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Etwas skeptisch ziehe ich die Brauen zusammen.

"Wie heißt du, Junge?", frage ich vorsichtig und betrachte ihn so neutral, wie es mir gelingt.

Er schluckt sichtbar hart und auch seine Nervosität nimmt nicht ab, während ich ihn ansehe, doch irgendwie lässt mich dieses Gefühl nicht mehr los.

"K-Kenneth", stottert er, ehe er sich räuspert und seinen Namen dann etwas kontrollierter wiederholt.

Ich nicke und lasse mir den Namen etwas durch den Kopf gehen.

"Wie bist du bei Nael gelandet, Kenneth?", frage ich dann und lasse mein Kinn auf meine Knie fallen.

Wahrscheinlich hat er Angst davor, dass ich ihm wegen der Sache mit Natalia etwas antue, denn diese Frage beantwortet er mir nicht.

Er sitzt bloß da und betrachtet mich aufmerksam, als würde er erwarten, ich würde ihm jede Sekunde an den Hals springen.

"Soll ich dir eine kleine Sache verraten, die mich gerade in ziemliche Schwierigkeiten bringen könnte, wenn es die falschen Leute hören, Kenneth?", frage ich dann.

Ich versuche sein Vertrauen zu gewinnen, weil er definitiv Angst vor mir hat und diese Angst braucht er nicht zu haben.

Er blickt zu Kai und dann sofort wieder zu mir, um nicht länger als nötig aus den Augen zu lassen, doch er sagt weder ja noch nickt er mit dem Kopf.

"Gerade eben bin ich total nutzlos. Ich heile nicht", sage ich und hebe mein Handgelenk etwas an, "und ich kann überhaupt nichts tun. Nicht einmal kämpfen. Ich kann nicht hören, was im Wald vor sich geht und all das lässt mich unglaublich schwach wirken. Bin ich auch, wenn man es genau nimmt. Du bist in diesem Augenblick viel stärker als ich, also brauchst du keine Angst vor mir zu haben."
Er betrachtet mich noch immer skeptisch, doch seine Schultern scheinen sich etwas von der Anspannung zu lösen.

"Ich habe meinen Adoptivvater verletzt. Nael hat mich aufgenommen und versucht mich unter Kontrolle zu bringen, aber es gelingt ihm nicht. Magnus nennt mich einen Fehlschlag", sagt er leise, also sehe ich sofort zurück und betrachte meinen Bruder etwas genauer.

Ich glaube nicht, dass Magnus jemals ein Blatt vor den Mund nimmt, doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass er es ihm dieses Mal nicht ins Gesicht gesagt hat.

"Hat er dir das gesagt?", frage ich also, als ich meinen Kopf langsam wieder von meiner Familie abwende.

Kenneth schüttelt den Kopf und fährt sich nervös mit den Fingern durch das dunkelblonde Haar.

"Ich habe gehört, wie er es Nael gesagt hat. Magnus denkt, es gäbe für mich keine Hoffnung mehr."
Ich nicke etwas nachdenklich, doch dann lächle ich sanft.

"Wusstet ihr, dass ich mein Gen über Jahre hinweg unterdrückt habe?", frage ich und schon sehen die beiden mich schockiert an.

"Das funktioniert?", fragt Kai laut und sieht sich sofort darauf etwas bedrückt um, da es tatsächlich etwas zu laut war.

Ich nicke erneut und lächle etwas, als ich auch ohne meine Sinne spüre, wie verzweifelt er gerade auf eine Antwort hofft, die ich ihm leider nicht geben kann.

"Es ist nicht schön, Kai. Es hat mich krank gemacht und ich wäre beinahe daran gestorben, wenn ich ehrlich bin. Natürlich nicht nur daran, da es noch einige weitere Gründe dazu gab, aber die langweiligen Details erspare ich euch mal", lächle ich sanft.

Dann setze ich mich in den Schneidersitz, sodass ich den beiden direkt in die Gesichter sehen kann.

"Mit meiner ersten Verwandlung zusammen, habe ich mich in meinem gesamten Leben erst dreimal verwandelt", sage ich und ernte erneut schockierte Blicke.

