›68‹

175 16 0
                                    

"Du hättest verletzt werden können!", ruft Derrick mir hinterher, als ich zurück zum Haus laufe.

"Ein Risiko, dass ich eingehen musste. Wenn ich Kenneth von ihm gerissen hätte, hätte ich dem Rudel nur bewiesen, wie unkontrolliert Kenneth ist. Sie hätten ihn als eine Gefahr betrachtet. Jetzt haben sie gesehen, dass er sich zusammenreißen kann. Er braucht nur eine Art Anker, an dem er sich festhalten kann, wenn es kritisch wird", erkläre ich und fahre mir mit den Fingern durch das helle Haar.

"Du hättest verletzt werden können!", sagt er erneut, als er nach meinem Handgelenk packt und mich zum Stehen bleiben bringt.

Ich drehe mich vollständig zu ihm um und sehe zu ihm auf, ehe ich einen Schritt näher an ihn herantrete.

"Mir geht es wirklich gut, Derrick. Das eben war ein Schritt vorwärts", sage ich, während ich ihm direkt in die Augen sehe, um ihm zu versichern, dass es mir gut geht.

"Mag zwar sein, dass Kenneth momentan deine Priorität ist, doch das bedeutet noch lange nicht, dass ich mir ansehen muss, wie du dich seinetwegen in Gefahr bringst", antwortet er daraufhin ernst.

Mir ist bewusst, dass er es nicht böse meint, doch irgendwie nehme ich es verletzend auf.

Das könnte womöglich daran liegen, dass Kenneth wirklich beginnt, mir verdammt wichtig zu werden.

Oder es liebt daran, dass ich mich noch immer in ihm sehe.

Ich gehe einen Schritt auf Abstand und zeige zurück zum Reservat, während ich versuche die richtigen Worte zu finden.

"Das eben hatte ich vollkommen unter Kontrolle. Ich habe absichtlich Magnus darum gebeten, Asher zu ersetzen, weil Kenneth kein gutes Verhältnis mit Magnus hat. Magnus hat ihn so provozieren können, wie ich es brauchte, um die Situation einschätzen zu können. Jetzt weiß ich, womit ich arbeiten muss. Ich weiß, was ich tue, Derrick. Die Tatsache, dass Magnus mal so richtig den Arsch aufgerissen bekommen hat, ist bloß ein Bonus gewesen. Er wird heilen. Das einzige, was ihm Probleme bereiten wird, ist sein angekratztes Ego", erkläre ich genervt darüber, mich plötzlich wieder so zu fühlen, als würde mir niemand etwas zutrauen.

Derrick atmet laut aus und legt den Kopf in den Nacken.

"So sehe ich das doch überhaupt nicht. Ich weiß, dass du verdammt klug bist, Baby, aber ich will nicht, dass du verletzt wirst. Das Kind ist..."
Er hält inne, doch ich spüre eine Art Unruhe in mir und schon werde auch ich unruhig.

Ich ziehe die Brauen zusammen und sehe ihn skeptisch an.

"Was soll mit dem Kind sein?", frage ich, als er nicht auf meine Emotionen und Gedanken eingeht.

Er fährt sich frustriert durch die Haare und kommt dann einen Schritt näher, ehe er seine Hände an meine Hüften legt und mich noch näher an sich zieht.

"Ich habe gerade mit meiner Mutter gesprochen. Sie meinte, ihr wäre gestern etwas aufgefallen, als sie euch untersucht hat", erklärt er, was mein Herz sofort zum schneller schlagen bringt.

"Ich weiß nicht, wie ich es einschätzen soll, Baby. Sie hat gesagt, dass das Kind durch die Vorfälle der letzten Wochen geschwächt sein könnte. Ihr war nicht klar, wie sie dir das sagen sollte, weil du in letzter Zeit ziemlich beschäftigt bist, also hat sie es mir zuerst erzählt."
Ich sehe zu ihm auf und denke über die neuen Informationen nach.

Damit hatte ich um ehrlich zu sein bereits gerechnet.

Natürlich lässt sowas ein heranwachsendes Kind nicht kalt.

"Ich bin vorsichtig", sage ich, als ich beginne leicht zu nicken.

Er legt mir die rechte Hand an die Wange und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, ehe er mir erneut in die Augen sieht.

"Das weiß ich doch. Du musst nur einen Gang zurückschalten, Baby. Für euer beider Wohlbefinden. Nicht einfach mehr in gefährliche Situationen rennen und kein überarbeiteten mehr."
Ich hebe eine Braue und beginne leicht zu lächeln.

"Versuchst du mir gerade zu sagen, was ich zu tun habe?", frage ich lächelnd und versuche damit die Situation etwas lustiger zu gestalten.

Doch seine Miene bleibt besorgt, also nicke ich widerwillig.

"Ist gut. Ich schalte einen Gang zurück", versichere ich ihm, ehe ich mich auf die Zehenspitzen stelle und ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen hauche.

Sofort darauf, versuche ich mich, aus seinem griff zu befreien, doch er zieht mich wieder zurück, legt seine Hand erneut an meine Wange und legt seine Lippen auf meine.

Das ist unser erster Kuss, seit den ganzen Vorfällen, also bin ich für einen kurzen Moment ziemlich überrascht, ehe ich den Kuss erwidere.

Langsam löst er sich wieder von mir und betrachtet mich beinahe schon ungläubig.

Mir kommt ein kleines Lächeln über die Lippen, als ich spüre, wie glücklich ihn meine Erwiderung von seinem Kuss gemacht hat.

"Nehmt euch ein Zimmer", kommt es beinahe keuchend von meiner linken, weshalb ich sofort zur Seite sehe und Magnus betrachte, wie er mit Davina im Schlepptau zu uns kommt.

Er hält sich die rechte Hand an die Rippen und wischt sich mit der anderen Hand immer mal wieder ein wenig Blut aus dem Gesicht.

Ich sehe wieder zu Derrick, hauche ihm einen letzten Kuss auf die Lippen und löse mich dann von ihm.

"Wir sehen uns später", sage ich lächelnd, ehe ich ihn zurück zum Reservat schicke und warte, bis er aus Sichtweite ist.

Erst dann drehe ich mich wieder um und laufe weiter zum Haus.

Die beiden folgen mir, doch keiner von ihnen sagt auch nur ein einziges Wort.

"Wenn ich genauer darüber nachdenke, wird mir klar, dass du und Nael eigentlich gar keine richtigen Mitglieder meines Rudels seid. Natürlich haben wir euch die gesamte Zeit mit eingeschlossen, aber so wirklich offiziell seid ihr dem Rudel nie beigetreten", denke ich laut nach, ehe ich abrupt stehen bleibe und mich zu Magnus drehe.

"Vielleicht hast du ja doch Bindungsängste", merke ich an und bekomme als Antwort ein genervtes Knurren von meinem Bruder zu hören.

Ich sehe flüchtig an ihm auf und ab und schätze die Verletzungen ab, welche Kenneth ihm zugefügt hat.

Er scheint schon langsam zu heilen, doch dabei liegt die Betonung auf langsam.

"Wieso heilst du so langsam?", frage ich, als mir das ziemlich seltsam vorkommt.

"Hör auf Fragen zu stellen und Lauf", sagt er genervt, ehe er mich voranschiebt.

The Alpha GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt