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Irgendwie hatte Jungkook ein ziemlich komisches Gefühl als er erneut zu seinem Spint herüberlief und seine Schulsachen darin verstauen wollte. Trotz, dass er sich eigentlich darauf freute endlich nach Hause gehen zu können und sich zurück in sein Bett zu schmeißen, wurden seine Knie mit jedem Schritt, dem er sich seinem Schließfach näherte, weicher. Knapp einen Meter davor waberten sie nur noch wie Pudding und drohten jeden Moment unter seinem Gewicht zusammenzubrechen.

Für einen kurzen Moment hielt er inne, starrte die gelbe Tür an und wünschte sich inständig, dass er dort nicht noch einmal von einer Notiz überrascht werden würde. Doch das wirklich unangenehme Gefühl in seinem Inneren und die Unsicherheit ließen sich auch durch Starren nicht vertreiben. Zögerlich, ganz vorsichtig näherte er sich dem Zahlenschloss mit seiner freien Hand und fummelte unruhig daran herum. Nach einigen Sekunden klackte die Tür schließlich auf und öffnete sich einen Spalt breit.

Noch flog dem Jungen nichts entgegen und die Rillen sahen soweit auch ganz unauffällig aus. Doch das Herz donnerte immer noch in seiner Brust und die Gänsehaut, die sich über seinen Körper gelegt hatte, verschwand nichtmal ein bisschen. Der Schüler kaute sich nervös auf der Unterlippe herum, legte seine zittrigen Finger an die Kante der Tür und schob diese Stück für Stück weiter auf. Dabei lugte er mit großen Augen panisch in das dunkle Fach hinein, so als ob sich ein Monster darin verstecken würde.

Bei seinem Verhalten kam er sich beinahe selbst etwas verrückt vor. Aber was sollte er denn sonst tun? Mit einem breiten Grinsen seinen Spint aufreißen und seinen Kopf fröhlich hineinstecken, damit ihm wohlmöglich mehrere Notizzettel ins Gesicht klatschten? Darauf konnte er auch getrost verzichten. Allgemein konnte er auf all diese wirren Nachrichten von Taehyung verzichten. Was wollte er damit denn überhaupt bezwecken? Es reichte schon, dass der Jüngere sich doch tatsächlich wieder Hoffnungen machte.

Aber worauf machte er sich Hoffnungen?

Kurz krallte er sich fester in den Türrahmen, als er realisierte, dass es keine Hoffnungen gab. Zumindest nicht auf das, wonach er sich sehnte und was er sich wünschte. Er wollte nicht irgendein Spielzeug sein, das man beliebig benutzen konnte. Er wollte so viel mehr sein. Ein Freund, mit dem man bis zum Morgengrauen zocken konnte. Die Person, der man alles anvertraute und Sorgen und Ängste teilte. Der Mensch, zu dem man kommen würde, wenn es einem schlecht ging, aber auch um einfach glücklich zu sein. Er wollte Taehyung zum Lachen bringen und mit ihm herumalbern. Alles - er wollte alles. Alles von Taehyung und diesem sein Alles geben.

Aber die Traumwelt, die sein Kopf sich da zusammengespinnte, würde es nie geben.

Ein frustriertes Seufzen verließ seine Lippen, als er den Spint letzendlich gänzlich aufzog. Es war doch sowieso alles egal. Zumindest dachte Jungkook das. Denn als sein Blick geradewegs auf einen Umschlag fiel, verkampfte sich sein Körper augenblicklich. Voller Schock fielen ihm seine Schulbücher aus der Hand und landeten vor seinen Füßen auf dem Boden. Doch das interessierte ihn überhaupt nicht.

Viel mehr kreisten seine Gedanken nur darum, ob er den Brief heute morgen übersehen hatte oder er während des Schultages in sein Fach geschoben wurde? Nein, er wollte nichts von dem Brief wissen! Mit Schwung drehte er sich herum und kehrte dem weißen Papier den Rücken zu. Doch er konnte es quasi in seinem Nacken brennen spüren, so als ob es ihn daran erinnern wollte, gelesen zu werden. Ruckartig drehte der Jungen seinen Kopf deshalb zurück und starrte den Umschlag an.

Dieses Spiel vollführte er einige Male bevor er sich schließlich gänzlich zu seinem Schließfach herumdrehte, seine Hand hastig nach dem Brief austreckte und mehr oder weniger unfreiwillig an sich zog. Zumindest wollte sein Kopf das alles überhaupt gar nicht. Aber was sollte er denn gegen seine Hände tun, die wie von selbst das kühle Papier umgriffen?

In Windeseile machte er sich an der Lasche zu schaffen und riss diese unachtsam auf. Dass er dabei auch den Rest des Briefumschlags mit einriss, interessierte ihn recht wenig. Das Einzige, was er wollte, war endlich einen Blick auf dessen Inhalt werfen zu können. Doch zu seiner Überraschung fand er überhaupt keinen Brief darin, sondern einen kleinen Schlüsselanhänger mit einem Basketball dran.