"A-Aber du bist die Alpha", sagt Kenneth leise und schockiert, was mich nicken lässt.

"Stimmt. Das bedeutet aber nicht, dass ich mag, was ich bin. Es lässt mich jedes Mal erschaudern, wenn ich meine Gabe anwende. Außerdem weiß ich nicht, wie ich mit dem, was ich bin umgehen soll. Es ist nichts Schönes und tatsächlich könnte man es als einen Fluch bezeichnen. Für euch beide ist es schwer und für andere ist es vielleicht verdammt einfach. Danny zum Beispiel", sage ich und rücke etwas zurück, ehe ich zögerlich in Dannys Richtung zeige, welcher sich gerade konzentriert mit den anderen unterhält.

"Er fühlt sich unglaublich wohl in seiner Haut. Danny verwandelt sich gerne und wenn ich ihn ansehe, kann ich einfach sofort sagen, dass er sich als Wolf total wohlfühlt", erkläre ich und betrachte Danny lächelnd.

Ich kann mich daran erinnern, wie fasziniert ich von ihm war, als ich ihn damals das erste Mal im Wald gesehen habe.

Natürlich wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass es Danny war, oder dass Danny gar ein Werwolf war, doch das alles war in dem Moment auch nicht von Belang.

"Als ich ihm damals das erste Mal in seiner wahren Gestalt über den Weg gelaufen bin, konnte ich einfach nicht anders, als ihn zu fotografieren", erzähle ich lächelnd und lege meine Hände hinter mich auf den Boden, ehe ich mich etwas zurücklehne.

"Ich war so fasziniert von ihm und fand ihn atemberaubend schön. Bis heute kann ich wahrscheinlich nicht genug von seiner Schönheit bekommen", erkläre ich wahrheitsgemäß, doch plötzlich nehme ich ein leises Knurren wahr.

Eilig sehe ich mich um und habe Angst, dass die ersten Leute aus den Wäldern treten, doch dann bleibt mein Blick bei Derrick hängen, welcher mich finster betrachtet.

Sofort muss ich lächeln und ein warmes Gefühl durchströmt mich.

"Ich bin Danny vor Derrick begegnet, doch ändern würde ich nichts an dem, wie alles abgelaufen ist. Alles hat seinen Grund", sage ich noch etwas leiser und sehe meinen Freund fasziniert an, während er mich weiterhin eifersüchtig und dementsprechend finster betrachtet.

Langsam drehe ich meinen Kopf zur Seite und sehe Kenneth so sanft an, wie es mir möglich ist.

"Komm einfach zu mir, wenn du bereit bist, darüber zu sprechen. Wer weiß? Vielleicht bringen uns deine Informationen auch viel weiter, als du überhaupt annimmst", sage ich ruhig, nur um dann zögerlich vom Boden aufzustehen.

Lächelnd klopfe ich den Schmutz von meiner Kleidung und ziehe vor Schmerzen die Nase kraus.

Ich will gerade zurück zu den anderen gehen, da halte ich erneut inne und sehe wieder zu den Jungs.

"Ihr solltet hier nicht sitzen, sondern bei den anderen sein. Aber trotzdem solltet ihr wissen, dass ich nicht zulassen werde, dass euch etwas geschieht. Ich kann nicht versprechen, dass ihr nicht verletzt werdet, aber ich werde gewiss alles tun, damit ihr lebend aus der ganzen Sache heraus kommt", versichere ich den beiden entschlossen.

Erst dann drehe ich mich um und gehe zu den anderen zurück.

Vor Derrick bleibe ich stehen und sehe in sein mürrisches Gesicht.

"Können wir kurz miteinander sprechen?", frage ich leise.

Unser Streit ist noch immer ungelöst, doch plötzlich kommt es mir so vor, als wäre er bereits Tage her, da in der Zwischenzeit so unglaublich viel geschehen ist.

"Jetzt?", fragt er und sieht hinter mich, um mir zu sagen, dass es ein ziemlich schlechter Zeitpunkt ist.

Doch ich nicke entschlossen, greife nach seiner Hand und ziehe ihn hinter mich her.

The Alpha GirlWhere stories live. Discover now