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"Ich glaube, wir sollten die beiden für einen Moment alleine lassen", schlägt Nael vor und führt alle anwesenden bereits zur Tür des Kellers.

Silas hockt vor mir auf dem Boden und drängt sich selbst in die Ecke des Raumes, was mir nur wieder beweist, wie anders er inzwischen ist.

Yennefer sagte mir zwar, dass er nicht ganz bei klarem Verstand wäre, doch sie sagte auch, dass sie keine Ahnung habe, woran das liegt.

Dementsprechend bücke ich mich und setze mich auf den Boden.

Dieser fühlt sich unglaublich kalt unter meinem Körper an und trotzdem rühre ich mich nicht weiter von der Stelle.

Da Nael kein wahrer Alpha mehr ist, sind seine Befehle für Silas inzwischen auch nicht mehr beständig.

Also muss ich mir darum keine Sorgen mehr machen.

Meine Sorge richtet sich gerade jedoch eher auf seinen äußerst seltsamen Zustand.

"Silas?", frage ich vorsichtig mit ruhiger Stimme und sehe ihn dabei recht neutral an.

Flüchtig hebt er den Kopf etwas an und sieht eilig mit den Augen durch den Raum.

Als er sieht, dass nur ich noch anwesend bin, nickt er, als wolle er sich selbst etwas sagen und versteckt dann den Kopf wieder in seinen Armen.

"Sie s-sie will dich holen kommen. U-U-Und dann wird sie dich einfach umbringen. A-All die Jahre in denen wir eine Familie waren... Futsch", murmelt er ziemlich undeutlich vor sich hin.

"Meine kleine Mazie ist stark. Sie wird das überstehen", spricht er, während er den Kopf hebt und dabei nickt.

Doch dann schüttelt er den Kopf plötzlich total eilig hin und her.

"Nein! Sie ist es! Keiner kann sie besiegen! Sie hat sich verändert! Sie ist der Teufel in Person!", brüllt er plötzlich, was eine totale Gänsehaut über meinen Körper fegt.

Mir scheint, als würde er ein Gespräch mit sich selbst führen.

So als hätte er völlig den Verstand verloren.

Ich kann nur vermuten, dass es an dem ungewollten und unvollständigen Befehl lag, welchen Nael ihm damals gegeben hat.

Meadow dann auch noch gegenüber gestanden zu haben, muss für ihn das totale Chaos gewesen sein.

"Mazie hat jetzt ein Rudel und die Macht! Sie wird es schaffen! Ich habe sie alles Wichtige gelehrt!", brüllt er wieder.

Langsam bekomme ich den Dreh raus und kann sagen, welche Worte von Silas und welche von einem anderen Teil von ihm kommen.

"Meadow will ihre Macht! Sie wird Mazie umbringen! Sie wird sie dir nehmen! Sie wird dir deine kleine Mazie nehmen!", brüllt er erneut und schüttelt eilig den Kopf hin und her.

Sein gesamter Körper scheint zu zittern, doch jetzt, wo er sein Gen zurück hat, sollte er nicht mehr frieren.

"Kannst du mich einmal ansehen, Silas?", frage ich vorsichtig und mit ruhiger Stimme.

Er schüttelt weiterhin den Kopf hin und her und trotzdem sieht er langsam in meine Richtung.

Als er mich vollständig ansieht, lächle ich ihn leicht an und warte auf seine Reaktion.

Doch er starrt mich einfach nur an.

"Weißt du noch, als du mir in der Garage erzählt hast, dass alle Männer gleich wären?", frage ich und spiele damit auf damals an.

Er war immer so vorsichtig, dass er kaum jemandem vertraut hat, der in meiner Nähe war.

"Er ist nicht anders. Nicht besonders. Er ist ein Kerl", sagt er und schüttelt erneut den Kopf hin und her.

"Weißt du noch, Jason? Du hast ihn behandelt, als wäre er dein eigener Sohn und nur du wusstest, dass er es auch wirklich ist. Oder Rosa? Deine kleine Rosa?", frage ich vorsichtig.

Ganz langsam scheint er sich zu erinnern und auch ruhiger zu werden.

"Felicia und Micah kümmern sich so fabelhaft um sie, wie sie es mit Isaac und Cynthia tun", lasse ich ihn lächelnd wissen.

"Talia? Wo ist Talia?", fragt er plötzlich und schon vergeht mir das Lächeln.

"Weißt du nicht mehr, was passiert ist?", frage ich vorsichtig.

Er sieht ganz langsam herunter, bis er auf den Boden starrt und mit seinen Fingernägeln über seinen Arm kratzt.

Es ist schrecklich, ihn so sehen zu müssen.

All die Jahre, war er für mich immer so etwas, wie ein Vaterersatz, der immer alles wusste, wenn ich Fragen hatte.

Und jetzt sitze ich vor ihm und habe das Gefühl, als hätte er den Verstand verloren.

Tränen bilden sich in seinen Augen, was mir zu verstehen gibt, dass er es wieder weiß.

Total hektisch hebt er den Kopf und sieht mich mit großen Augen an.

"Der Wolf mit dem hellen Fell", beginnt er und setzt sich etwas aufrechter hin.

Dann richtet er sich etwas auf und sieht mich weiterhin mit großen Augen an.

"Das helle Fell. War das sie?", fragt er.

Ich denke für einen Moment über seine Worte nach und versuche sie so für mich zusammenzusetzen, dass ich es verstehen kann.

"Hat Meadow meine Talia umgebracht?", fragt er dann gerade heraus und schon verstehe ich, worauf er hinaus will.

Ganz sanft schüttel ich den Kopf hin und her.

"Nein", sage ich vorsichtig und betrachte ihn aufmerksam.

"Es war nicht Meadow. Es war ein kleiner Junge, der sein Gen noch nicht unter Kontrolle hatte. Genauso, wie es damals bei mir war, als ich Cody bei meiner ersten Verwandlung angegriffen habe. Weißt du noch?", frage ich ihn vorsichtig.

Wieder senkt er den Blick, ehe er dann flüchtig nickt.

"Es war nicht seine Schuld. Ich versuche ihn zu trainieren, wie du es damals mit mir gemacht hast. Er lernt", versichere ich ihm und bekomme wieder ein Nicken.

"Er lernt", wiederholt er nickend.

"Er lernt", sagt er etwas leiser und weiterhin nickend.

Plötzlich schnellt sein Kopf wieder zu mir.

"Meadow. Sie s-sie wird dich holen kommen!", sagt er wieder laut und rückt näher an mich heran.

Ich lächle leicht und nicke sanft.

"Sie wird kommen. Aber sie wird nicht gewinnen, Silas", versichere ich ihm vorsichtig.

Seine Augen füllen sich erneut mit Tränen.

"Aber es ist Meadow. Sie ist Meadow", sagt er voller Verzweiflung.

Sanft nehme ich seine Hände in meine und sehe ihn direkt in die Augen.

"Mach dir keine Sorgen darüber. Wir werden das schon schaffen, aber jetzt solltest du erstmal etwas schlafen. Okay?", frage ich vorsichtig.

Er senkt den Blick, zieht seine Hände zu sich und wischt sich mit beiden Händen über die Augen.

Dann nickt er wieder.

"Schlafen. Du hast recht. Ich bin müde. Ich muss träumen", sagt er nickend und rückt dabei zurück in die Ecke.

Dort legt er sich auf den kalten Boden und murmelt etwas vor sich hin.

"Wenn ich träume, dann ist es die Realität. Die Realität ist gut. Die Realität ist kein Albtraum", murmelt er leise.

Ich atme etwas tiefer ein, stehe auf und atme dann laut wieder aus, als ich realisiere, was mit ihm nicht stimmt.

Er denkt, er wäre in einem Albtraum gefangen.

The Alpha GirlWhere stories live. Discover now