Ratlos zog er den silber schimmernden Anhänger heraus und betrachtete ihn genauer. Doch je länger seine Augen auf dem kleinen Ding lagen, desto mehr fing es an, heftig in seiner Brust zu schmerzen. Was sollte das nur bedeuten? Jungkook verstand das alles nicht mehr.

Nervös ließ er seine zittrigen Finger erneut an den Umschlang wandern und zog diesen ein Stückchen weiter auf. Und tatsächlich. Vor seinen Augen tauchte ein beinahe winziger, gelber Zettel auf und ließ ihn scharf die Luft einziehen. Sofort zog er diesen hervor und wanderte mit seinen Augen, die bei jedem Wort ein Stückchen größer wurden, über die schwarzen Buchstaben.

'Ich bin kein Meister der vielen Worte, aber ich möchte es gerne versuchen, Jungkook. Du weißt, wo du mich treffen kannst. Ich werde solange warten, bis du dort auftauchst, selbst wenn es der Rest meines Lebens sein sollte.'

Blinzelnd fixierte Jungkook den Zettel in seinen Händen. Danach las er diesen nochmal und nochmal und nochmal durch, bis ihm letztendlich klar wurde, dass das alles kein Traum war. Taeyhung wollte ihn tatsächlich treffen? Vielleicht würde er sich entschuldigen wollen...die Worte klangen doch schließlich nach einer Entschuldigung, oder etwa nicht? Aber was wäre, wenn er ihn doch wieder nur verführen und ausnutzen wollte? Am Ende würde er ihn doch sowieso von sich stoßen, oder?

Vollkommen ratlos stand Jungkook auf dem schon längst leeren Schulflur und fragte sich, was er jetzt tun sollte. Was meinte Taehyung überhaupt damit - 'Du, weißt, wo du mich treffen kannst.'? Doch da erinnerte sich der Schüler, dass er in seiner anderen Hand den kleinen Anhänger hielt. Augenblicklich zog er diesen vor seine Nase, während sein Kinn langsam herunterklappte.

Die Sporthalle. Taehyung wollte tatsächlich, dass er in die Sporthalle käme? Aber was sollte er da? Dieser Ort war schon lange nicht mehr das für ihn, was er einmal war. Seit einigen Wochen hatte er diese nicht mehr betreten und beim letzten Match musste er mit ansehen, wie Taehyung sich übel verletzt hatte. Und noch viel schlimmer, den Kuss zwischen ihm und der Cheerleaderin. Nach dem Spiel hatte er die schlimmste Nacht seines bisherigen Lebens gehabt und er wollte überhaupt gar nicht daran denken! Warum die Sporthalle? Warum der Ort, wo Taehyung ihn zum ersten Mal berührt hatte? Warum ausgerechnet dieser gottverdammte Ort?

Jungkook hatte gar nicht bemerkt, dass ihm Tränen der Verzweiflung in die Augen gestiegen waren. Doch als er mit seinem verschwommenen Blick erneut den Basketball an dem kleinen Anhänger betrachtete, sowie die schnörkeligen Buchstaben überflog, wusste er, dass er eigentlich schon längst seine Entscheidung gefällt hatte. Er wusste doch genau, dass er zu schwach war, zu verletzt und kaputt, um dem Sportler noch länger aus dem Weg zu gehen. Letztendlich hatte er doch sowieso schon alles verloren, was sollte dann jetzt noch passieren? Viel schlimmer konnte es ja kaum werden.

Hektisch stopfte er den Zettel zurück in den dafür viel zu großen Umschlag und warf ihn in den Ranzen, den er mit einem Ruck aus dem Spint holte, daraufhin bückte er sich zu den Schulbüchern herunter und warf auch diese gedankenlos hinterher. Danach schnallte er sich den Rucksack auf den Rücken, knallte die Tür seinen Spints zu und drehte sich zum Schulausgang herum.

Für ein paar Sekunden hielt er aber nochmals inne, musterte ein letztes Mal den Anhänger in seiner Hand ehe er diesen fest umschloss und in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Er war nervös, unglaublich nervös und er wusste nicht, ob er dem Ganzen standhalten würde, aber er wollte das alles endlich geklärt haben. Er müsste damit abschließen, um Taehyung vergessen zu können, denn so wie es aussah wollte der Basketballer genau das.

Einen sauberen Cut, der die Fronten ein für alle Mal klärte.

Aber warum pochte Jungkooks Herz dann ganz aufgeregt in seiner Brust? Und warum wurde er das Gefühl nicht los, dass Taehyung all das... die Notizen, den Anhänger und den Ort des Treffens aus einem triftigen Grund gewählt hatte? Warum verschwand der kleine Funken Hoffnung, der sich tief in seinem Inneren gebildet hatte nicht, sondern flammte viel mehr zu einem knisternden Feuer auf?

Worst of you // TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt