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Gerade gehe ich auf Derrick zu, weil er recht abgegrenzt von den anderen an einem Tisch steht und dort gerade etwas zu machen scheint.

"Wir müssen endlich reden", sage ich, als ich neben ihm zum Stehen komme.

Die beiden anderen, welche mit ihm am Tisch standen, sehen einander an und lassen uns dann alleine.

"Ich bin gerade ziemlich beschäftigt", murmelt er, ohne mich anzusehen, was mich ziemlich nervt.

Als er dann auch noch an mir vorbeigehen will, stelle ich mich ihm in den Weg und lege meine rechte Hand an seine Brust.

"Ich bin es leid, dass du mir täglich aus dem Weg gehst. Jeden Tag wache ich alleine auf und gehe alleine ins Bett", sage ich wütend, jedoch auch unglaublich verletzt.

Derrick sieht mich mit einer neutralen Miene an, doch ich spüre die Reue und die Sorge in ihm.

Natürlich gemischt mit unzählig anderen Emotionen.

"Was willst du von mir hören, Makenzie?", fragt er mich und schon überkommt mich ein schrecklicher Fehler.

Sag mir, dass du mich noch liebst.

Ich denke es, ehe ich mich zusammenreißen und es verhindern kann und schon spüren wir beide diesen dämlichen Schmerz.

Sofort sehe ich bedrückt zu Boden und nehme meine Hand zurück zu mir, doch Derrick tritt etwas näher.

Er legt seine Hand an meinen Hinterkopf und zieht mich an sich, ehe er mich an seine Brust drückt.

Ohne zu zögern, schlinge ich meine Arme um seinen Körper und genieße für einen Moment die Nähe.

"Das tue ich und das weißt du auch. Ich würde nie aufhören wollen, dich zu lieben, Kleines", sagt er beruhigend leise und streicht einige Male sanft über mein Haar.

"Warum gehst du mir dann aus dem Weg?", frage ich und sehe langsam zu ihm auf, doch der erste Gedanke, der ihm in den Sinn kommt, ist ein Name.

Kenneth.

Sofort ziehe ich die Brauen zusammen und löse mich etwas von ihm.

"Was hat Kenneth damit zu tun?"

"Kleines, bitte", sagt er leise und schließt für den Bruchteil einer Sekunde die Augen.

Nun löse ich mich ganz von Derrick und sehe ihn ernst an.

"Was verheimlicht ihr mir alle über Kenneth?", frage ich endlich.

Die gesamte Zeit habe ich es einfach auf sich beruhen lassen.

Doch mittlerweile kommt es immer öfter zu irgendwelchen Vorfällen, in welchen mir bewiesen wird, dass es etwas über Kenneth gibt, von dem ich nichts weiß.

"Lilo!", höre ich Micah rufen, doch ich löse meinen Blick nicht von Derrick.

Er bleibt stur und gibt keinen Ton von sich, was mich unglaublich ärgert.

"Lilo! Yennefer ist fertig!", ruft Micah ein weiteres Mal nach mir.

"Geh schon", sagt Derrick und dreht sich dabei wieder zum Tisch um.

Er tut so, als wäre gerade nichts passiert und macht mit dem weiter, wobei ich ihn unterbrochen hatte.

"Dir ist klar, dass du dieses Mal ein Problem zwischen uns errichtest, oder?", frage ich ihn, doch er hält nur flüchtig inne.

Sofort darauf setzt er sich wieder in Bewegung und denkt nicht einmal daran, mir eine Antwort darauf zu geben.

Ein ungewolltes Knurren entkommt meiner Kehle, ehe ich mich einfach umdrehe und Micah zu meinem Haus folge.

"Probleme?", fragt er flüchtig auf halbem Wege, doch ich blicke weiterhin zu Boden.

Immerhin ist es nicht so, als würden Micah und Felicia mit Derrick sprechen.

Das haben sie seit dem Vorfall nicht getan und trotzdem schläft er lieber dort, als bei mir.

"Komm schon, Lilo. Mit irgendjemandem musst du doch darüber sprechen. Mit wem, wenn nicht mit deinem Onkel?", fragt er und stößt mich sanft mit der Schulter an.

"Ich bin schwanger und der Vater des Kindes will nicht mit mir sprechen, weil er Geheimnisse vor mir hat, Micah. Mir ist nicht danach, mit irgendjemandem darüber zu sprechen."
Ich blicke weiterhin zu Boden und lausche dem Wind, wie er leise durch die Baumkronen weht.

"Und wenn du mit Kenneth selbst darüber sprichst?", schlägt er nun vor.

Keine Ahnung, woher er schon wieder weiß, worum es eigentlich geht, doch eine Idee habe ich da schon.

"Lauschen ist unhöflich", sage ich dementsprechend, was er jedoch nur mit einem leisen lachen beantwortet.

"Ich will Kenneth das Gefühl geben, dass er mir vertrauen kann. Wenn ich ihn dazu dränge, mir zu erzählen, was alle anderen zu wissen scheinen, hat es einen gegenteiligen Effekt."
Micah brummt zustimmend und läuft weiterhin neben mir her.

Für einen Moment bleibt es still, doch ich spüre einfach, dass Micah etwas zu sagen hat.

"Sag schon", sage ich daher und sehe flüchtig zu ihm auf, ehe ich wieder zu Boden sehe.

"Ich bin nur total begeistert davon, dass du so schnell erwachsen geworden bist. Es wäre schöner, wenn das ohne diese ganzen Vorfälle passiert wäre."
Ich nicke stumm und gebe ihm vollkommen recht.

"Warum hängst du eigentlich so daran, Kenneth gut zu behandeln?", fragt er dann plötzlich.

Ich überlege einen Moment und versuche es wirklich herauszufinden, doch irgendwie habe ich das Gefühl, als wüsste ich es längst.

Jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, sehe ich ein kleines Stück von mir in ihm.

"Er ist kein Fehlschlag", ist jedoch das einzige, was ich zu meinem Onkel sagen kann.

Immer, wenn ich mich daran erinnere, dass mein Bruder ihn einen Fehlschlag nennt, nur weil er sich nicht völlig unter Kontrolle hat, überkommt mich eine gewisse Wut.

Kenneth ist stark.

Vielleicht sogar stärker als manch anderer in diesem Rudel es ist.

Es braucht nur Zeit und Training, um ihm das ganze beizubringen.

The Alpha GirlWhere stories live. Discover now