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Jungkook wusste selbst nicht genau, wie er die ersten drei Tage der neuen Schulwoche überlebt hatte, aber irgendwie war es ihm gelungen, dem Basketballer aus dem Weg zu gehen. Taehyung hatte ihm die Tage über zwar immer wieder aufgelauert, sich an ihn rangeschlichen und mit ihm reden wollen, doch Jungkook war jedes Mal so schnell es ging hinter einer Ecke, zwischen den Schülermassen oder in seiner Klasse verschwunden.

Doch allmählich fing das ständige Versteckspiel an, an ihm und seinen Kräften zu zehren. Immer öfter ertappte er sich selbst dabei, wie er ängstlich über die Flure huschte, sich andauernd nach links und rechts umdrehte, um auch ja nicht von dem Lockenschopf überrascht zu werden. Die Toilletten mied er von Grund auf und auch in die Nähe der Sporthalle traute er sich nicht, weshalb er sein Fahrrad immer extra an dem anderen Fahrradständer parkte. Andauernd vergaß er Sachen in seinem Spint, ihm fielen Zettel auf den Boden oder er stolperte voller Panik über seine eigenen Füße. Das Essen in der Mensa ersparte er sich, sodass er teilweise mit rumorendem Magen und Hungergefühl im Nachmittagsunterricht saß.

Er quälte sich jeden Tag durch die Stunden, völlig übermüdet, da er nachts kein Auge zubekam und dann auch noch mit den Gedanken ganz woanders war. Einige der Lehrer hatten ihn schon auf seinen geräderten Gemütszustand angesprochen, sich Sorgen gemacht und ihm geraten aufzupassen, dass er nicht mit den Noten abrutschte. Doch Jungkook konnte im Moment weder an den Unterricht, noch an irgendwelche Noten denken.

Seine Gedanken lagen einzig und allein bei Taehyung und der Flucht vor ihm. Jungkook hatte sich sogar durch das schwarze Brett über die Kurse der Oberstufe informiert und dadurch einen Plan erstellt, wann und wo er am sichersten war.

Auch jetzt starrte er einfach aus dem Fenster seiner Klasse und dachte darüber nach, wie es nur alles so weit kommen konnte. Immer wieder erwischte er sich dabei, wie er an den Sportler dachte, an seine wunderschönen braunen Augen, die weichen Locken, durch welche er mit seinen Fingern fahren durfte, die kräftigen Arme, die ihn gehalten hatten und dieses Feuerwerk, was seine Berührungen in ihm ausgelöst hatten. Berührungen an Stellen, von denen er niemals gedacht hätte, dass überhaupt irgendwer sie berühren würde.

Jungkook war immer davon ausgegangen, dass er jungfräulich und mit zwanzig Katzen enden würde. Naja, diese Zukunft konnte auch immer noch wahrwerden, aber er fand das alles einfach nur unfair. Jetzt hatte er einen Vorgeschmack bekommen und dann auch noch von seinem Schwarm, von dem Jungen, in den er seit Jahren verliebt war.

Ein Seufzen verließ seine Lippen, als er ein weiteres Mal realisierte, dass er sich wohl wirklich zu viel erhofft hatte. Er hatte, wie hieß es doch so schön, die typische rosarote Brille auf der Nase getragen und das leider viel zu spät erkannt. Ihm hätte von vorneherein klar sein müssen, dass Taehyung niemals mehr in ihm sehen würde. Er hatte es ihm so oft gesagt und dennoch wollte Jungkook es nicht wahrhaben oder den Jungen wieder loslassen. Er liebte es, von ihm berührt zu werden. Er verzehrte sich nach dem Gefühl, was Taehyung ihm gab, auch wenn er danach meistens seine ganze Welt aus den Angeln gerissen hatte.

Bei dem Gedanken an all die sündhaften Dinge, die die beiden Jungen getan hatten, breitete sich ein wohliges Kribbeln in Jungkooks Magengegend aus und seine Nackenhaare stellten sich auf. Doch gleichzeitig drückte es so stark in seiner Brust und nahm ihm beinahe den Atem. Es tat nicht mehr weh. Vielleicht ein bisschen. Aber inzwischen fühlte er sich viel mehr einfach nur noch müde und kraftlos. Für ihn hatte die ganze Welt keinen Sinn mehr.

Noch drei Monate - drei Monate bis zum Abschluss.

