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Der Brand kann noch nicht allzu lange her sein, doch so frisch ist er auch nicht gerade.

Meine Hände schweben über seinem Gesicht, während sie unkontrolliert zittern.

Doch ich berühre ihn nicht.

Es ist, als würde ich es mir nicht erlauben, ihn zu berühren.

"Baby", höre ich Derricks Stimme hinter mir, ehe ich seine Hände auf meinen Schultern spüre, doch das sorgt nur dafür, dass die Tränen plötzlich an meinen Wangen hinab laufen.

"Mir war nicht klar, was er meinte", höre ich mich mit brüchiger Stimme flüstern.

Ich hatte keine Ahnung, was er mit den Worten auf dem Zettel meinte.

"Er hält einen Stein in der Hand", merkt Kenneth an, weshalb ich sofort zu seinen Händen sehe und einen orangefarbenen Stein in seiner rechten Hand erkenne.

Als ich gerade danach greifen will, hält Derrick mich sanft davon ab und kniet sich direkt neben mich.

"Lass mich", flüstert er förmlich, ehe er nach dem Stein greift.

Doch beim ersten Mal schafft er es nicht, Silas den Stein aus der Hand zu nehmen.

Stattdessen muss er seine Finger auseinander ziehen und den Stein förmlich aus seiner Hand reißen, da er sich förmlich in seine Haut gebrannt hat.

Ich kann mir bereits denken, was dieser Stein bewirkt hat, doch der Schock in meinen Muskeln lässt einfach nicht zu, dass ich mich rühren kann.

Silas ist Tod.

Meine Mutter ist es auch, was bedeutet, dass wir nicht länger einen Krieg gegen sie führen müssen.

Und doch kann ich mich einfach nicht dazu bringen, daran zu denken.

Stattdessen scheint mir nichts anderes aufzufallen, als die Tatsache, dass meine ganze Mühe, Silas zu helfen und sein altes ich zurückzubringen, einfach darin geendet hat, dass er bei dem Versuch gestorben ist, mich zu beschützen.

Ich hebe wie in Trance den Kopf und sehe zur Tür, neben welcher das große und schwere Regal steht welches Kenneth eben erst zur Seite geschoben hat.

Silas hat die Tür nicht nur verschlossen, sondern sie auch versperrt, sodass Meadow keine Chance hatte, diese Hütte zu verlassen.

Das musste leider auch bedeuten, dass dasselbe für ihn galt.

Er wusste, was er da tat und hat es trotzdem getan.

Stille Tränen laufen an meinen Wangen hinab, ehe ich nach einer bestimmten Person suche.

Meine Augen treffen auf die von Jason, welcher ebenfalls total schockiert zu mir sieht.

Als könnte er es selber nicht ganz glauben.

Nach all dem, hatte er keine Chance, mit Silas über das unausgesprochene zwischen den beiden zu sprechen.

Silas war sein Vater und doch konnte Jason das nicht ganz auskosten.

Ich konzentriere mich auf seine Emotionen und seine Gedanken und schon fühle ich mich, als würde es mich erdrücken.

Doch das einzige, woran er gerade denkt, ist seine kleine Schwester, welche in so einem jungen Alter bereits zu einer Weise wurde.

Dass dasselbe jedoch nun auf ihn zutrifft, bedenkt er überhaupt nicht.

Ich will aufstehen, um zu ihm zu gehen, doch sofort dreht er sich um und rennt aus dem Haus.

Asher folgt ihm ohne zu zögern.

**

Ich blicke aus dem Fenster und versuche zu verarbeiten, was wir vorhin alles Neues erfahren haben.

Wir haben all die Leichen ordentlich begraben, wobei wir uns für Silas einen schönen Platz weiter von dem Standort gesucht haben und uns viel Zeit für ihn genommen haben.

Jasons Gefühle sind noch immer unglaublich präsent in meinem Inneren, doch auch ich will es einfach nicht so hinnehmen.

Wieso war er so dumm und hat sich meinetwegen in so eine Lage gebracht?

Ich lasse den Stein in meiner Hand hin und her wandern, während ich die Sorge um mich in diesem Wagen spüre.

Sie ist kaum zu umgehen.

"Mir geht es gut, Jungs", sage ich und richte mich damit an Derrick, Danny und Kenneth.

"Es wirkt, als wäre das überhaupt nicht der Fall", merkt Danny so ehrlich an, wie er nun einmal ist.

Ich nicke und sehe von dem Fenster ab, ehe ich in meine Hand sehe.

"Wir haben Silas verloren, weil er mich vor meiner Mutter beschützen wollte. Wenn wir uns etwas mehr Zeit mit ihm genommen hätten, hätten wir eher erfahren können, wo sie sich aufgehalten hat. Dann hätte Silas nicht sterben müssen. Jason und Rosa hätten ihren Vater nicht verlieren müssen und meine Mühen, ihn zurückzubringen, wären nicht völlig vergebens gewesen."
Meine Stimme verliert wieder an Stärke und wird brüchig, weshalb ich sofort darauf Derricks Hand an meinem Bein spüre.

Ich sehe wieder aus dem Fenster und betrachte die vielen Bäume, welche einfach so an uns vorbeiziehen.

"Davon abgesehen, ist meine Mutter jetzt Tod, was bedeutet, dass ich euch nicht alle mit in einen Kampf ziehen muss, den wir vielleicht wirklich nicht gewonnen hätten", lächle ich träge aus dem Fenster.

"Wir hätten es überlebt, Lilo", sagt Danny mit solch einer Sicherheit in der Stimme, die mich fast daran glauben lässt, dass er recht haben könnte.

Doch dann lege ich meine linke Hand auf die von Derrick und verschränke unsere Finger miteinander.

"Spielt keine Rolle mehr. Durch Silas haben wir ohne einen Kampf gewonnen", sage ich und lasse die Tränen erneut stumm an meinen Wangen hinab rinnen.

"Er war dir ein guter Vater", höre ich Derrick neben mir sagen, was plötzlich so einen unerträglichen Schmerz in meiner Brust auslöst, dass ich meine Emotionen einfach nicht mehr zurückhalten kann und einfach in mich zusammenbreche.

The Alpha GirlWhere stories live. Discover now