Das Haus der Schmiede

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Nachdem die Hohepriesterin die Zeremonie offiziell für beendet erklärt hatte, kehrte Leben auf den Platz des Mondes zurück. Die Häuser zerstreuten sich. Manche gingen sogleich wieder ihren Aufgaben nach, andere tauschten untereinander ein paar Wortstöße aus. Ich folgte Cinora die Treppenstufen des Altars hinunter. Mamar, Odnar und Sedaria gingen uns voraus, wobei die Erweckte Halt an Odnars ausgestrecktem Unterarm suchte, da ihr das Laufen noch sichtlich schwerfiel.

»Hey!« Joron schloss zu mir auf; in seinen Händen hielt er eine verzierte Schatulle, in der sich unsere Nachtkerzen befanden. »Die Bramordar lässt dir Dank für die reibungslose Ausführung der Zeremonie zukommen.«

Ich warf einen Blick über die Schulter. Mittlerweile hatte jene ihr Festgewand abgelegt, sodass die unzähligen Runen auf ihrer dunklen Haut sichtbar waren. Ihr Augenmerk lag auf mir, derweil die übrigen Priesterinnen sich um sie herum versammelten. Kurzerhand neigte ich den Kopf als Geste meiner Hochachtung, doch die Ereignisse der Zeremonie saßen mir tiefer in den Knochen, als ich mir selbst eingestehen wollte.

»Ein Wildschwein also.«

»Hm?« Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf das Paar fast schwarzer Augen, das mich musterte.

»Wo bist du nur mit deinen Gedanken?«, erwiderte Joron und fuhr sich durch die wild abstehenden Haare. »Ich meine ja nur, selbst die Jägerinnen haben seit nunmehr einem Jahr keines mehr erlegt. Viele meinten schon, sie hätten die Wälder für immer verlassen. Doch dann kommst du daher und ... erlegst einfach so einen Keiler.«

»Eine Bache«, korrigierte ich ihn. »Sie hatte Kinder.«

»Fein, das heißt, sie siedeln sich wieder in den Wäldern an.«

»Mag sein.«

Den restlichen Weg über schwiegen wir, während uns von den unterschiedlichsten Seiten Glückwünsche zugesprochen wurden. Zuhause angekommen, führte Mamar Sedaria direkt ins Haus. Ich dagegen hielt auf die Holzbank an der Außenfassade des Hauses zu und ließ mich darauf sinken. Übelkeit rumorte in meinem Magen.

Cinora blieb unschlüssig zwischen den Tischreihen, welche sich rings um eine mit Holzscheiten versehene Feuerstelle aufreihten, stehen; in ein paar Stunden würde darauf das Festessen für den Abend zubereitet werden.

Die Vorbereitungen der Feier zu Sedarias Erweckung hatten mehrere Tage in Anspruch genommen. Nur mit der tatkräftigen Unterstützung der anderen Häuser war dies überhaupt möglich gewesen – allein im Vorratsschuppen neben der Schmiede lagerten fünf zusätzliche Tische und mehrere große Kessel.

»Wie viele, denkst du, werden kommen?«, Cinora verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Odnar, der wiederum auf einer der Sitzbänke Platz genommen hatte; zwischen Daumen und Zeigefinger drehte er einen Grashalm.

»Genug.«

Ja, da hatte er recht. Unser Hinterhof war alles andere als klein, aber die ganze Stadt darin zu bewirten und unterzubringen war schier unmöglich. Sicherlich würden die Jägerinnen und die Weber heute Abend unsere Gäste sein, da sie in engerem Kontakt zu Mamar und unserem Haus standen. Aber theoretisch konnten sich alle zu uns gesellen.

Die Göttin möge das verhindern.

Stimmen erhoben sich, dann flog etwas durch die geöffneten Küchenfenster hinter mir und landete direkt vor meinen Füßen. Es handelte sich um die blutgetränkte Kleidung, die ich während der Jagd getragen hatte. Kurz darauf trat Humir aus dem Türrahmen. »Da versuche ich erst gar nicht die Flecken herauszuwaschen«, erklärte er und deutete zu Boden. »Die ist hin.«

»Offensichtlich.« Ich würde sie später entsorgen.

Joron tauchte hinter Humir auf, er trug nicht länger das indigoblaue Gewand, sondern seine Arbeitskleidung: eine verdreckte Schürze, dazu eine alte Tunika samt Hose. »Auf, Tholon! Zieh dich um, wir haben ein Tier zu häuten, auszuweiden und festtagstauglich zu machen.«

Tannengold - Die Erben des JenseitsWhere stories live. Discover now