Das würde er doch wohl noch aushalten, oder? Er musste dieses ganze Spielchen nur noch für die Zeit durchziehen bis Taehyung von der Schule gehen würde, dann wäre alles wieder gut. Doch das Wort 'gut' nahm sofort einen bitteren Beigeschmack an, als es durch seine Gedanken schwebte. Denn der Junge wusste genau, dass es danach nicht wieder gut werden würde, nicht einmal ein bisschen. Er war gebrochen und nur eine einzige Person könnte ihn wieder reparieren. Zu dumm nur, dass diese Person ihn wie Abschaum behandelte und überhaupt Schuld an der ganzen Sache war.

Die letzten Nächte hatte er überlegt, wie er aus der ganzen Sache rauskommen würde, wie es ihm wieder besser gehen würde. Natürlich war ihm zuerst er selbst in den Sinn gekommen. Er musste nur über seinen Schatten springen und sich von Taehyung lösen. Er müsste sich selbst reparieren. Doch je länger er diesem Gedanken folgte, desto absurder klang er für ihn und desto mehr fiel ihm auf, dass er keine Kraft mehr hatte. Er allein würde gar nichts schaffen. Und der Fakt, dass er allein war, nagte stetig an ihm.

Das Leuten der Schulklingel riss Jungkook zurück in die Realität, sodass er seinen Kopf langsam von seiner Hand nahm und begann sein Heft in den Rucksack zu verstauen. Er hatte kein einziges Wort auf die Seite geschrieben, er wusste noch nicht einmal worum es überhaupt ging. Wenn er ehrlich war, wusste er überhaupt nicht, welches Fach er gerade hatte.

Was er aber wusste, war dass Taehyung nun Training haben würde, sodass er sich etwas Zeit lassen konnte, um dann ein wenig zu verschnaufen und ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass der Lockenschopf ihn finden würde, seine Zeit zu verbringen. Vielleicht würde er es sogar schaffen ein wenig für die kommende Stunde vorzubereiten. Jedoch verwarf er diesen Gedanken direkt wieder und schüttelte über sich selbst lachend den Kopf. Er war doch wirklich erbärmlich.

Nach ein paar weiteren Minuten schlurfte der Junge mit hängenden Schultern als Letzter aus der Klasse und bog zu den Spintreihen ab. Am besten wäre es, wenn er die freie Zeit nutzen würde, um sich zu erleichtern. Wer wüsste schon, wann er das sonst wieder machen könnte. Aus diesem Grund hielt der Braunhaarige geradewegs auf seinen gelben Spint zu, um seine Schulsachen dort zu verstauen.

Um ihn herum auf dem Flur waren auch einige andere Schüler, die sich angeregt unterhielten sich oder in Richtung Schulhof schlenderten. Zum ersten Mal hatte Jungkook das Gefühl nach drei Tagen auch mal wieder eine normale Pause haben zu können, was ihm ein wenig die Last von den Schultern nahm. Dennoch sah er sich nochmal sicherheitshalber auf dem Flur um, konnte jedoch nur vereinzelte Oberstufenschüler erkennen und von den Basketballern war keine Spur zu sehen.

Mit zittrigen Fingern öffnete der Junge deshalb seinen Spint und warf den Rucksack hinein. Danach trank er einen Schluck aus seiner Wasserflasche, denn bei dem ganzen Trubel vergaß er immer öfter zu trinken. Das Essen bekam er sowieso kaum herunter, was zusammen wirklich keine gute Kombination war. Sein Körper war nicht nur vom Gemütszustand schwach, sondern auch vom Kreislauf her.

Nachdem er einige Schlucke genommen hatte, legte er auch die Flasche zurück in den Spint und schloss dann die Tür, um sich auf den Weg zur Toilette zu machen.

Doch in dem Moment, wo diese mit einem dumpfen Knall ins Schloss fiel, riss der Junge entsetzt die Augen auf, während ihm das Herz in die Hose rutschte. Hastig stolperte er ein paar Schritte zurück, suchte sich panisch nach irgendeinem Ort um, wohin er schnell verschwinden könnte, allerdings war sein Kopf wie leergefegt und als er mit einem Mal fest am Handgelenk gepackt und mit dem Rücken gegen die Spintreihe gedrückt wurde, wusste er, dass er verloren hatte.

Das Einzige, was er jetzt noch sah, war der durchdringende Blick der Person vor sich, der er so verzweifelt versucht hatte, aus dem Weg zu gehen.

Worst of you // TaekookWhere stories live. Discover now