senke ich den Kopf.

"Ich muss das mit Silas klären", sage ich ziemlich leise und drehe die Wasserflasche in meiner Hand hin und her.

"Dabei kann ich dir mit Sicherheit helfen. Nur befindet sich da draußen immer noch ein ganzer Haufen von Wölfen, die nicht damit zufrieden sind, dass du die wahre Alpha bist. Du musst bei Kräften sein, Liebes", erklärt sie mir, weshalb ich sofort wieder den Kopf hebe.

Ich blicke sie schockiert an, da ich damit überhaupt nicht gerechnet habe.

Als ich vor einigen Tagen dort auf dem Platz aufgetaucht bin, war er so gut wie leer.

Die anderen sind doch längst alle verschwunden gewesen.

"Hast du wirklich geglaubt, dass Silas hinter all dem gesteckt hat? Sie haben bloß ausgenutzt, dass Silas eine Verbindung zu dir hatte, Liebes", erklärt sie mir schon beinahe bedrückt darüber, dass sie mir solch schlechte Nachrichten bringen muss.

"Ich bin Yennefer Eaton. Wer wäre ich stattdessen, wenn ich dir nicht helfen würde, hm?", fragt sie und streicht mir sanft eine weiße Strähne aus dem Haar.

Für einen Moment betrachtet sie mich noch unglaublich besorgt und so, als würde sie mir noch etwas sagen wollen, doch dann dreht sie sich weg.

"Ruh dich aus. Wir gehen heute Abend zu Silas. Dort schaue ich mir seine Lage an und versuche dir so gut, wie möglich mit dem Problem zu helfen", versichert sie mir sanft lächelnd, ehe sie aufsteht.

Sie legt das Taschentuch auf den Tisch, sieht mich noch einmal leicht lächelnd an und dreht sich dann wieder um.

"Der Kleine hat gutes Potenzial mit dir als Lehrerin, Makenzie", sagt sie und verwendet dabei das allererste Mal meinen Namen, was das ganze noch viel ehrlicher scheinen lässt.

Dann sagt sie jedoch nichts weiter und verschwindet einfach so aus dem Haus, während ich verwirrt, jedoch etwas weniger verzweifelt zurückbleibe.

Sanft lehne ich mich zurück und schließe für den Bruchteil einer Sekunde die Augen, bis ich wieder seine Emotionen fühle.

Er schreit förmlich nach mir.

Während ich glaube, dass es für das eine Problem möglicherweise noch Hoffnung zu geben scheint, wirkt das andere Problem auf mich unlösbar.

Jedes Mal, wenn er mich spüren lässt, dass ich noch immer an ihn gebunden bin, verspüre ich diese unbeschreibliche Wut und diesen Hass auf ihn.

Wie konnte er sowas nur als Lösung anerkennen?

Er hat ein Leben geopfert.

Ein Leben genommen.

Einen Menschen umgebracht.

Es klebt Blut an ihm und ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich jemals wieder dazu in der Lage sein werde, das zu übersehen.

Mein Körper ist erschöpft und meine Seele ist es ebenfalls.

In den Erzählungen von Nael über die Zeit mit meiner Mutter, hatte er bereits Andeutungen darauf gemacht, wie schrecklich es werden kann, wenn zwei Seelen, die zueinander gehören, voneinander getrennt sind.

Doch was ist, wenn ich niemals wieder dazu in der Lage sein werde, mein Gegenstück mit den Augen zu betrachten, die ihn immer so geliebt haben?

Was ist, wenn ich nicht mehr dazu in der Lage sein kann, ihn wieder so zu lieben, wie ich es getan habe?

Wenn ich ihm niemals wieder in die wunderschönen Augen sehen kann, ohne dabei zu sehen, was er getan hat, um mein Leben zu retten?

Ich seufze frustriert auf und nehme mir ein weiteres Taschentuch vom Tisch, ehe ich es mir an die blutende Nase halte.

The Alpha GirlWhere stories live. Discover now